Nachhelfen

Aus 2 x 2 der Erziehung
Zur Navigation springen Zur Suche springen


Kinder lernen fortwährend und immerzu Neues: Sie probieren aus oder ahmen nach, was sie sehen. Meistens müssen sie lange üben um Erfolg zu haben, selten gelingt ihnen etwas auf Anhieb, sodass die Versuchung der Eltern, etwas nachzuhelfen, nur allzu gross ist. Das mag gut gemeint sein, doch wird dem Kind dadurch nicht nur geholfen, sondern es wird ihm auch die eigene Erfahrung und somit die Freude über den eigenen Erfolg genommen. Zumindest ungefragtes Nachhelfen ist deshalb grundsätzlich kontraproduktiv.

Kinder regieren auf ungefragtes Nachhelfen im besten Fall mit Wut, im schlimmsten Fall entwickeln sie ein resignatives Verhalten, wenn ihnen immer wieder zu wenig zugetraut wird, dass sie die Fähigkeit hätten, etwas selbst tun zu können.

^ nach oben

Vertrauensbildung (bis etwa 2 Jahre)

Zutrauen

Einem Kleinkind zuzuschauen, wie es zum Beispiel zum ersten Mal versucht, den Löffel vom Teller in den Mund zu führen oder vom Boden aufzustehen, kann Eltern faszinieren, manchmal aber auch ungeduldig werden lassen. Sie kommen dann nur zu schnell in Versuchung, etwas nachzuhelfen, indem sie die Hand des Kindes führen oder ihm den Löffel gar ganz aus der Hand nehmen. Trauen Sie Ihrem Kind zunächst einmal zu, dass es alles selbst kann, auch wenn ihm nicht alles auf Anhieb gelingen wird. Und trauen Sie ihm danach auch noch zu, dass es von sich Hilfe verlangt, wenn es selbst nicht mehr weiter weiss.

Schon Kleinkinder reagieren übrigens häufig geradezu wütend, wenn ihnen gegen ihren Willen geholfen wird. Und das ist auch gut so, haben sie doch einen unbändigen Willen selbständig zu werden. Das sollten Sie unbedingt unterstützen und nicht etwa behindern.

^ nach oben

Ermuntern

Bleiben Sie also geduldig und warten Sie, bis es das Kind selbst geschafft hat oder Sie um Hilfe bittet. Andernfalls rauben Sie ihm den Mut es selbst auszuprobieren und nehmen ihm so die Freude ob dem eigenen (!) Erfolg. Denn nur was das Kind selbst schafft, gibt ihm das Selbstvertrauen, weitere Aufgaben anzugehen. Wenn ihm dauernd nachgeholfen wird, verliert es schon bald die Motivation, das heisst es wird bequem und lernfaul. Ermuntern Sie also Ihr Kind schon vom ersten Tag an, denn auch das Stillen der Mutter geht nur, wenn auch das Kind mitarbeitet! Auch wenn das Kind grundsätzlich alles von sich aus lernt, wird es sich noch mehr anstrengen, wenn es Ihre Freude sieht und Ihr Lob hört.

^ nach oben

Nachhelfen und Behindern

Wenn es um das Erlernen von Bewegungsabläufen geht, ist Nachhelfen nicht bloss kontraproduktiv, sondern kann das Kind geradezu behindern. Ein Kind, das zum Beispiel vor jeder Schwelle hochgehoben wird, um die Gefahr des Stolperns zu verhindern, wird nicht lernen können, im richtigen Moment die Füsse zu heben und das Gleichgewicht zu halten. Solche Grundfertigkeiten wären aber Voraussetzung dafür, um später noch anspruchsvollere Bewegungen ausführen zu können, wie sie zum Beispiel im Sport nötig sind.

Kinder müssen unbedingt stolpern dürfen, denn nur so können sie lernen. Dass sie sich dabei weh tun, mag vor allem für mitleidende Eltern schmerzhaft sein. Für das Kind selbst braucht es in solchen Moment bloss eines: Trost. Die Gefahren beim Stolpern sind gerade bei den noch gut gepolsterten Kleinkindern äusserst gering und die Schmerzen meist bloss durch den Schrecken verursacht. Wirklich heikel ist einzig, wenn das Kind danach nicht wirklich getröstet wird, sondern ihm womöglich noch Vorwürfe gemacht werden oder es ausgelacht wird.

