Vertrauensverlust

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Vertrauen ist die Grundlage jeder Beziehung. Während das Kind mit vollem Vertrauen in das Leben und ganz besonders in seine Eltern zur Welt kommt, müssen diese erst noch lernen, ihm beziehungsweise seinen Grundbedürfnissen und Fähigkeiten zu vertrauen. Sind die Eltern zu wenig bereit für diesen Lernprozess, wird das Kind mit der Zeit seinerseits sein Vertrauen verlieren und entsprechend wenig Selbstvertrauen entwickeln können. Zudem wird ein Vertrauensverlust die Beziehung zwischen den Eltern und dem Kind beeinträchtigen, wodurch schliesslich die anschliessende Phase der Willensbildung sehr viel schwieriger wird.

Mögliche Ursachen

Für die Beziehung zwischen den Eltern und dem Kind sind in den beiden ersten, alles entscheidenden Phasen der Erziehung einzig und allein die Eltern verantwortlich. Die Ursachen für einen Vertrauensverlust in dieser Zeit liegen vor allem in mangelndem Vertrauen in die Grundbedürfnisse des Kindes oder in dessen Fähigkeiten:

  • Schreien lassen: Einem schreienden Kind fehlt etwas. Bei Kleinkindern können Sie zudem immer davon ausgehen, dass es sich ausschliesslich um Grundbedürfnisse handelt, die bedingungslos und möglichst sofort befriedigt werden sollten. "Einfach schreien lassen" mag zwar funktionieren, wenn Sie das so lange durchstehen können, doch wird das Kind nicht etwa "von alleine vernünftig", sondern es resigniert schlicht, das heisst, es gibt sich auf, was sogar seinen Lebenswillen beeinträchtigen kann, also höchst kontraproduktiv ist. Als Eltern haben Sie die Verantwortung, dem Kind, dem etwas fehlt, zu helfen. Kinder in den ersten beiden Jahren schreien niemals, einfach weil sie böse wären oder irgendetwas manipulieren wollten, dazu sind sie noch gar nicht fähig. Es hilft auch überhaupt nichts, ein schreiendes Kind, mit irgendwelchen Aufforderungen ("Hör endlich auf zu schreien!"), Argumenten ("Das ist doch nicht so schlimm!"), Erklärungen ("Du hättest Dich halten sollen!") oder gar Vorwürfen ("Du nervst alle!") zur Ruhe bringen zu wollen. Das einzige, was hilft, ist wirklicher Trost, also halten, ruhig bleiben, mitfühlen und warten, bis sich das Kind ausgeweint hat. Danach wird die Welt so schnell wieder in Ordnung sein, wie sie zuvor gestört wurde! Und ganz nebenbei haben Sie das Vertrauen des Kindes in Sie bestätigt, woraus es wiederum sein Selbstvertrauen stärkt.
  • Weglegen: Gerade Kleinkinder brauchen viel Körperkontakt, das heisst, sie wollen förmlich spüren, dass für sie gesorgt wird. Kindertragen sind deshalb ein hervorragendes Mittel, um das Vertrauen zu stärken, während diese Beziehung beim Liegen im Kinderwagen bereits beeinträchtigt wird. Wenn das Kind Ihren Atem spürt und Ihren Körpergeruch riecht, fühlt es sich sicher und geborgen.
  • Stehen lassen: Noch mehr verlassen fühlt sich das Kind, wenn es einfach stehen gelassen wird, bloss weil es sich Ihrem Willen widersetzt. Ihr Kind braucht Ihre Anwesenheit und Standhaftigkeit gerade bei Trotzreaktionen ganz besonders! Wenn Sie es ausgerechnet in solch schwierigen Situationen verlassen, ist das ein eigentlicher Liebesentzug.
  • Wegsperren: Gleiches gilt für das Wegsperren des Kindes. Wenn der Wille des Kindes mit Ihrem zusammenstösst, braucht es Kontakt, und zwar in Form von Widerstand. Wird das Kind in solchen Momenten einfach fortgeschickt oder gar weggesperrt, geht dieser Kontakt verloren und das Kind wird sich selbst überlassen, obwohl es eigentliche Ihre Hilfe brauchen würde. Dabei wird es nicht etwa "von alleine vernünftig“, sondern es wird schlicht resignieren und sich dabei womöglich auch noch überlegen, wie es sich irgendwann wird rächen können, sobald es nur kräftig und geschickt genug ist.
  • Missachten: Kinder brauchen die Bestätigung ihrer Eltern, also ein Mindestmass an Beachtung. Zeigen die Eltern zu wenig Interesse an der Entwicklung der Fähigkeiten, wird das Kind entsprechend wenig Selbstvertrauen aufbauen können.
  • Leere Versprechen und Drohungen: Kinder verlassen sich zumindest in den ersten Jahren noch voll und ganz auf ihre Eltern. Wenn diese aber immer wieder Dingen versprechen, die sie nicht einhalten oder gar Drohungen aussprechen, die sie dann doch nicht wahrmachen, wird das Kind enttäuscht (selbst wenn die vermeintlich gute Absicht dahinter steht, das Kind aus Nachsicht doch nicht zu bestrafen). Wird das Kind von seinen eigenen Eltern immer wieder enttäuscht, verliert es natürlich sein Vertrauen in diese. Es wird dann schon sehr früh andere Vertraute suchen, da sein Bedürfnis nach Beziehung ja trotzdem da ist. Da das Kind zunächst alles, was von seinen Eltern kommt, also normal betrachtet, gewöhnt es sich an derartiges, wenig vertrauenswürdiges Verhalten und die Gefahr ist gross, dass es auch der Werbung oder zweifelhaften Idolen verfällt.
  • Inkonsequenz: Kinder brauchen vor allem in den ersten Jahren Klarheit, sie müssen wissen, welche Regeln gelten, was gut oder schlecht ist und welche Konsequenzen ihr Tun und Lassen hat. Wenn sie sich auf die Aussagen der Eltern nicht verlassen können, weil diese wankelmütig reagieren, verlieren sie das Vertrauen. Mit "Jein" können Kinder in den ersten Jahren noch nicht umgehen, da sie mit Zwischentönen schlicht überfordert sind!
  • Ironie: Kinder nehmen Ihre Aussagen immer wortwörtlich, da sie den Sprachwitz noch nicht verstehen können. Das hat zur Folge, dass sie durch ironische Bemerkungen im besten Fall verwirrt werden, im schlimmsten Fall aber nicht mehr recht glauben wollen, was sie hören, da sie ja nie ganz sicher sein können, was nun gilt und was nicht. Sprechen Sie also Klartext, sodass das Kind Ihren Worten auch trauen kann und sich nicht immer wieder hinterfragen muss. Noch heikler ist, wenn das Kind ausgelacht wird. Mit Ironie können Kinder erst aber einer gewissen Reife umgehen. Etwas anderes ist Humor, der Kindern von Anfang an gut tut.
  • Doppelbotschaften: Wenn Eltern das eine sagen und das andere meinen, entstehen Doppelbotschaften, die das Kind verwirren. Denn Kinder spüren noch sehr gut, wenn das Gesagte nicht mit dem Gedachten übereinstimmt und wissen dann nicht mehr, was sie wirklich vertrauen sollen.
  • Schwindeln: Schummeln und Lügen sind gleich in zweierlei Hinsicht heikel. Erstens haben Kinder ein sehr feines Gespür dafür, ob etwas stimmt der nicht, und zweitens entsteht, sobald die Wahrheit ans Licht kommt, eine Enttäuschung. Wenn sie merken, dass zwischen Ihren Aussagen und dem, was sie spüren, eine Diskrepanz besteht, werden sie misstrauisch, verlieren also das Vertrauen. Die allfällige Enttäuschung ist dann eher noch das kleinere Problem, da ja die Diskrepanz aufgehoben wird, das heisst, das Kind hat dann immerhin die Gewissheit, dass es doch richtig spürte. Allerdings hat es dann auch die Gewissheit, dass es von den Eltern angelogen wurde!

