Totalverweigerung

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Wenn die Eltern-Kind-Beziehung derart gestört ist, dass ein Kind jegliche Kommunikation mit den Eltern ablehnt, ist auch keine Erziehung mehr möglich. Um solche Blockierungen zu lösen, müssen Eltern zunächst die Verantwortung übernehmen und anschliessend ihr Verhalten grundlegend überdenken. Das Problem dabei ist leider, dass die Ursache regelmässig während der Phase der Willensbildung geschaffen wird, die Lösung häufig erst später gesucht wird, sodass bloss noch das Mittel des Nacherziehens hilft.

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Mögliche Ursachen

Die Ursache für kindliche Totalverweigerung liegt regelmässig in der Phase der Willensbildung, wenn Eltern auf den Willen des Kindes entweder übermässig hart reagieren oder umgekehrt viel zu lange gar keinen Widerstand leisten und die Situation danach eskalieren lassen:

Gebrochener Wille

Der frisch erwachte Wille des Kindes kann nicht nur sehr heftig sein, er ist anfangs auch meistens ziemlich absolut und kompromisslos. Wenn es zum Beispiel aus irgendeinem Grund Ihr Buch ergreift, das Sie ihm nicht überlassen wollen, wird es dieses verteidigen, als ginge es um Leben und Tod. Wenn Sie dann dem Kind das Buch einfach aus den Händen reissen, brechen Sie seinen Willen, und zwar mit Gewalt. Wird solcher Machtmissbrauch zur Gewohnheit, muss das Kind früher oder später andere Strategien entwickeln, um sich gegen die Übermacht der Eltern zu behaupten, denn sein Wille mag zwar gebrochen sein, verschwunden ist er deswegen aber noch lange nicht! Eine Möglichkeit ist dann eben die Totalverweigerung, indem es zum Beispiel auch dann zu nichts mehr zu bewegen ist, wenn sein Wille gar nicht betroffen ist. Es wird dann scheinbar grundlos zu allem "Nein!" oder gar nichts mehr sagen. Wenn die Eltern daran zu verzweifeln beginnen, hat das Kind immerhin erreicht, dass sein Wille eine Wirkung hat. Allerdings haben dabei natürlich beide verloren, denn weder die Eltern noch das Kind haben das erreicht, was sei eigentlich wollen.

Als Eltern müssen Sie deshalb lernen, mit dem Willen des Kindes umzugehen, indem Sie ihm auch konsequent "Nein!" sagen und ihm Grenzen setzen. Fordern Sie also das Kind laut und deutlich auf, Ihnen das Buch zurückzugeben. Weigert es sich, indem es zum Beispiel damit fortlaufen will, können Sie sich ihm in den Weg stellen (packen Sie es aber nicht). Irgendwelche Erklärungen, Anstandsfloskeln oder Fragen sind nicht bloss unnötig, sondern sogar kontraproduktiv. Sie müssen vielmehr konsequent bei Ihrer Haltung bleiben und dafür damit rechnen, dass das Kind zu toben beginnt. Dann ist es entscheidend, dass Sie lernen, angemessen auf das Toben zu reagieren.

Eltern können den Willen des Kindes auch brechen, wenn sie dessen "Nein!" nicht respektieren. Wenn das Kind auf Ihre Aufforderung, Ihnen das Buch zurückzugeben, mit "Nein!" antwortet, müssen Sie sich zuerst klar werden, ob Sie auf Ihrer Forderung beharren wollen oder ob Sie nicht doch zum Schluss kommen, dass es eigentlich unproblematisch ist, wenn es das Buch etwas genauer untersucht. Kommen Sie zum Schluss, dass Sie das Buch dem Kind definitiv nicht überlassen wollen, weil es vielleicht ein sehr wertvolles ist und Schaden nehmen könnte, müssen Sie zur Konfrontation bereit sein. Wenden Sie aber niemals Gewalt an, indem Sie ihm das Buch etwa aus den Händen reissen (zumal die Gefahr ja gerade dadurch noch grösser würde!), sondern bleiben Sie beim Kind und Ihrer Forderung ("Doch, gib mir das Buch zurück!"). Spürt das Kind Ihren Widerstand beginnt womöglich zu toben und Sie müssen wiederum lernen, angemessen darauf zu reagieren.

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Verweigerte Grenzen

Wenn das Kind beginnt seinen Willen zu entwickeln, in der Regel etwa im dritten Lebensjahr, braucht es vermehrt Herausforderungen und Grenzen, sodass es seinen Willen gewissermassen kultivieren kann. Erhält es zu wenig Grenzen, wird es immer weiter danach suchen, indem es zum Beispiel unmässige Forderungen stellt oder so lange lärmt, bis es eine Reaktion der Eltern auslösen kann. Erhält es keine Reaktion oder wird ihm einfach jeder Wunsch erfüllt, wird ihm etwas ganz Wesentliches fehlen. Es wird dann selbst die Konfrontation suchen, indem es eben zum Beispiel mit Totalverweigerung reagiert (je nach seiner Persönlichkeit wird es eher mit Resignation oder Protest reagieren).