^ nach oben

Willensbildung (etwa 2 bis 4 Jahre)

Zumuten

Wenn das Kind beginnt seinen Willen zu entwickeln, in der Regel etwa im dritten Lebensjahr, wird es sich in aller Regel mit Händen und Füssen dagegen wehren, wenn ihm jemand bei irgendetwas nachhelfen will. Das ist ein gutes Zeichen seiner gesunden Entwicklung! Lassen Sie das Kind unbedingt selbst machen, auch wenn Sie überzeugt sind, dass es "nicht gut kommt" (ausser natürlich bei wirklichen Gefahren - also höchst selten!). Übungsfelder gibt es mehr als genug: Kleider an- und ausziehen, Essen kleinschneiden, Spielzeug verräumen, beim Kochen mithelfen usw.

^ nach oben

Fordern

In diesem Alter sollten Sie sogar noch weiter gehen und dem Kind nicht bloss zumuten, sondern von ihm geradezu zu fordern, möglichst alles selbst zu tun, oder doch zumindest zu probieren: Wenn sich das Kind anstrengen muss, lernt es, seinen Willen sinnvoll und nützlich einzusetzen. Wenn das Kind umgekehrt unterfordert ist, hat es diese Energie trotzdem und wird sich gezwungen sehen, sie anderweitig, insbesondere für Blödsinn, einzusetzen. Fordern Sie also zum Beispiel vom Kind konsequent, dass es seine Schuhe und Kleider selbst verräumt, und lassen Sie sich nicht in Versuchung bringen, ständig nachzubessern. Das Kind wird sich sonst sehr schnell daran gewöhnen und später nur noch mit grösster Mühe bereit sein, für seine Sachen selbst zu sorgen. Wenn Sie feststellen, dass das Kind seine Verantwortung übernommen hat, können Sie immer noch wieder etwas grosszügiger werden.

^ nach oben

Sozialisation bis Pubertät (etwa 4 bis 16 Jahre)

Mit der Sozialisation, also dem Eintritt in die (Vor)Schule ist es dann höchst Zeit, dass dem Kind nicht mehr nachgeholfen werden muss, denn spätestens jetzt sollte es genügend selbständig sein, um sich selbst um seine wichtigsten Angelegenheiten bemühen zu können. Die Schule muss zum Beispiel erwarten können, dass das Kind von sich aus an all seine Sachen denkt und nicht ständig irgendetwas irgendwo liegen lässt, weil es sich gewohnt ist, dass ihm alles |nachgetragen wird. Ein genügend reifes Kind wird im übrigen auch den Mut haben, sich Hilfe zu besorgen, wenn es diese braucht, während überbehütete Kinder einfach warten und so Gefahr laufen, dass sich ihnen auch Menschen annehmen, die es nicht nur gut mit ihnen meinen. Wenn Sie also vom Kind Selbständigkeit fordern, ist das auch eine hervorragende Prävention gegen Missbrauch aller Art!

Besonders heikel ist auch das Nachhelfen bei den Hausaufgaben, denn diese sind ja gerade dazu gedacht, um selbständig zu lernen. Sie sollten sich deshalb zumindest mit den Lehrern absprechen, inwiefern Sie sich überhaupt darum kümmern sollen. Grundsätzlich sollte es lediglich Ihre Aufgabe sein, zu schauen, dass das Kind die Hausaufgaben überhaupt erledigt. Manche Lehrer fordern darüber hinaus von den Schülern lediglich, dass sie mit allfälligen Problemen zurück in die Schule kommen, keinesfalls aber, dass die Eltern zum Beispiel Vorträge überarbeiten. Die Folgen könnten zudem fatal sein, da Kinder und Jugendliche, denen zu sehr nachgeholfen wird, gerne ihre eigenen Leistungen und Fähigkeiten überschätzen werden.

^ nach oben

Weiterführende Themen

^ nach oben

Übergeordnetes Thema

Vertrauensbildung (erstes Phase der Erziehung)

Fragen und Feedback

Das "Zweimalzwei der Erziehung" ist zum Teil noch im Aufbau. Allfällige Fragen oder Feedback sind willkommen: Email

^ nach oben

^ nach oben