Sprechen lernen

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Kinder beginnen irgendwann von selbst zu sprechen. Sie brauchen als Eltern weder nachzuhelfen, noch das Kind irgendwie zu motivieren. Sie brauchen bloss Geduld und Freude an der Entwicklung seiner Fähigkeiten. Die Entwicklung des Sprachwerbers ist aus wissenschaftlicher Sicht zwar höchst interessant, für die eigentliche Erziehungsarbeit jedoch von eher untergeordneter Bedeutung: Wenn es um das Verstehen Ihres Kindes geht, müssen Sie sich in der ersten Zeit sowieso viel mehr auf die Mimik oder Gestik konzentrieren und Ihr Gespür schulen.

Förderliche Umstände

Auch wenn (zumindest beinahe) jedes Kind früher oder später zu sprechen beginnt, gibt es doch ein paar Umstände, mit denen es ihm die Eltern etwas leichter machen können:

  • Geduld: Die weitaus wichtigste Eigenschaft der Eltern im Zusammenhang mit dem Spracherwerb ist Ihre Geduld. Machen Sie sich also vor allem keine Sorgen, wenn Ihr Kind zum Beispiel später zu sprechen beginnt, als das Nachbarskind. Sprechen Sie einfach ganz normal zu ihm, als ob es alles verstehen würde (es versteht in der Tat das meiste!) und warten Sie auf seine Antwort, ganz gleich, ob es diese mit Worten oder sonstwie gibt.
  • Aufmerksamkeit: Kinder beginnen schon sehr früh zu lallen und zu brabbeln. Versuchen Sie durch Ihre Aufmerksamkeit herauszufinden, was es damit meinen könnte (wobei es häufig bloss am üben von Lauten ist, also nichts Konkretes mitzuteilen hat). Sie fördern damit Ihr Gespür für seine Grundbedürfnisse. Schon mit seiner Mimik oder Gestik drückt das Kind viel aus, das Sie je länger desto besser als Mitteilung verstehen werden.
  • Ruhe: Wenn das Kind erste Laute von sich gibt, brauchen Sie ihm bloss ruhig zuzuhören und ihm vielleicht noch zuzustimmen, indem Sie zum Beispiel mit dem Kopf nicken. Damit zeigen Sie ihm, dass Sie es annehmen und es Ihnen vertrauen darf. Schon das allein ermuntert es, noch mehr auszuprobieren.
  • Sichtkontakt: Die Mimik sowohl des Kindes als auch der Eltern ist für das gegenseitige Verstehen äusserst hilfreich. Sie sollten sich deshalb von Anfang angewöhnen, immer den Augenkontakt zu suchen, wenn Sie mit ihm sprechen.
  • Klarheit: Sprechen Sie zum Kind in einfachen und klaren Worten. Machen Sie aber immer ganze und korrekte Sätze. Schon Kleinkinder verstehen sehr viel mehr, als Eltern glauben. Das ist vergleichbar mit einer Fremdsprache, die Sie bloss brockenweise verstehen: Sie können aus einfachen Sätzen meistens ein wichtiges Wort verstehen und wissen so wenigstens, um was es geht.
  • Bestätigung: Die ersten Worte des Kindes bestehen erst aus einer Silbe, trotzdem werden Sie als Eltern sehr schnell verstehen, um was es geht. Dann können Sie dem Kind das vollständige Wort wiederholen. Damit bestätigen Sie ihm einerseits, dass Sie es verstanden haben und machen ihm andererseits vor, wie das ganze Wort tönt. Irgendwann wird es dann auch noch die zweite (und später allenfalls dritte) Silbe anhängen können.

Kinder lernen also von alleine zu sprechen, genauso wie sie auch alles andere von sich aus zu lernen beginnen, wenn sie etwas brauchen. Sie dürfen deshalb gelassen bleiben und brauchen sich bloss darob zu freuen!

