Mutter und Vater

Aus 2 x 2 der Erziehung
(Weitergeleitet von Vater)
Zur Navigation springen Zur Suche springen


Grundsätzlich spricht das "Zweimalzwei der Erziehung" immer nur von "Eltern", also unabhängig davon, ob es um die Mutter oder um den Vater geht. Allerdings gibt es natürlich schon rein biologische Gründe (insbesondere Schwangerschaft und Stillen), dass die Rolle der Mutter erstens offensichtlich eine ganz besondere ist und sich zweitens von derjenigen des Vaters zumindest archetypisch unterscheidet. In der westlichen Zivilisation sollte es aber das Ziel von Vater und Mutter sein, bis zum Ende der ersten beiden Phasen der Erziehung beide Rollen einnehmen zu können.

^ nach oben

Archetypische Rollenverteilung, Gleichberechtigung und Gleichstellung

Biologische Rollenverteilung

An sich spielt es für die Erziehung keine Rolle, wie Sie als Eltern die Rollen unter sich verteilen, denn die beiden Grundprinzipien der Erziehung, Selbstvertrauen und frier Wille, bleiben die gleichen. Doch sollten Sie sich einerseits bewusst sein, dass Mutter und Vater zunächst von Natur aus und zumindest in der ersten Zeit des Lebens eines Kindes unterschiedliche Aufgaben haben, und dass es andererseits aber für beide bedeutende Vorteile hat, wenn sie nach dieser Zeit auch die archetypische Aufgabe des jeweils anderen übernehmen könnten.

Das Mütterliche und das Väterliche

Das "Zweimalzwei der Erziehung" geht von den beiden Archetypen des Mütterlichen und des Väterlichen aus. Man könnten auch von einem weiblichen und einem männlichen Prinzip sprechen, wobei das weiblichen Prinzip eben der Frau und das männliche Prinzip dem Mann entspricht. Allerdings kann sowohl eine Frau nach männlichen Prinzipen wie umgekehrt ein Mann nach weiblichen Prinzipien funktionieren. Es geht also bloss um den Ursprung einer Idee und nicht etwa um deren Realisierung. Dieser Gedanke liegt nun auch den beiden Archetypen Mutter und Vater zugrunde: Zwar ist es die Mutter, die das Kind zur Welt bringt und es stillt, doch kann der Vater mit der Zeit genauso mütterliche Funktionen übernehmen wie die Mutter später eher väterliche Funktionen erfüllt. Sie können sich das wie bei einem Rechts- und einem Linkshänder vorstellen: Mit entsprechender Übung ist es ohne weiters möglich, auch mit der jeweils schwächeren Hand zumindest annähernd so viel Geschick zu entwickeln wie mit der stärkeren.

^ nach oben

Gleichberechtigung und Gleichstellung

Die Idee der archetypischen Rollenverteilung ist schliesslich zu unterscheiden vom Thema Gleichberechtigung und Gleichstellung. Gleichberechtigung bedeutet, dass Mutter und Vater vom Staat die gleichen Rechte (und Pflichten) erhalten, also zum Beispiel gleich viel Elternurlaub oder bei einer Trennung die gleichen Ansprüche auf die Kinderbetreuung oder auf das gemeinsame Vermögen und Einkommen. Das kann zwar einen indirekten Einfluss auf die Erziehung haben, indem zum Beispiel der Mutter zum vornherein mehr Zeit eingeräumt wird als dem Vater. An den Grundprinzipien der Erziehung ändert sich hingegen nichts.

Demgegenüber ist die Gleichstellung in Bezug auf die Erziehung in der westlichen Zivilisation grundsätzlich dem Dafürhalten der Eltern überlassen. Es liegt also an Ihnen zu bestimmen, wer welchen Anteil an Erziehung, Hausarbeit beziehungsweise Erwerbseinkommen übernimmt. Auch diese Verteilung der Aufgaben ändert an den Grundprinzipien zunächst einmal nichts. Allerdings sollten Sie sich bewusst sein, dass Kinder je nach Phase (Vertrauensbildung oder Willensbildung) eher das mütterliche oder eher das väterliche Prinzip brauchen (und danach beide Prinzipien zusammen). Es ist deshalb entscheidend, ob Sie als Mutter zum Beispiel bereit sind, auch die ersten Trotzreaktionen des Kindes zu bewältigen beziehungsweise Sie als Vater bereit sind, auch die Rolle des bedingungslosen Trösters einzunehmen. Das wiederum ist weniger eine Frage der Fähigkeit als mehr eine Frage der Einstellung!

