Prophezeien

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Eltern können schon aufgrund ihrer Erfahrungen oder ihres Wissens häufig voraussagen, in welchen Situationen sich das Kind zum Beispiel in eine Gefahr bringt. Und ihre Obhutspflicht verlangt, dass sie das Kind allenfalls warnen oder gar in Sicherheit bringen. Daneben gibt es aber auch Gefahren, die durch die elterliche Prophezeiung überhaupt erst entstehen, denn Kinder vertrauen ihren Eltern und deren Äusserungen zumindest von Natur aus und richten ihr Verhalten danach aus. Als Eltern sollten Sie deshalb vor allem selbst vorsichtig sein, bevor Sie Kinder mit Ihrem Ruf nach Vorsicht derart in Angst und Schrecken versetzen, dass diese entsprechend unsicher zu agieren beginnen und so erst recht gefährdet werden. Die Prophezeiung kann sonst leicht zu einer sich selbst erfüllenden werden (self-fulfilling prophecy).

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Prophezeiung von Gefahren

Selbsterfüllende Prophezeiungen

„Du fällst mir noch runter!“, oder „Du verbrennst Dir jetzt gleich die Finger!“: Derartige, häufig panische ausgerufte, Prophezeiungen, die eigentlich als hilfreiche Warnungen gedacht sind, können sehr kontraproduktiv sein. Denn Kinder vertrauen zunächst einmal dem, was Ihnen die Eltern sagen. Sie vertrauen also der Vorhersage, dass sie demnächst herunterfallen oder sich verbrennen und ändern entsprechend ihr Verhalten, um auch ja das zu erfüllen, was von ihnen "erwartet" wird. Das ist natürlich ziemlich genau das Gegenteil von dem, was eigentlich sinnvoll wäre. Wenn Sie dem Kind in einer schwierigen Lage helfen wollen, sollten Sie ihm besser sagen, wie es auf die Gefahr reagieren soll. Denn Kinder konzentrieren sich auf das, was Sie sagen. Und es wäre in solchen Situationen offensichtlich besser, sie würden sich auf ein geschicktes Verhalten statt auf ein Unglück konzentrieren. Sagen Sie also dem Kind im Beispiel, dass es sich gut halten soll, oder dass das Feuer heiss ist und dass es besser mit einem langen Ast darin herumstochern soll.

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Hilfreiche Anweisungen

Rufen Sie dem Kind nicht das zu, was schlimmstenfalls passieren könnte, sondern was es tun soll. Und zwar in einer affirmativen Form, das heisst Sie müssen ihm sagen, was es tun oder lassen soll und nicht etwa, was es nicht tun oder nicht lassen soll. Denn Kinder können mit Negierungen noch nicht umgehen (selbst Erwachsene haben damit regelmässig Mühe, weshalb Negierungen zum Beispiel in der Werbung ein absolutes Tabu sind!). Wenn Sie also sagen „Lass den Ast nicht los!“ wird das Wort „nicht“ im Bewusstsein des Kindes ziemlich wirkungslos sein. Und es weiss immer noch nicht, was es denn wirklich tun soll. Sagen Sie ihm deshalb besser „Halt Dich gut am Ast fest, dann kommst Du wieder sicher runter!“. So weiss das Kind erstens, was es tun soll und spürt zweitens Ihr Vertrauen in seine Fähigkeiten. Je mehr Sie dem Kind zutrauen, desto grösser sein Selbstvertrauen und desto mehr wird es sich so verhalten, dass es das Ziel auch tatsächlich erreicht.

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Gefahrenbewusstsein des Kindes

Kinder sind sich Gefahren durchaus bewusst, jedenfalls, solange es sich um natürliche handelt und sie sich selbst in diese gebracht haben: Das Kind, das auf den Baum hochgeklettert ist, weiss ganz genau, dass es sich gut halten muss. Anders verhält es sich bloss, wenn dem Kind eine künstliche Gefahr droht, die es selbst gar nicht geschaffen hat. Das gilt zum Beispiel für Maschinen, aber auch dann, wenn Sie das Kind irgendwo hochgehoben haben (zum Beispiel auf den Wickeltisch) und so erst eine Gefahr geschaffen haben, die das Kind schon deshalb nicht wahrnimmt, weil es Ihnen ja vertraut und gar nicht auf die Idee kommt, dass es von seinen eigenen Eltern in eine Gefahr gebracht würde. Diesem Gefahrenbewusstsein der Kinder sollten Sie vertrauen lernen. Es ist unnötig, die Kinder dauernd mit Warnungen zu stören, es genügt völlig, zuerst ruhig zu fragen, ob das Kind klarkommt oder ob es Ihre Hilfe braucht. Gerade panikartige Warnungen können das Kind erschrecken oder ihm unnötige Angst machen, sodass ein eigentlicher Teufelskreis entsteht.

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Lehrreiche Bagatellgefahren

Besonders unsinnig sind Prophezeiungen bei sogenannten Bagatellgefahren, also Missgeschicken, die zwar schmerzhaft sein können, aber kaum je zu Verletzungen führen können, jedenfalls zu keinen ernsthaften: Ein Kind, das zum Beispiel laufen lernt, muss selbst erfahren können, dass es stolpern kann, wenn es zu schnell unterwegs ist. Nur so kann es lernen, mit den Tücken des Lebens umzugehen. Wenn Sie es davor behüten wollen, wäre das höchst kontraproduktiv, da Sie ihm die Möglichkeit des Lernens nehmen würden. So können zwar kleine, harmlose Gefahren vielleicht vermieden werden, doch wird das Kind je länger, desto mehr grössere Herausforderungen suchen, die Sie schon bald nicht mehr alle unter Kontrolle haben, denen es dann aber umso schutzloser ausgeliefert ist, da es ja zuvor gar nicht lernen konnte, mit harmlosen Gefahren zu üben!

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Prophezeiung von unerwünschtem Verhalten

Noch heikler sind Prophezeiungen, welche eigentlich die eigene Erziehungsarbeit betreffen ("Wenn Du nicht endlich lernst zu gehorchen, wirst Du noch ins Heim müssen!"). Mit solchen Aussagen versuchen Eltern in erster Linie, ihre eigenen Schwierigkeiten bei der Erziehung zu kaschieren, insbesondere beim Setzen von Grenzen. Kommt dazu, dass das Kind solche Drohungen gar nicht richtig einordnen kann, da es kaum abschätzen kann, ob diese Drohung überhaupt je umgesetzt wird, zumal in solchen Fällen meist auch gar kein tragfähiges Vertrauensverhältnis zwischen den Eltern und dem Kind bestehen dürfte. Eltern, die derartige Aussagen machen, sollten also dringend Rat suchen.

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Weiterführende Themen

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Übergeordnetes Thema

Vertrauensbildung (erstes Phase der Erziehung)

Fragen und Feedback

Das "Zweimalzwei der Erziehung" ist zum Teil noch im Aufbau. Allfällige Fragen oder Feedback sind willkommen: Email

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