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Hinderliche Umstände

Kinder werden in ihrer Entwicklung häufig von den eigenen Eltern behindert, auch wenn es in vermeintlich bester Absicht geschieht:

  • Nachhelfen: Eltern kommen gerne in Versuchung, ihren Kindern bei ihrer Entwicklung ein wenig nachzuhelfen, zum Bespiel mit der Aufforderung "Sag mal Mama!". Das ist weder nötig, noch sinnvoll. Kinder müssen sich selbst entwickeln dürfen, das gilt auch für den Spracherwerb. Vertrauen Sie darauf, dass Ihr Kind sämtliche Fähigkeiten bereits in sich hat und dass es diese immer dann und von selbst entwickelt, wenn es sie gerade braucht.
  • Unterbrechen: Ungeduldige Eltern unterbrechen ihre Kinder, weil sie zum Beispiel schon verstanden haben, um was es geht, bevor das Kind ausgeredet hat. Für das Kind ist das frustrierend, sodass es im schlimmsten Fall die Freude am Sprechen verliert. Im besten Fall hingegen protestiert es, sodass Sie immerhin die Chance erhalten, sich gedulden zu lernen. Üben Sie sich also in Geduld und bleiben Sie aufmerksam, bis das Kind fertig ist. Erst wenn es Sie fragend anschaut, weil ihm zum Beispiel ein Wort fehlt, können Sie ihm einen Vorschlag machen.
  • Babysprache: Kinder nehmen ihre Eltern zum Vorbild, weshalb es höchst kontraproduktiv wäre, zum Beispiel bloss mit Einwortsätzen oder nicht konjugierten Verben zu sprechen ("Schlafen?"). Das Kind sollte von Anfang hören, wie es korrekt tönt ("Möchtest Du schlafen gehen?"), zumal es ohne weiteres versteht, um was es geht.
  • Negierungen und Relativierungen: Negierungen ("Spring nicht vom Bett herunter.") und Verharmlosungen ("Das ist doch nicht so schlimm.") sind für das Kind zumindest in den ersten Jahren noch eine Überforderung. Sagen Sie dem Kind, was es wirklich tun soll ("Klettere rückwärts vom Bett herunter.") und nehmen Sie seine Sorgen ernst und trösten Sie es ("Komm zu mir."). Verzichten Sie auch auf Verniedlichungen ("Gib mir Dein Händchen."), sie sind unnötig und zeigen dem Kind höchstens, dass Sie es für klein und nichtig halten, während es doch eigentlich schlicht grossartig ist!
  • Korrigieren: Vor allem mehrsilbige Worte machen Kindern anfangs noch grosse Mühe. Es macht allerdings wenig Sinn, das Kind korrigieren zu wollen ("Es heisst 'Durst', nicht 'Duscht'!"), denn es beging ja nicht etwa einen Fehler, sondern es kann es einfach noch nicht. Hingegen können Sie durchaus und in zustimmendem oder fragendem Ton das korrekte Wort vorsprechen ("Hast Du Durst?"). Vertrauen Sie ganz einfach Ihrer Vorbildfunktion, denn Kinder wollen schon von sich aus so gut sprechen können wie ihre Eltern!
  • Spotten: Die ersten Laute und Worte des Kindes mögen manchmal lustig sein, auslachen oder gar spotten ist trotzdem völlig fehl am Platz und kann sich höchst kontraproduktiv auswirken. Sie müssen sich also bei aller Situationskomik stets bewusst sein, dass sich das Kind immer mit vollem Einsatz anstrengt und Ihre Bestätigung braucht, ansonsten es sich abgelehnt fühlen wird und im schlimmsten Fall resigniert.

Wenn das Kind beim Sprechen lernen von seinen Eltern behindert wird, ist es nicht nur in der (Vor)Schule bereits ziemlich benachteiligt, sondern wird auch im Umgang mit seinen Kameraden mehr Mühe haben.

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Vertrauensbildung (erstes Phase der Erziehung)

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