Vorbild

Aus 2 x 2 der Erziehung
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Kinder lernen von sich aus und vor allem durch Erfahrung und Nachahmung. Zum Vorbild nehmen sie grundsätzlich alle Menschen in ihrer Umgebung, in erster Linie aber die, denen sie am meisten vertrauen. Von Natur aus sind das ihre Eltern.

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Vertrauensbildung (bis etwa 2 Jahre)

Kinder nehmen Sie als Eltern automatisch zum Vorbild, und zwar ob Sie wollen oder nicht, Ihre Anwesenheit allein genügt schon! Zudem können Kinder noch nicht zwischen guten und schlechten Eigenschaften unterscheiden, das heisst, sie ahmen grundsätzlich einfach alles nach, was von den Eltern kommt. Denn Kinder vertrauen Ihnen zumindest in den beiden ersten Jahren grenzenlos - jedenfalls solange sie nicht allzu sehr enttäuscht wurden! Enttäuscht werden Kinder in dieser Phase vor allem dann, wenn ihre Eltern die Grundbedürfnisse nicht ausreichend befriedigen oder zu wenig ihren Fähigkeiten vertrauen.

Dass Kinder ihre Eltern zunächst in allem zum Vorbild nehmen, hat Vor- und Nachteile. Einerseits können Sie davon ausgehen, dass ein Grossteil Ihrer Wertvorstellungen von Ihren Kindern früher oder später von alleine übernommen werden. Wenn Sie zum Beispiel Wert legen auf gesundes Essen, gegenseitigen Respekt, Dankbarkeit oder Anstandsregeln, werden Ihre Kinder mit grosser Wahrscheinlichkeit irgendwann die gleichen oder zumindest ähnliche Wertvorstellungen entwickeln. Andererseits werden Ihre Kinder eben auch durch Ihre weniger vorteilhaften Eigenschaften und Eigenheiten geprägt werden.

Der Spruch „Der Apfel fällt nicht weit vom Stamm“ macht also durchaus Sinn. Bloss unterscheidet sich der Mensch vom Apfel gerade dadurch, dass er nach dem Fall nicht dazu verdammt ist, liegen zu bleiben, sondern aufstehen und selbst entscheiden kann, ob er bleiben oder weiterziehen will! Denn er hat einen Willen und im besten Fall ist dieser ein freier Wille. Vertrauen Sie also dem Kind, dass es irgendwann sich von seinen Vorbildern, insbesondere also von Ihnen, lösen kann und seine eigene Persönlichkeit entwickelt.

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Willensbildung (etwa 2 bis 4 Jahre)

Der Wille entwickelt sich bei Kindern in der Regel ab etwa dem dritten Lebensjahr. Das Kind beginnt - häufig von einem Tag auf den anderen - gegen Ihre Vorstellungen und Absichten zu protestieren, sagt "Nein!" oder "Ich will!". Hat es bisher alles mit Begeisterung oder doch zumindest ohne weiteres mitgemacht, will es nun plötzlich alles genau anders rum. Das ist zunächst ein gutes Zeichen, denn es bedeutet, dass es gesund ist und über etwas vom Wichtigsten für das Leben überhaupt verfügt, nämlich seinen eigenen Willen, und nicht mehr bereit ist, in blindem Vertrauen alles von Ihnen zu übernehmen!

Damit ändert sich aber auch Ihre Vorbildfunktion, denn diese ist nun vor allem auf das Thema des gegenseitigen Respekts fokussiert: Es geht darum, dass sowohl die Eltern als auch das Kind den Willen des anderen zu respektieren haben. Doch während Sie als Eltern im Umgang mit Grenzen bereits geübt sind (oder doch zumindest geübt sein sollten), muss das Kind diese erst von Ihnen erfahren haben. Denn das Kind kommt zunächst einmal grenzenlos zur Welt und es ist die Aufgabe der Eltern, dem Kind mit einem konsequenten "Nein!" Grenzen zu setzen. Gleichzeitig müssen Sie auch noch lernen, das "Nein!" des Kindes zu respektieren.

