Ratschläge

Aus 2 x 2 der Erziehung
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Kinder brauchen zunächst einmal keine Ratschläge, jedenfalls keine unverlangten. Wenn ein Kind Hilfe benötigt, verlangt es von sich aus danach, entweder durch Mimik und Gestik, mit Worten, oder ganz einfach mit Schreien. Es vertraut Ihnen von Geburt an, dass es jederzeit alles sofort erhält, was es braucht, wenn es danach verlangt. Vor allem aber vertraut es seinen eigenen Fähigkeiten und will selbst ausprobieren. Es ist deshalb entscheidend, dass Sie lernen, Ihrerseits dem Kind zu vertrauen und geduldig zu warten.

Vertrauensbildung (bis etwa 2 Jahre)

Als Eltern mag Ihnen Ihr Kind anfangs völlig hilflos vorkommen. Doch sollten Sie sich bewusst sein, dass schon bei der Geburt alle Fähigkeiten in ihm schlummern, die es jemals braucht. Und dass es zweitens immer genau die Fähigkeiten von selbst entwickelt, die es jeweils braucht. Sie sollten sich deshalb in Geduld üben und warten, bis das Kind Ihre Hilfe von sich aus verlangt. Wenn Sie warten können, ermöglichen Sie dem Kind, dass es selbst lernen kann und dass es sich an seinen Lernerfolgen freuen kann. Und vor allem zeigen Sie ihm, dass Sie seinen Fähigkeiten vertrauen. Diese fundamentale Haltung des Vertrauens stärkt wiederum das Selbstvertrauen. Wenn Sie das Kind zum Beispiel erstmals selbst vom Teller essen lassen, beobachten Sie es erst einmal, wie es das probiert. Vielleicht findet es ja einen ganz eigenen Weg. Und falls es Schwierigkeiten hat, fragen Sie es zuerst, ob Sie ihm helfen sollen. Das mag Ihnen vielleicht übertrieben erscheinen, da Sie womöglich selbst schon sehen, dass es Hilfe braucht. Gewöhnen Sie es sich trotzdem von Anfang an, Sie zeigen dem Kind damit, dass Sie es respektieren.

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Willensbildung (etwa 2 bis 4 Jahre)

Wenn das Kind beginnt seinen Willen zu entwickeln, in der Regel etwa im dritten Lebensjahr, wird es noch mehr auf seine Selbständigkeit pochen. Wenn es gegen Ihre Ratschläge protestiert, sollten Sie das als ein Zeichen seiner gesunden Entwicklung betrachten: Es will seine Fähigkeiten ausleben und grundsätzlich zuerst immer alles selbst ausprobieren. Lassen Sie es und greifen Sie nur dann ein, wenn wirkliche Gefahren drohen, und nicht schon bei blossen Bagatellgefahren, also Missgeschicken, die zwar schmerzhaft sein können, aber kaum je zu Verletzungen führen können, jedenfalls zu keinen ernsthaften. Wenn das Kind zum Beispiel rennt, obwohl es noch etwas unsicher ist, müssen Sie es unbedingt die Erfahrung machen lassen, dass es dabei hinfallen kann. Ihre Ratschläge ("Renn nicht so schnell, sonst stürzt Du noch!") wird es im besten Fall ignorieren, im schlimmsten Fall wird es sich dadurch erschrecken und womöglich noch schneller aus dem Gleichgewicht fallen. Nur wenn es die Erfahrung des Hinfallens gemacht hat, kann es daraus lernen, dass es seine Geschwindigkeit dem eigenen Können und den Verhältnissen anpassen muss. Wenn es hingegen auf eine Strasse rennt, müssen Sie natürlich reagieren, indem Sie sich ihm in den Weg stellen (und es nicht einfach von hinten packen).

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Mögliche Folgen von unverlangten Ratschlägen

Kinder reagieren auf wiederholte und unverlangte Ratschläge je nach ihrer Persönlichkeit unterschiedlich. Im schlechtesten Fall wird ein Kind irgendwann so bequem, dass es und nur noch tut, wozu ihm geraten wird. Es wird dann auch kaum die Verantwortung für sich übernehmen. Im schlimmsten Fall resigniert es irgendwann. Im besten Fall hingegen reagiert es mit Wut auf Ihre Störungen und protestiert. Das ist ein gutes Zeichen: Das Kind hat den Willen, etwas selbst auszuprobieren, weil es seinen eigenen Fähigkeiten vertraut. Wenn Sie den Protest des Kindes nicht zum Anlass nehmen, Ihr Verhalten zu ändern, kann es gut sein, dass sich das Kind früher oder später total verweigert, das heisst, Ihnen gar nicht mehr zuhört oder gar absichtlich immer das Gegenteil dessen macht, was Sie ihm raten. Ungefragt erteilte Ratschläge sind also durchwegs kontraproduktiv.

Lassen Sie dem Kind den Mut zur Selbständigkeit. Und wenn Sie sehen, dass dem Kind Ihr Rat ganz offensichtlich guttun würde, fragen es immer zuerst, ob Sie ihm etwas zeigen oder erklären sollen. Lassen Sie es aber trotzdem noch selbst ausprobieren. Schliesslich können Kinder, die selbst über die Annahme elterlicher Hilfe entscheiden dürfen, ihr natürliches Gespür sehr viel besser behalten und beurteilen, wann es später angebracht wäre, die Erfahrung und das Wissen der Eltern (oder anderer Autoritäten) in Anspruch zu nehmen. Kinder hingegen, denen Hilfe aufgedrängt wird, verlieren dieses Gespür, da sie in erster Linie damit beschäftigt sind, ihre Eltern zu distanzieren. Damit entsteht aber die Gefahr, dass das Kind eines Tages gerade dann auf den elterlichen Rat verzichtet, wenn es ihn eigentlich gebrauchen würde. Wenn die Eltern ihm dann noch Vorwürfe machen ("Siehst Du, ich habe Dir doch gesagt, dass..."), wird der Teufelskreis perfekt. Nicht zuletzt sollten Sie sich auch bewusst sein, dass es für die Prävention vor Missbrauch elementar ist, Kinder möglichst von Anfang selbst entscheiden zu lassen, ansonsten sie sich sehr schnell daran gewöhnen, dass gegen ihren Willen entschieden wird!

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Weiterführende Themen

Übergeordnetes Thema

Vertrauensbildung (erstes Phase der Erziehung)

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