Tadeln

Aus 2 x 2 der Erziehung
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Erziehung kommt ohne Tadel aus: wenn das Kind etwas tut, was Ihnen aus irgendeinem Grund missfällt, genügt ein laut und deutlich ausgesprochenes "Nein!", bei dem Sie konsequent bleiben. Völlig unnötig und zudem höchst kontraproduktiv sind hingegen Zurechtweisungen, Anschuldigungen, Vorwürfe, herablassende Bemerkungen, Drohungen oder gar Strafen.

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Vertrauensbildung (bis etwa 2 Jahre)

Während der Vertrauensbildung sollte Ihre Antwort zum Kind zuballerst und ganz grundsätzlich "Ja" lauten, hat doch das Kind ausschliesslich Grundbedürfnisse, die möglichst sofort und bedingungslos befriedigt werden sollten. Zudem hat es weder irgendwelche bösen Absichten, noch verlangt es etwas Unverhältnismässiges. Sein Wille ist in dieser Phase einzig auf das Überleben ausgerichtet. Schon allein deshalb gibt es nicht den geringsten Grund, das Kind zu tadeln, geschweige denn zu strafen. Dem Kind mögen noch viele Missgeschicke und Fehltritte unterlaufen, aber nicht etwa weil es faul, dumm oder böse wäre, sondern ganz einfach deshalb, weil seine motorischen und kognitiven Fähigkeiten noch nicht voll entwickelt sind. Das ist aber ganz offensichtlich kein Grund zu tadeln! Denken Sie daran, dass sich Kinder alle Mühe geben, Sie so gut wie möglich nachzuahmen. Wenn das Kind zum Beispiel die zerbrechliche Blumenvase von einem Ort zum anderen tragen will, können Sie es auffordern, diese gut und mit beiden Händen zu halten (und es nach gelungener Aktion loben). Die Gefahr, dass ihm das Ding aus den Händen fällt, ist äusserst gering, jedenfalls solange Sie ihm vertrauen und es bestätigen. Es wird sich nämlich grösste Mühe geben, um es genau so gut zu machen wie seine Eltern. Geschieht trotzdem einmal ein Unglück, dürfte das Kind vermutlich traurig sein, sodass es von Ihnen Trost braucht und nicht etwa noch Schelte. Und für den Fall, dass die Vase derart zerbrechlich ist, dass sie in Kinderhänden eigentlich schon zwangsläufig in Brüche zu gehen droht, liegt es natürlich in Ihrer Verantwortung, dass Sie das kostbare Stück ausser Reichweite des Kindes aufbewahren (dann dürfen Sie sich selbstverständlich weigern, ihm diese zu reichen).

Kinder kommen selbstverständlich ohne irgendwelchen böse Absichten zur Welt. Von Natur aus will jedes Kind nur das Beste. Dazu zählt gerade auch das Wohlergehen ihrer Eltern, ist ihnen doch sehr wohl bewusst, dass sie auf diese sprichwörtlich auf Gedeih und Verderb angewiesen sind. Gehen Sie deshalb davon aus, dass Ihr Kind in allem, was es tut oder lässt, einzig das Ziel hat, all seine in ihm schlummernden Fähigkeiten zu entwickeln. Kein Kind kommt von sich aus auf die Idee, seinen Eltern nur im geringsten etwas zu leide zu tun, dazu müsste es schon provoziert werden!

Konsequent "Nein!" (oder "Stop!") müssen Sie einzig sagen, wenn eine wirkliche Gefahr droht (also eher selten!). Wenn das Kind zum Beispiel auf eine Mauer steigt, auf deren anderen Seite es tief herunterstürzen könnte, wäre es aber höchst kontraproduktiv, ihm vorzuhalten, dass es nicht auf Sie hören würde, es leichtsinnig sei, deshalb gleich herunterstürzen würde und tot sein könnte. Denn erstens würden Sie es dadurch erschrecken und damit tatsächlich eine erhöhte Gefahr schaffen, zweitens vertraut Ihnen das Kind, das heisst, es glaubt Ihnen, es sei leichtsinnig (sofern es den Begriff überhaupt versteht) und stürze auch gleich, sodass es sich drittens zu ängstigen beginnt und unsicher wird, was die Gefahr erst recht erhöht. Geben Sie ihm stattdessen die Hand und sagen Sie ihm, Sie hätten Angst, weil es auf der anderen Seite so tief sei. Denn dass Sie Angst haben, kann das Kind ohne weiteres verstehen.