Es ist ein grosses Missverständnis, wenn Eltern meinen, ihre Kinder würden ihnen zu wenig vertrauen, weil sie zum Beispiel ihre Ratschläge nicht befolgen würden oder auch sonst nicht gehorchen würden. Denn erstens ist das Ziel der Erziehung nicht etwa Gehorsam, sondern Selbständigkeit und Beziehungsfähigkeit. Und zweitens liegt der Erhalt des Vertrauens gerade nicht in der Verantwortung des Kindes, sondern in jener der Eltern!

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Mögliche Folgen

Wenn das Vertrauen zwischen den Eltern und dem Kind beeinträchtigt ist, betrifft das nicht bloss deren Beziehung, sondern vor allem das Kind selbst, da es in gleichem Masse Mühe haben wird, Selbstvertrauen zu entwickeln:

  • Beeinträchtigung der Beziehung: Vertrauen ist die Grundlage jeder Beziehung, ganz besonders in der Erziehung. Denn das Kind ist zumindest während den beiden ersten, alles entscheidenden Phasen der Erziehung sprichwörtlich auf Gedeih und Verderb auf seine Eltern angewiesen, weshalb es Ihnen von Geburt an vollkommen vertraut. Zu diesem Vertrauen müssen Sie grösstmögliche Sorge tragen, ansonsten sich das Kind früher oder später andere Bezugspersonen, Vorbilder oder Idole wird suchen müssen, was aber immer auf Kosten Ihrer Beziehung gehen wird! Es liegt also in Ihrer Verantwortung, während der Phase der Vertrauensbildung zu lernen, den Grundbedürfnissen und Fähigkeiten des Kindes zu vertrauen.
  • Beeinträchtigung des Selbstvertrauens: Kinder gewinnen ihr Selbstvertrauen aus dem Vertrauen der Eltern in ihre Grundbedürfnisse und in ihre Fähigkeiten. Dieses Vertrauen bringen nicht alle Eltern einfach so von Natur aus mit, sondern müssen es häufig zuerst lernen. Und Sie müssen damit gleich von Geburt an beginnen, denn nach den ersten beiden Jahren ist es bereits zu spät!
  • Fehlende Grundlage für Konfrontationen: Ist das Selbstvertrauen des Kindes zu schwach, wird Ihnen in der danach folgenden Phase der Willensbildung auch die Grundlage fehlen, dem Kind angemessen Widerstand zu leisten. Das Kind kann dann mit Ihrem "Nein!" nur schwer umgehen, da es sofort einen Liebesverlust befürchtet. Ganz abgesehen davon, dass Sie auch selbst Mühe haben werden, konsequent "Nein!" zu sagen, wenn Sie zuvor nicht wirklich "Ja" sagen konnten, also gelernt haben, dem Kind zu vertrauen!

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Weiterführende Themen

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Übergeordnetes Thema

Vertrauensbildung (erstes Phase der Erziehung)

Fragen und Feedback

Das "Zweimalzwei der Erziehung" ist zum Teil noch im Aufbau. Allfällige Fragen oder Feedback sind willkommen: Email

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