Diese Vorbildfunktion ist alles andere als einfach, denn es geht nicht bloss um Anstandsregeln und Höflichkeit (etwas, das Kinder im übrigen mit der Zeit von alleine von ihren Eltern übernehmen!). Der frisch erwachte Wille des Kindes benötigt vielmehr ein klares und standfestes Gegenüber: Sie müssen zu Ihrem "Nein!" stehen und dabei bleiben können, auch wenn das Kind zu schreien und toben beginnt.

Und umgekehrt müssen auch Sie ein "Nein!" des Kindes zwingend respektieren (wenn es nicht gerade um die Abwendung einer akuten Gefahr geht). Ansonsten würden Sie sehr schnell Ihre Glaubwürdigkeit verlieren.

Indem Sie dem Kind Grenzen setzen, helfen Sie ihm, seinen noch "rohen" Willen zu einem freien Willen zu kultivieren. Und indem Sie Ihrerseits sein "Nein!" respektieren, leben Sie ihm vor, wie reife Menschen miteinander umgehen. Denn das Ziel der Erziehung sollte nicht bloss Selbständigkeit sein (das wäre auch mit einem unkultivierten Willen möglich), sondern auch Beziehungsfähigkeit. Am besten können sie dies mit Vereinbarungen üben.

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Sozialisation bis Pubertät (etwa 4 bis 16 Jahre)

Spätestens mit dem Eintritt in die (Vor)Schule tritt nebst den Eltern eine Vielzahl weiterer Vorbilder in das Leben eines Kindes, vom Lehrer über den Trainer bis zu den Spielkameraden und deren Eltern. Das Kind lernt im Rahmen der Sozialisation Alternativen zu den vertrauten Lebensmodellen und Wertvorstellungen kennen. Das ist für die Entwicklung der Persönlichkeit unbedingt notwendig und stellt im übrigen auch kaum je eine Gefahr dar, wie von Eltern immer wieder mal befürchtet. Denn prägend sind die ersten vier Jahre, also die Zeit, in der in allererster Linie Sie als Eltern Vorbild sind.

Angst müssen Eltern höchstens dann haben, wenn sie ihre Erziehungsaufgaben eher vernachlässigt haben, also es in den ersten Jahren verpasst haben, dem Kind und seinen Grundbedürfnissen und Fähigkeiten zu vertrauen und ihm danach konsequent Grenzen zu setzen. Denn wenn die Persönlichkeit noch nicht genügend entwickelt ist, das Kind also nicht reif ist, wird es auch nicht wirklich zu sich stehen können und auch seine Umwelt nicht genügend respektieren können. Solche Kinder suchen dann eine Kompensation für das mangelnde Vorbild und finden dieses regelmässig in Idolen. Idole, also zum Beispiel Berühmtheiten aus dem Sport- oder Showbusiness, sind aber höchstens virtuell anwesend, sodass keine wirkliche Beziehung entstehen kann. Daraus entstehen Träumereien und Phantasien, die niemals ein Ersatz für die Anwesenheit der Eltern sein können und entsprechende Enttäuschungen sind zwangsläufig die Folge.

Die Vorbildfunktion der Eltern nach den ersten, entscheidenden Jahren besteht vor allem in ihrer Anwesenheit. Es geht weniger darum, Kindern irgendwelche Ideale vorzuschwärmen oder einzutrichtern (die Sie womöglich selbst gar nicht erfüllen können), sondern es geht einzig darum, dass Sie zum Beispiel auf Fragen von Jugendlichen nach Sinn und Zweck von bestimmten Verhaltensregeln zu antworten bereit sind. Und zwar selbst dann, wenn Sie gar keine Antwort bereit haben, weil Sie bisher zum Beispiel gar nie hinterfragt haben, weshalb Sie Ihre Nachbarn nie zum Nachtessen einladen. Seien Sie in solchen Situationen auch einmal offen dafür, dem Kind zu sagen, dass Sie das nicht wissen oder sich noch gar nie so genau überlegt haben. Es tut Kindern nämlich ausgesprochen gut, wenn sie erfahren, dass auch ihre Eltern nicht perfekt sind! Und wer weiss: Vielleicht bringen Ihre Kinder Sie ja auf neue Ideen und Sie entdecken bei Ihrem Nachbarn Dinge, an die Sie zuvor gar nie dachten.

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Übergeordnetes Thema

Vertrauensbildung (erstes Phase der Erziehung)

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