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Willensbildung (etwa 2 bis 4 Jahre)

Wenn das Kind beginnt seinen Willen zu entwickeln, in der Regel etwa im dritten Lebensjahr, können seine Absichten und Handlungen plötzlich weit über seine Grundbedürfnisse hinausgehen. Viele Eltern fühlen sich damit ebenso plötzlich überfordert und vermuten irgendwelche bösen Absichten des Kindes, die es zu tadeln gilt. Dabei geht es um nichts anderes als dem Kind eine Grenze zu setzen, wenn es in seinem Übermut zu weit geht. Grenzen setzen Sie am einfachsten, indem Sie laut und deutlich „Nein!“ (oder "Stop!") sagen und konsequent dabei bleiben. Wenn Ihr Kind zum Beispiel die Balkonbrüstung hochzuklettern beginnt (was unter Umständen gefährlich sein kann), dann rufen Sie ihm laut „Nein, komm sofort runter, das ist gefährlich!“ zu. Damit setzen Sie ihm eine Grenze. Wenn Sie ihm jedoch sagen „Spinnst Du eigentlich? – Wenn Du das noch einmal machst, dann darfst Du nie mehr auf den Balkon!“, dann drohen Sie ihm mit einer Strafe, was an sich schon heikel, ja kontraproduktiv, ist. Noch viel gefährlicher ist dabei aber, dass es gar keine Grenze erhielt, sondern vielmehr verspottet und bedroht wurde, sodass es noch weniger dem elterlichen "Rat" vertraut und eine eigentlicher Teufelskreis entstehen kann.

Kinder können das "Nein!" ohne weiteres akzeptieren, wenn es Ihnen zuvor gelungen ist, ein tragfähiges Vertrauensverhältnis aufzubauen. Sie werden zwar, jenachdem wie wichtig ihnen ihre Absicht ist, bei Widerstand trotzdem zu toben beginnen, doch haben sie eben die Gewissheit, dass es ihre Eltern mit ihnen gut meinen. Es ist denn auch entscheidend, dass Sie lernen, angemessen auf das Toben zu reagieren, sodass danach wieder eine Versöhnung möglich ist. So kann das Kind lernen, dass es zwar seinen eigenen Willen haben darf, dieser aber mit dem Ihrigen kollidieren kann - und es schliesslich "trotzdem" noch geliebt wird. Erst durch diese Erfahrung kann es lernen, mit seinem Willen respektvoll umzugehen.

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Sozialisation bis Pubertät (etwa 4 bis 16 Jahre)

Die eigentliche Erziehungsarbeit sollte nach den beiden ersten Phasen eigentlich weitgehend erledigt sein. Das heisst, Sie sollten bis dahin gelernt haben, dem Kind zu vertrauen und ihm auch angemessen Grenzen zu setzen, sodass Sie mit ihm zusammen Regeln vereinbaren können, die es von sich aus einhalten kann. Wenn Sie es jetzt immer noch mit Tadel versuchen, wird Ihre Beziehung zum Kind vollends in einen Teufelskreis geraten. Denn jeder Tadel ist eine Art Erniedrigung für das Kind, die es schmerzt und auf die es je nach seiner Persönlichkeit eher mit Resignation oder mit Protest reagieren wird. Grenzen zu respektieren hat es dabei immer noch nicht gelernt, weil ihm gar keine gesetzt wurden, sodass Eltern irgendwann in Versuchung kommen zu meinen, ihr Kind sei einfach schwierig (oder gar psychisch krank).

