Vertrauensbildung

Aus 2 x 2 der Erziehung
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Die Phase der Vertrauensbildung ist die erste und grundlegendste Phase der Erziehung. Während das Kind bereits mit einem grenzenlosen Vertrauen in seine Eltern zur Welt kommt, müssen Sie zuerst lernen, Ihrem Kind beziehungsweise dessen Grundbedürfnissen und Fähigkeiten zu vertrauen. Vertrauen ist die Grundlage jeder Beziehung, gerade auch jener zwischen Eltern und Kind. Das Besondere in der Erziehung ist, dass die Verantwortung für die Vertrauensbildung einseitig in der Verantwortung der Eltern liegt.

Das Kind entwickelt in dem Mass Selbstvertrauen, wie sein Vertrauen von seinen Eltern bestätigt wird, indem diese bedingungslos "Ja" zu ihm sagen. Dieses "Ja" ist Voraussetzung dafür, dass das Kind in der nächsten Phase, jener der Willensbildung ab etwa dem dritten Lebensjahr, auch mit Ihrem "Nein!" wird umgehen können.

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Vertrauensbildung (bis etwa 2 Jahre)

Vertrauen ist die Grundlage jeder Beziehung, gerade auch jener zwischen den Eltern und dem Kind, also der Erziehung. Allerdings geht es zumindest während den beiden ersten, alles entscheidenden Phasen der Erziehung nicht um eine Partnerschaft, in der beide Partner zu gleichen Teilen verantwortlich sind, sondern aufgrund der hierarchischen Stellung zwischen Eltern und Kind sind Sie allein dafür verantwortlich:

Vertrauen in die Grundbedürfnisse des Kindes

Das neugeborene Kind ist seinen Eltern sprichwörtlich auf Gedeih und Verderb ausgeliefert. Es vertraut ganz selbstverständlich, dass ihm jederzeit sofort geholfen wird, wenn es irgendetwas braucht. In der Phase der Vertrauensbildung hat es ausschliesslich Grundbedürfnisse, das heisst solche, die möglichst bedingungslos und sofort befriedigt werden sollten. Nur so wird das Vertrauen des Kindes in seine Eltern bestätigt und kann sich zu entsprechendem Selbstvertrauen entwickeln. Oder anders gesagt, es geht um das "Ja" der Eltern zum Kind:

  • Stillen und Essen: Der wohl innigste Ausdruck von Vertrauen ist, wenn sich der Säugling durch die Mutter stillen lässt. Er vertraut darauf, dass er alles erhält, was für sein Gedeihen und seine Gesundheit nötig ist. Sie sollten sich deshalb schon vorzeitig darüber informieren, ob Sie bei der Geburt auch entsprechend unterstützt werden. Nach und nach geht es zudem um Rhythmus und Struktur, wozu sich gerade Essen und Trinken besonders eignen, indem Sie ganz selbstverständlich regelmässige Zeiten und Rituale anstreben. Regelmässigkeiten stärken das Vertrauen des Kindes in den Lauf der Dinge und somit ganz allgemein in das Leben.
  • Schlafen: Lassen Sie Ihr Kind wann immer schlafen, wenn ihm danach ist. Und vor allem: legen Sie es erst dann einschlafen, wenn es erstens müde ist und zweitens auch von sich aus bereit ist loszulassen. Der Schlafrhythmus wird sich so ganz von allein einstellen. Vertrauen Sie darauf, dass Ihr Kind genau so lange schläft, wie es den Schlaf braucht.
  • Halten und getragen werden: Gerade bei Kleinkindern wird das Vertrauen stark durch Körperkontakt geprägt. Wenn das Kind gehalten wird, fühlt es sich angenommen. Diese Bestätigung braucht das Kind immer wieder, also nicht nur, wenn es müde oder traurig ist: Wenn Ihnen das Kind die Arme entgegenstreckt, braucht es vielleicht bloss die Gewissheit von Ihnen, dass Sie immer noch für es da sind. Gleiches gilt, wenn das Kind getragen wird. Kinder wollen nicht nur getragen werden, wenn sie müde sind, sondern auch, weil sie die Nähe suchen. Gerade für Säuglinge sind deshalb Kindertragen viel geeigneter als Kinderwagen. So weit es Ihre Kräfte zulassen, sollten Sie deshalb immer "Ja" sagen, wenn das Kind Ihre Nähe sucht.
  • Bewegen: Genau gleich wie mit der Ruhe verhält es sich mit der Bewegung. Lassen Sie das Kind so viel herumturnen und springen, wie es mag. Behindern Sie es nicht (ausser natürlich, wenn wirkliche Gefahren drohen). Es muss dabei auch hinfallen oder sich anschlagen dürfen. Missgeschicke gehören zu den Erfahrungen, aus denen es lernen kann. Es braucht bloss für seine allfälligen Schmerzen getröstet werden.
  • Trost: Mit der Geburt macht das Kind einen riesigen Schritt vom Mutterleib mit absoluter Rundumversorgung in die grosse, fremde Welt. Das beginnt mit dem kalten Luftzug, geht über Hunger bis zu lauten Geräuschen, die das Kind erschrecken. Das Kind braucht deshalb fast ständig Trost für irgendetwas. Und solange das Kind noch lernt, muss es auch mit dauernden kleineren und grösseren Missgeschicken und Misserfolgen leben. Auch dafür braucht es immer bedingungslosen und unmittelbaren Trost. Das gilt für die ersten Jahre ganz besonders. Erst wenn das Kind genügend Selbstvertrauen aufbauen konnte, wird es sich nach und nach auch selbst beruhigen können und eine gewisse Frustrationstoleranz entwickeln. Dafür benötigte es aber zuvor ausreichenden und richtigen Trost.
  • Beachtung: Kinder suchen immer wieder den Kontakt und die Bestätigung durch ihre Eltern. Gerade in den beiden ersten Jahren sollten Sie sich auch grundsätzlich immer unterbrechen lassen, wenn das Kind Ihre Aufmerksamkeit verlangt. Das mag zwar anstrengend sein, doch zahlt sich das schon bald vielfach aus: Wenn das Kind erst einmal die Gewissheit gewonnen hat, dass es sich auf den Kontakt zu Ihnen verlassen kann, wird es auch schon bald die geduldig warten können, ohne gleich mit Verlustangst reagieren zu müssen.
  • Mitgefühl: Mitgefühl bedeutet, dass Sie Ihre eigenen (!) Gefühle wahrnehmen, während Sie vom Kind bloss dessen Emotionen sehen oder hören können. Die Gefühle des Kindes kann nur es selbst wahrnehmen. Wenn es zum Beispiel schreit, können Sie bloss erahnen, ob es sich um Trauer, Schmerz oder um Hunger handelt. Was Sie hingegen wirklich wahrnehmen können, sind Ihre eigenen Gefühle (vielleicht freuen Sie sich, dass das Kind nach Ihnen ruft oder Sie ärgern sich, dass es noch nicht schläft usw.). Mitgefühl ist denn auch zu unterscheiden von Mitleid, ansonsten sehr schnell ein Durcheinander der Gefühle entstehen kann, welches bloss der Verwirrung statt der Vertrauensbildung dient.
  • Zuhören: Wenn das Kind zu sprechen beginnt, ist Ihre Geduld besonders gefragt. Lassen Sie das Kind immer zuerst ausreden, vervollständigen Sie keine Sätze von sich aus und unterbrechen Sie es nicht. Warten Sie immer, bis das Kind fertig gesprochen hat und fragen Sie nach, wenn Sie etwas nicht verstanden haben. Wenn Sie zuhören, zeigen Sie dem Kind, dass Sie an ihm interessiert sind und ihm zutrauen, dass es sich mitteilen kann und darf.
  • Warten: Kinder brauchen Zeit. Weder viel noch wenig, sondern genau so viel, wie sie eben brauchen. Als Eltern müssen Sie deshalb lernen zu warten, bis das Kind so weit ist, ganz gleich ob es um das Essen, Sprechen, Laufen lernen oder was auch immer geht. Je mehr Gelassenheit Sie dabei entwickeln desto besser für das Vertrauen.
  • Antworten: Kinder entdecken laufend neue Dinge, zu denen sie automatisch Fragen haben. Die Fragen mögen für Eltern noch so skurril oder unsinnig sein, für das Kind sind sie von grösstem Interesse. Nehmen Sie sich deshalb die Mühe, möglichst alle Fragen des Kindes unmittelbar zu beantworten. Gerade in den ersten beiden Jahren sollten Sie sich durch das Kind auch unterbrechen lassen und ihm Vorrang geben, da es noch kaum warten kann. Das Kind hat die berechtigte Erwartung, dass Sie ihm helfen, die Welt zu verstehen. Erst wenn es immer wieder erfahren hat, dass es Ihnen wichtiger als alles andere ist, kann es auch mehr und mehr geduldig warten, bis Sie Zeit haben: Es hat dann bereits die Gewissheit gewonnen, dass es sich tatsächlich immer auf Sie verlassen kann.
  • Ernst nehmen: Ganz gleich wie lustig oder nichtig die Sorgen Ihres Kindes in Ihren Ohren klingen mögen, es will von Ihnen ernst genommen werden. Denn es verfolgt weder irgendeine Absicht noch will es "den Clown spielen". Selbstverständlich dürfen und sollen Sie mit Ihrem Kind Spass haben, doch sollten Sie sich unbedingt des Unterschieds zwischen Humor und Ironie bewusst sein.
  • Verlässlichkeit: Kleinkinder haben noch keine Vorstellung von einer Zukunft, weshalb für sie auch der Zusammenhang zwischen Ursache (in der Vergangenheit) und Wirkung (in der Zukunft) kaum erfassbar ist. Was sie hingegen sehr wohl wahrnehmen, sind Wiederholungen. Das beginnt mit Ihrer regelmässigen Reaktion auf das Lächeln und geht über Mahlzeiten zur immer gleichen Zeit bis zur externen Kinderbetreuung am immer gleichen Wochentag. Besonders Rituale, zum Beispiel beim Schlafen gehen, stärken das Vertrauen des Kindes in den Lauf des Lebens: Es kann sich darauf verlassen, dass es immer, nachdem Sie ihm die Gutenachtgeschichte erzählt haben, ohne Sorgen einschlafen kann und am anderen Tag wieder von Ihnen in Empfang genommen wird. Achten Sie deshalb auf einen klaren Rhythmus im Alltag. Verlässlichkeit beinhaltet auch eine allgemeine Ordnung, wenn zum Beispiel die Pantoffeln immer am gleichen Ort zu verräumen sind. Dabei geht es nicht etwa um Disziplin, sondern vielmehr um Regelmässigkeiten, die Vertrauen schaffen.