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Überforderung

Wenn das Kind beginnt seinen Willen zu entwickeln, in der Regel etwa im dritten Lebensjahr, braucht es vermehrt Herausforderungen. In der Regel sucht es diese schon von sich aus, sei es beim Klettern, sei es bei Wettrennen. Sie brauchen es also nicht speziell zu fordern, ermutigen genügt vollauf, ansonsten die Gefahr gross ist, dass Sie es mit Ihrem eigenen Ehrgeiz überfordern. Kinder sollten in den ersten Jahren noch frei spielen dürfen, also ausserhalb eines eigentlichen Trainings. Das gilt gerade auch dann, wenn Sie feststellen, dass Ihr Kind zum Beispiel musikalisch besonders begabt ist.

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Angemessene Reaktion

Wenn Sie feststellen, dass sich das Kind Ihnen, beziehungsweise Ihren Vorstellungen, völlig verweigert, müssen Sie unbedingt zuerst Ihr eigenes Verhalten hinterfragen, bevor Sie in Versuchung kommen, die Ursache beim Kind zu suchen. Denn die Totalverweigerung des Kindes ist immer eine Reaktion auf Erziehungsfehler. Kinder sind von Natur aus kooperativ. Im Vordergrund steht deshalb Ihr Verhalten, wenn Ihr Wille mit dem des Kindes kollidiert:

  • Lernen Sie "Nein!" zu sagen und dabei zu bleiben: Ihr "Nein!" ist in der Erziehung ebenso wichtig wie das "Ja" zum Kind. Sie dürfen sich davor nicht scheuen und müssen standhaft bleiben, denn Kinder brauchen Grenzen. Wenn das Kind zum Beispiel nicht das essen will, was Sie gekocht haben und es sich stattdessen gegen Ihre Regeln an den Kühlschrank macht, dürfen, ja müssen Sie laut und deutlich "Nein!" sagen und sich dem Kind allenfalls sogar in den Weg stellen.
  • Lernen Sie angemessen auf das Toben des Kindes zu reagieren: Wenn Sie dem Kind "Nein!" sagen, müssen Sie aber auch lernen mit "Tobsuchtsanfällen" umzugehen. Beginnt es vor dem Kühlschrank zu toben, müssen Sie ruhig bei ihm bleiben und warten bis es sich wieder beruhigt hat.
  • Lernen Sie das "Nein!" des Kindes zu respektieren: Schliesslich müssen Sie auch lernen, das "Nein!" des Kindes zu respektieren. Zwingen Sie ein Kind also keinesfalls etwas zu essen, was es nicht essen mag, das wäre ein Machtmissbrauch. Lassen Sie ihm stattdessen die Wahl, ob es lieber bis zur nächsten Mahlzeit wartet (es wird deswegen keinen Schaden nehmen!).

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Kontraproduktive Reaktionen

Manche Eltern kommen in ihrer Verzweiflung auf äusserst heikle Ideen, die sich allesamt kontraproduktiv auswirken:

  • Verspotten: Kommen Eltern in Versuchung, das Kind in seiner Totalverweigerung zu verspotten, wird das seine Reaktion bloss noch verstärken, wird es sich doch noch mehr darin bestätigt fühlen, dass es von seinen eigenen Eltern nicht angenommen wird, was wiederum die Beziehung zwischen den Eltern und dem Kind schwächt.
  • Ignorieren: Gewissermassen die Höchststrafe ist, wenn Eltern ihr Kind einfach nicht mehr beachten. Es wird sich verlassen fühlen und andere Wege suchen, wie es sich selbst helfen kann. Das wird ihm vielleicht aufgrund seines Lebenswillen gelingen und es wird sogar schneller selbständig werden, doch geht dieser Gewinn regelmässig auf Kosten der Beziehungsfähigkeit!
  • Gewalt: Manche Eltern meinen, sie könnten ihr Kind "zur Vernunft bringen", indem sie es zum Beispiel einfach packen und dorthin tragen, wo sie es wollen. Das wäre ein Gewaltmissbrauch, der sich rächen wird, sobald das Kind genügend kräftig und geschickt geworden ist, um sich wehren zu können.

Die Totalverweigerung ist immer ein Hilferuf: Das Kind sieht keine andere Möglichkeit mehr, sich zu wehren als gar nichts mehr zu machen (das kann es immer). Eltern sollten deshalb immer ihr eigenes Verhalten überdenken oder zum Beispiel eine Person des Vertrauens fragen, was diese beobachtet.

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Weiterführende Themen

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Übergeordnetes Thema

Willensbildung (zweite Phase der Erziehung)

Fragen und Feedback

Das "Zweimalzwei der Erziehung" ist zum Teil noch im Aufbau. Allfällige Fragen oder Feedback sind willkommen: Email

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