Hinzu kommt, dass die zunehmenden körperlichen Kräfte und kognitiven Fähigkeiten Jugendlicher ihnen mehr und mehr ermöglichen, sich auf ihre Art zu wehren, wie zum Beispiel durch Flucht oder Rache. Dadurch verlieren Sie noch mehr an Beziehung und im schlimmsten Fall wird der Kontakt irgendwann ganz abbrechen oder in ewige, meist destruktiven, Streitereien münden.

Bedenken Sie schliesslich, dass auch reife Kinder und Jugendliche noch die elterliche Anerkennung brauchen und auch schätzen. Konzentrieren Sie sich also vor allem auf das, was Sie an Ihren Kindern schätzen. Selbstverständlich dürfen und sollen Sie auch Ihre Bedenken oder unterschiedlichen Ansichten äussern, doch sollten Sie sich immer bewusst sein, dass das Ihnen nicht genehme Verhalten entweder völlig natürlich ist oder aber eher in Ihrer eigenen Erziehungsarbeit begründet ist! Wenn es zum Beispiel um schulische Leistungen geht, wäre eine Möglichkeit, sich zu erinnern versuchen, wie es sich damals mit Ihrem eigenen Lerneifer verhielt oder was Sie in den ersten Jahren des Kindes dazu beigetragen haben, dass die Lust des Kindes am Lernen erhalten blieb.

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Tadeln und Drohungen

Häufig wird Tadel auch noch mit einer Drohung verbunden, was das Ganze noch heikler macht. Das beginnt mit prophezeiten Unglücken ("Himmelherrgott, Du fällst ja gleich noch runter!") und geht bis zu angedrohten Strafen ("Spinnst Du eigentlich? Wenn Du nicht sofort aufhörst, sperr ich Dich im Zimmer ein!"). Leere Drohungen, also solche von denen Sie schon im vornherein wissen, dass Sie sie nicht wahrmachen werden, sind im übrigen nicht etwa harmloser, sondern ganz im Gegenteil erst recht kontraproduktiv, zeigen Sie dem Kind doch damit auch noch, dass es Ihnen gar nicht vertrauen kann!

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Tadeln und Grenzen

Tadeln hilft also in der Erziehung gar nichts. Wohl dürfen Sie Ihrem Ärger auch einmal freien Lauf lassen. Kinder dürfen und sollen durchaus sehen, was sie mit ihrem Verhalten auslösen können, doch sollte diese Wut nicht gegen das Kind gerichtet sein ("Jetzt hast Du schon wieder alles verschmutzt, Du Tollpatsch!"), sondern einzig gegen die Folgen des Missgeschicks ("Herrgott, jetzt ist der ganze Boden wieder verschmutzt!"). Versuchen Sie aber möglichst schnell wieder auf eine konstruktive Ebene zu kommen, indem Sie zum Beispiel mit dem Kind zusammen den Schaden untersuchen oder es auffordern, ihnen beim reinigen zu helfen (statt einfach auszurufen und alles selbst inOrdnung zu bringen). So kann das Kind zunehmend Verantwortung für sein Tun und Lassen übernehmen. Sie werden dabei staunen, wie sehr ihm daran gelegen ist, mit Ihnen zu kooperieren!

In erster Linie müssen Sie aber lernen, dem Kind klare und verständliche Grenzen zu setzen. Dabei geht es nicht nur um Ihre eigenen Grenzen (weil Sie zum Beispiel Ruhe wollen), sondern häufig auch um die Sicherheit des Kindes. Gerade dann ist es besonders wichtig, dass Sie dem Kind klar sagen, was es tun (oder lassen) soll. Dabei ist entscheidend, dass Sie positiv formulieren, was das Kind tun soll ("Spiel ruhiger!"). Es hilft wenig oder ist sogar kontraproduktiv, wenn Sie dem Kind sagen, es solle nicht so laut singen, denn erstens wird es das Wort "nicht" gar nicht aufnehmen und zweitens sollte es auch noch interpretieren können, dass es das Gegenteil tun soll: Das ist zumindest in den ersten Jahren schlicht eine Überforderung!

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Weiterführende Themen

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Übergeordnetes Thema

Willensbildung (zweite Phase der Erziehung)

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