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Vertrauen in die Fähigkeiten des Kindes

Das Kind ist bei seiner Geburt zwar völlig auf seine Eltern angewiesen, doch sind bereits alle seine Fähigkeiten in ihm veranlagt und warten bloss darauf, entwickelt zu werden. Und zwar erstens ganz von selbst, und zweitens genau dann, wenn das Kind diese benötigt:

  • Selbst tun lassen: Ganz gleich, ob das Kind die Trinkflasche selbst halten will oder die Kleider selbst ausziehen will, lassen Sie es zumindest selbst ausprobieren! Sie brauchen sich keine Gedanken darüber zu machen, ob es das auf Anhieb schafft oder nicht, entscheidend ist einzig, dass Sie es ihm zutrauen. Dem Kind selbst ist es übrigens auch völlig gleichgültig, ob und wann es Erfolg mit seinen Versuchen hat. Es hat genügend Geduld und kann auch mit Misserfolgen und Missgeschicken ohne weiteres umgehen. Es braucht einzig Trost, falls es sich dabei weh tut. Halten Sie sich also möglichst so lange zurück mit Helfen und warten Sie, bis das Kind von sich aus danach verlangt (ausser natürlich, es drohen wirkliche Gefahren).
  • Gelassenheit: Gerade Kinder in den ersten Jahren lernen eine Unmenge neuer Dinge. Und da sie in erster Linie durch Ausprobieren und Nachahmen lernen, kann das von ihren Eltern durchaus einiges an Geduld fordern. Nehmen Sie sich diese Zeit und wundern Sie sich immer wieder über das Kind, das gerade etwas Neues entdeckt und erfährt. Erwarten Sie nichts, lassen Sie sich vielmehr davon überraschen, welche Fähigkeiten Ihr Kind entwickelt. Jedes Kind hat ganz individuelle Fähigkeiten, die es ganz nach seinem eigenen Plan und von alleine entwickelt, also unabhängig von irgendwelchen Lehrplänen oder Entwicklungstabellen, die immer bloss den Durchschnitt abbilden können. Kein Kind aber ist durchschnittlich, jedes ist einmalig und will gerade für diese Einmaligkeit geschätzt werden. Das fordert von Eltern eine gewisse Gelassenheit, eine der wichtigsten Erziehungskompetenzen. Lassen Sie also alle Vergleiche mit anderen Kindern!
  • Lernen lassen: Zumindest währenden den beiden ersten, alles entscheidenden Phasen der Erziehung sollten Kinder unbedingt frei lernen dürfen, das heisst einzig nach dem Lustprinzip. Es macht nicht den geringsten Sinn, Kinder schon in dieser Zeit auf irgendwelche Lerninhalte vorzubereiten. Viel wichtiger ist die Freude des Kindes am Entdecken und Ausprobieren. Denn nur wenn diese natürliche Lernfreude möglichst lange erhalten bleibt, kann das Kind später in der Schule auch mit den (zumindest teilweise unumgänglichen) Zwängen von Lehrplänen umgehen, ansonsten ihm die nötige Frustrationstoleranz womöglich fehlen wird.
  • Anerkennung: Schliesslich dürfen und sollen Sie sich mit dem Kind zusammen freuen, wenn ihm wieder etwas gelungen ist. So fühlt es sich bestätigt und wird sich noch mehr engagieren. Lob und Anerkennung sollen aber echt sein, künstlich aufgeblähter Jubel ist weder nötig noch sinnvoll. Wichtig ist hingegen, dass Sie zunächst einmal alles beachten, was dem Kind gelingt, also ganz unabhängig davon, welchen Nutzen Sie selbst dem Erfolg beimessen.