^ nach oben

Vertrauensbildung (bis etwa 2 Jahre)

Eine innigere Beziehung zwischen zwei Menschen als die zwischen Mutter und Kind während der Schwangerschaft ist kaum vorstellbar. Und es ist selbstredend, dass diese Innigkeit auch nach der Geburt noch anhält. Das Stillen des Kindes an der Mutterbrust steht dafür sinnbildlich: Das Kind erhält von der Mutter alles, was es in dieser ersten Zeit braucht, von der gesunden Nahrung über die Nähe und Zärtlichkeit bis zum Trost. Das Kind hat ein vollkommenes Vertrauen in die Mutter, die ihm sämtliche Grundbedürfnisse befriedigen kann. Die Mutter steht denn auch für die archetypische Funktion des Vertrauens. Dem Vater kommt zunächst bloss eine unterstützende Funktion zu, indem er gewissermassen für gute Rahmenbedingungen sorgt, also zum Bespiel Mutter und Kind beim Stillen vor Störungen schützt oder das Kind nach dem Stillen abnimmt und wickelt.

Je nach Persönlichkeit kann aber der Vater mehr und mehr von der Mutter übernehmen. Und wenn das Kind erst einmal abgestillt ist, spricht nichts mehr dagegen, dass der Vater die mütterliche Rolle genauso gut ausfüllen kann. So kann es gut sein, dass ein Kind zum Beispiel eher beim Vater als bei der Mutter Trost sucht. Hier zeigt sich der Gedanke des Archetypischen: Während der Säugling grundsätzlich nur von der Mutter durch Stillen getröstet werden kann, kann das Kleinkind auch vom Vater Trost erhalten und entwickelt vielleicht sogar zu diesem mehr Nähe (was sich im übrigen bei den meisten Kindern im Laufe der Zeit immer wieder ändern kann). Es wäre also nicht angemessen, die Verantwortung für die beiden ersten Jahre einfach der Mutter zu übertragen. Die Zeit sollte vom Vater vielmehr genutzt werden, auch mütterliche Fähigkeiten zu erlernen. Das gilt umso mehr, als der Vater für die nächste Phase geradezu auf ein tragfähiges Vertrauensverhältnis zum Kind angewiesen ist, da erst sonst die Kraft kaum wird aufbringen, dem Kind auch angemessen Grenzen zu setzen (sondern zu grosse Angst vor einem vermeintlichen Liebesentzug hat).

Die Phase der Vertrauensbildung ist die Zeit des "Ja's" zum Kind. Diese bedingungslose Zustimmung zum Kind fällt der Mutter in aller Regel sehr viel leichter als dem Vater. Wenn es um die Grundbedürfnisse des Kindes geht, dürfen, ja sollen Sie es denn auch verwöhnen. Das kann auch so weit gehen, dass der Vater geradezu eifersüchtig auf das Kind wird.

^ nach oben

Willensbildung (etwa 2 bis 4 Jahre)

Die Innigkeit der Beziehung zwischen Mutter und Kind nimmt häufig ein ziemlich jähes Ende, nämlich dann, wenn das Kind plötzlich beginnt, seinen Willen zu entwickeln, in der Regel etwa im dritten Lebensjahr. Dann ist der Zeitpunkt gekommen, da der Vater seine archetypische Verantwortung übernehmen muss und dem Kind auch einmal laut und deutlich "Nein!" sagen muss, wenn es zu überborden droht. Für die Mutter ist es nämlich anfangs alles andere als einfach, dem Kind von einem Tag auf den anderen auch Grenzen setzen zu müssen. So kann sie diese Aufgabe zunächst einmal dem Vater überlassen und nun ihrerseits von diesem lernen. So wie dem Vater zuvor in der Phase der Vertrauensbildung eine eher unterstützende Rolle zukam, ist es nun an der Mutter den Vater unterstützen, indem sie sich mit ihm solidarisiert. Wenn der Vater zum Beispiel mit "Nein!" auf den Wunsch des Kindes nach einer Süssigkeit antwortet, darf die Mutter nicht nachgeben, ansonsten sie die Erziehung des Vater sabotieren würde.