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Selbstvertrauen der Eltern

Voraussetzung dafür, dass Sie Ihrem Kind überhaupt vertrauen können, ist natürlich zunächst einmal, dass Sie sich selbst vertrauen! Ihr Selbstvertrauen ist eine der wichtigsten Erziehungskompetenzen, leider aber nicht selbstverständlich und auch nicht einfach so zu erwerben. Die Geburt eines Kindes sollte Ihnen aber immerhin zeigen, dass Sie dem Leben vertrauen können: Glauben Sie daran, dass Sie fähig sind, Ihrem Kind alles zu geben, was es braucht und sie werden schnell feststellen, dass dem erstens so ist und dass Sie zweitens gerade daraus Kraft wiederum ziehen können. Selbstvertrauen bedeutet schliesslich auch, dass Sie Ihrem Gespür mehr vertrauen als jedem anderen Ratgeber, womit selbstverständlich auch dieses Wiki gemeint ist!

Das Vertrauensverhältnis, das Sie zu Ihrem Kind aufbauen sollen, beinhaltet auch den Respekt gegenüber der eigenständigen Persönlichkeit des Kindes. Sie brauchen Ihr Kind nicht etwa beeinflussen zu wollen, Ihr Kind wird Sie nämlich schon von sich aus zum Vorbild nehmen. Das gilt gerade auch für Ihre Wertvorstellungen: Überlassen Sie es zuerst dem Kind, was es übernehmen will und was nicht. Kinder haben ein sehr feines Gespür dafür, welche dieser Vorstellungen Sie auch wirklich leben und welche Sie bloss zu leben. Und vielleicht geben Ihnen Kinder ja auch einmal Anlass, gewisse, bisher unbesehen übernommene Vorstellungen zum Leben zu überdenken.

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Willensbildung (etwa 2 bis 4 Jahre)

Wenn das Kind beginnt seinen Willen zu entwickeln, in der Regel etwa im dritten Lebensjahr, erhält auch das Vertrauen eine zusätzliche Dimension. Während Ihr Vertrauen bisher eher passiver, also zustimmender, Natur war, müssen Sie nun viel aktiver handeln, denn jetzt muss das Kind auch den Widerstand spüren, den es mit seinem Willen auslösen kann. Dieser Widerstand ist wie ein standhaftes Gerüst oder eine Leitplanke, auf die man sich im Notfall verlassen kann. Denn der Wille ist zu Beginn eine derart starke und noch rohe Kraft, dass das Kind häufig selbst damit überfordert ist. Es muss Ihnen deshalb vertrauen können, dass Sie ihm auch "Nein!" sagen, wenn es zu weit geht, und dass Sie dabei konsequent bleiben:

  • Zumuten: Sobald das Kind etwas will, können Sie ihm auch zumuten, dass es sich dafür einsetzt, also nicht mehr bloss nach dem Lustprinzip handelt, sondern mit einer klaren Absicht. So dürfen Sie zum Beispiel durchaus fordern, dass es das Eis erst dann erhält, wenn es nach Hause gelaufen ist (statt getragen zu werden). Zumuten müssen Sie dem Kind aber auch Ihre Grenzen, das heisst laut und deutlich werden, wenn es zu weit geht. Kinder können nämlich sehr gut damit umgehen, auch wenn Sie einmal etwas gar hart sind, sie haben bloss dann Probleme, wenn Sie wankelmütig werden, denn dann wissen sie nicht mehr, ob Sie Ihren Forderungen auch wirklich vertrauen können.
  • Entscheiden lassen: Gehen Sie davon aus, dass Ihr Kind grundsätzlich alles selbst entscheiden kann (ausser natürlich bei wirklichen Gefahren).
  • Konsequent bleiben: Kinder müssen sich auf das "Ja" oder das "Nein!" der Eltern verlassen können. Für Kinder in diesem Alter gibt es noch keine Grautöne, es gibt bloss "entweder oder". Gerade bei Ihrem "Nein!" müssen Sie unbedingt konsequent bleiben, ansonsten das Kind dauernd wird prüfen müssen, ob Sie nicht doch "Jein" gemeint haben, also Ihre Haltung bloss halbherzig ausgedrückt haben. Das gleiche gilt für leere Drohungen, da das Kind nie sicher sein kann, wie ernst Sie etwas gemeint haben. Bleiben Sie also lieber einmal zu hart, als zehn Mal zu weich, das ist für Kinder sehr viel einfacher zu respektieren.
  • Vereinbarungen: Das beste Mittel, um in dieser Phase Vertrauen zu schaffen, sind Vereinbarungen, also nicht einseitige Abmachungen, sondern solche, bei denen das Kind auch mitbestimmen darf und soll. So zeigen Sie dem Kind erstens, dass Sie seine Anliegen ernst nehmen und dass Sie zweitens von ihm fordern, dass es sich ebenso konsequent daran halten muss. Sie werden staunen, wie kooperativ Kinder sein können, wenn sie mitentscheiden dürfen. Wenn es trotzdem einmal nicht klappt, liegt es in Ihrer Verantwortung das anzusprechen. Dabei ist es entscheidend, dass Sie selbst auch zuverlässig sind, das heisst, sich konsequent an Ihre eigenen Zusagen halten. Denn nur dann, wird das Vertrauen bestätigt, ansonsten das Kind sehr schnell misstrauisch wird.
  • Verantwortung übertragen: Sobald das Kind zu wollen beginnt, wird es auch den Zusammenhang zwischen Ursache und Wirkung verstehen (etwas, das es vorher noch nicht verstehen konnte!). Das ist Voraussetzung, wenn dem Kind nun nach und nach auch mehr Verantwortung übertragen werden soll. Denn Verantwortung tragen heisst, die Folgen seines Tuns oder Lassens zu kennen und anzunehmen. Das geht am besten, wenn Sie das Kind selbst entscheiden lassen, ihm aber zumindest anfangs die Konsequenzen des jeweiligen Entscheids erklären. Wenn das Kind zum Beispiel das Fahrrad mit auf den Spaziergang mitnehmen will, können Sie ihm sagen, dass es das darf, aber das Fahrrad von ihm auch wieder nach Hause geschoben werden muss, wenn es plötzlich keine Lust mehr hat zu fahren (und nicht etwa von Ihnen nachgetragen wird).
  • Versöhnung: Wenn Ihr Wille mit demjenigen Ihres Kindes kollidiert, kann es schon mal zu einem Wutanfall des Kindes kommen. Das ist zunächst völlig natürlich und auch ein gesundes Zeichen seiner Entwicklung! Entscheidend ist aber, dass Sie dem Kind danach immer auch eine Versöhnung anbieten (zu der das Kind ohne weiters bereit sein wird, wenn Sie zuvor angemessen reagiert haben). Dafür sind im übrigen aufgrund der hierarchischen Stellung die Eltern und nicht etwa das Kind zuständig. Und eine Versöhnung sollten Sie immer, ganz unabhängig davon, ob auf Seiten des Kindes irgendetwas "Unrechtes" vorliegt, anbieten. Versöhnung in der Phase der Willensbildung sollte ebenso bedingungslos sein wie es der Trost in der Phase der Vertrauensbidlung gewesen sein sollte.

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Sozialisation bis Pubertät (etwa 4 bis 16 Jahre)

Das erste Ziel der Erziehung, also Selbstvertrauen, sollte im wesentlichen nach den ersten vier Jahren, noch vor dem Eintritt in die (Vor)Schule, erreicht sein. Selbstvertrauen heisst, dass das Kind zu sich stehen kann, sich also mit seiner Persönlichkeit auch in einer Gruppe ausserhalb der Familie behaupten kann und gleichzeitig seine Umwelt respektieren kann. Dieses Selbstvertrauen ist wie ein Spiegel des Vertrauens, das zwischen dem Kind und den Eltern gewachsen ist.