Je nach Persönlichkeit wird die Mutter aber sehr schnell selbst lernen Grenzen zu setzen. Gerade in einer Zeit, in der Frauen ganz allgemein nicht mehr zu allem zuerst einmal "Ja" sagen, dürfte das sehr viel leichter fallen als in früheren Zeiten. Schliesslich sollte es das Ziel reifer Eltern sein, dass beide Teile beide Rollen genau gleich gut beherrschen und situativ wissen, ob das Kind eher Vertrauen oder eher Grenzen braucht.

^ nach oben

Sozialisation bis Pubertät (etwa 4 bis 16 Jahre)

Die meisten Eltern machen sich vor der Geburt zwar Gedanken darüber, ob das erwartete Kind ein Mädchen oder und ein Junge sein wird, wenn es dann aber erst einmal da ist, stimmen sie ebenso regelmässig überein, dass es eigentlich überhaupt keine Rolle spielt. Das stimmt auch für die ersten, alles entscheidenden Phasen der Erziehung. So gibt es Jungen, die mehr Vertrauen oder Mädchen, die mehr Grenzen brauchen, oder eben auch umgekehrt. Spätestens aber mit der Pubertät ändert sich das meistens. Es sind vor allem die Söhne, die sich häufig besonders heftig von der Mutter abgrenzen wollen. Vergegenwärtigt man sich die innige, ja intime Beziehung des Säuglings zur Mutter, kann das eigentlich nicht überraschen: Die Mutter war gewissermassen die erste Geliebte des Sohnes. Und von dieser muss er sich nun umso mehr lösen. Demgegenüber wird sich die Tochter schon eher als natürliche Verbündete der Mutter betrachten. Entscheidend ist aber, dass die eigentliche Erziehung nach den ersten, etwa vier Jahren sowieso abgeschlossen sein sollte und das Kind so reif ist, dass sich die weitere Erziehungsarbeit auf eine Art Begleitung beschränken kann.

^ nach oben

Alleinerziehende Mutter

Die Belastung von Alleinerziehenden ist selbstredend. Besonders schwierig ist die Aufgabe aber, wenn die Mutter schon in den beiden ersten Phasen der Erziehung alle Aufgaben allein übernehmen muss: Es geht dann nicht nur um die Doppelbelastung, sondern auch darum, beide - zunächst einmal divergierenden - Grundprinzipien der Erziehung allein lernen zu müssen. Denn der Wechsel vom "Ja" zum "Nein!" kann anfangs sehr anspruchsvoll sein. Es ist aber gerade deshalb umso wichtiger, dass die alleinerziehende Mutter auch "Nein!" zu sagen lernt, ansonsten die Überlastung noch grösser wird und ein eigentlicher Teufelskreis entstehen kann.

^ nach oben

Mutterliebe

Unter Mutterliebe wird in der Regel eine bedingungslose Liebe der Mutter zum Kind verstanden. Interessanterweise sind die konkreten Situationen, in denen es um diese Art von Liebe gehen soll, meistens Extremsituationen, insbesondere wenn es um die Abwehr von lebensbedrohlichen Gefahren geht, in der sich die Mutter zugunsten des Kindes opfert. Das führt zu einer eigentlichen Mystifizierung der Mutter-Kind-Beziehung. Mit der Realität, also der alltäglichen Erziehungsarbeit, hat das aber eher wenig zu tun. Zwar machen es einem Kinder, die uns engelhaft anlächeln, ziemlich einfach, sie zu mögen und gern zu haben, doch die eigentliche Erziehung, die zu einer wirklichen Beziehung zwischen den Eltern und dem Kind führt, bleibt eine anspruchsvolle Arbeit: Eltern müssen lernen, ihren Kindern zu vertrauen und ihnen auch Widerstand zu leisten. Die Liebe des Kindes seinen Eltern gegenüber mag ein göttliches Geschenk sein, die Antwort der Eltern sollte aber mehr als eine romantisierte Empfindung sein!

^ nach oben

Weiterführende Themen

^ nach oben

Übergeordnetes Thema

^ nach oben

Fragen und Feedback

Das "Zweimalzwei der Erziehung" ist zum Teil noch im Aufbau. Allfällige Fragen oder Feedback sind willkommen: Email


^ nach oben