Wenn Sie das geschafft haben, ist der Rest der Erziehung im wesentlichen bloss noch eine Art Begleitung, das heisst Sie können sich fast schon auf das Zuschauen beschränken und müssen nur noch ausnahmsweise aktiv eingreifen. Ein selbstbewusstes Kind kommt von sich aus zu Ihnen, wenn es zum Beispiel Probleme in der Schule hat, denn es hat erfahren, dass es Ihnen vertrauen kann, dass es erst genommen wird - und vor allem: dass es "trotzdem" immer sich selbst sein darf und genau dafür von Ihnen geliebt wird. Selbstvertrauen bedeutet aber auch, dass das Kind nich mehr auf seine Eltern allein angewiesen ist, sondern eben sich selbst vertrauen kann, insbesondere seinem eigenen Urteilsvermögen. Das ermöglicht es ihm zum Beispiel, Wertvorstellungen und Meinungen von anderen Menschen wie Lehrpersonen oder Eltern von Kameraden zu beurteilen und damit eine Alternative zu den Eltern zu haben.

Das gilt gerade auch für die Pubertät, wenn sich im Jugendlichen gewissermassen "hormonelle Revolutionen" abspielen, die ihn durchaus immer wieder einmal durchschütteln können. "Sparringspartner" sollten aber gerade nicht mehr die Eltern sein, sondern vielmehr seine Kameraden. Denn mit genügend Selbstvertrauen wird der Jugendliche nun ausser Hause gehen wollen und seine Energien in erster Linie dort ablassen und nicht mehr im Elternhaus. Das bedeutet für Sie als Eltern erstens, dass Sie ihn loslassen müssen und zweitens dass der Jugendliche noch mehr Verantwortung übernehmen muss (insbesondere auch für die Folgen allfälligen Übermuts!). In dieser Zeit zeigt sich ganz besonders der Erfolg Ihrer Erziehungsarbeit: Jetzt müssen Sie sich ganz auf das verlassen können, was Sie in den ersten Jahren geleistet haben. Denn zurückhalten können Sie Kinder in diesem Alter definitiv nicht mehr (selbst mit roher Gewalt wären Sie schon bald unterlegen)!

Selbstvertrauen wird in diesem Alter häufig mit Selbstsicherheit oder Angeberei verwechselt. Ein Stück weit gehört das dazu und es liegt an den Kindern selbst zu unterscheiden, auf was sie sich einlassen wollen. Wenn genügend Vertrauen zwischen Ihnen und dem Kind vorhanden ist, können Sie solche Themen aber am Familientisch thematisieren und allenfalls mit Ihrer Meinung und Erfahrung den einen oder anderen Rat geben.

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Erwachsenwerden (etwa 16 bis 25 Jahre)

Wenn junge Erwachsene am Abschluss ihrer schulischen oder beruflichen Ausbildung stehen, gewinnen sie natürlich auch sehr viel Selbstvertrauen aus den Erfolgen am Ausbildungs- oder Arbeitsplatz (Abschlüsse, Lohn usw.). Gleiches gilt für Erfolge im Sport oder in Liebschaften. Und Misserfolge werden sie genauso gut verarbeiten können, wenn sie in den ersten Jahren genügend Selbstvertrauen aufbauen konnten.

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Erwachsen (ab etwa 25 Jahre)

Die Arbeit am Selbstvertrauen ist nie fertig. Immer wieder wird der Mensch Rückschläge erfahren, die an seinem Selbstvertrauen nagen, die ihn zweifeln, im schlimmsten Fall sogar verzweifeln, lassen. Und nicht jedes Manko wird sich durch die Erziehung erklären lassen. Das ist auch nicht nötig. Denn jeder Mensch hat eine eigene Persönlichkeit (und je nach Verständnis oder Glaube zudem auch ein Schicksal und eine Seele). So bleibt die Arbeit am Selbstvertrauen eine lebenslange Aufgabe, die zudem nicht allen Menschen gleich bewusst ist. Das heisst ein Mensch kann sich durchaus auch ohne dieses Bewusstsein "zufrieden und glücklich" fühlen.

Fehler, Umwege und Misserfolge sind schliesslich unabdingbar, um an der Vervollkommnung arbeiten zu können. Das heisst aber auch, dass Ihre Erziehungsarbeit noch so perfekt gewesen sein mag, eine Garantie für ein sorgenfreies Leben wird sie trotzdem nicht sein - und soll sie auch nicht sein!

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Weiterführende Themen

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