Jugendliche

Aus 2 x 2 der Erziehung
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Als Jugendliche werden im "Zweimalzwei der Erziehung" Kinder ab dem Eintritt in die Pubertät bezeichnet. Die eigentliche Erziehungsarbeit sollte zu diesem Zeitpunkt längst erledigt sein, denn sie wirkt vor allem während den ersten etwa vier Jahren. Wenn Sie während den ersten, alles entscheidenden Phasen der Erziehung Ihre Erziehungsaufgaben gut gelöst haben, können Sie nun die Früchte Ihrer Anstrengungen ernten und sich auf eine Art Begleitung des Kindes beschränken. Grundlage dafür sind die Vertrauensbildung und die Willensbildung.

Obwohl die Phase der Pubertät also für die eigentliche Erziehung kaum mehr relevant sein sollte, erleben viele Eltern gerade diese Zeit als die schwierigste oder doch zumindest anspruchsvollste. Tatsächlich werden die eigentlichen Probleme in der Erziehungsarbeit häufig erst dann erkannt, wenn sie ebenso gross wie die Kinder geworden sind. Erziehungsfehler aus den beiden ersten, alles entscheidenden Phasen der Erziehung lassen sich jetzt aber nur noch mit sehr grossem Aufwand oder eben gar nicht mehr korrigieren. Kommt dazu, dass sich die Jugendlichen auch noch von ihren Eltern abzulösen beginnen und ihre Vorbilder anderweitig suchen. Wenn den Jungen dann auch noch der Vorwurf gemacht wird, sie seien besonders schwierig, ist der Teufelskreis perfekt.

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Grenzen und Herausforderungen

Ein Mensch, der sich entwickelt, muss zwangsläufig auch Grenzen überschreiten. Die Frage ist allerdings, welche beziehungsweise wessen Grenzen überschritten werden. Die Antwort darauf sollten Sie schon während der Phase der Willensbildung gelöst haben. Wenn Sie damals gelernt hatten, dem Kind beziehungsweise seinem Willen auch angemessen Grenzen zu setzen, hat es seinerseits gelernt, mit seinem Willen respektvoll umzugehen, das heisst einerseits sich mit seiner Persönlichkeit zu behaupten und andererseits gleichzeitig die Bedürfnisse und Anliegen seiner Mitmenschen wahrzunehmen und zu achten. Oder anders gesagt: das Kind ist reif.

Wenn sich Jugendliche in der Gesellschaft behaupten wollen, ist das auch eine Art Kräftemessen. Es geht darum, Herausforderungen anzunehmen oder gar eigene zu kreieren. Dabei geht s nicht bloss um physische Kräfte, sondern zum Beispiel auch um die Frage, wer am besten aussieht, beim anderen Geschlecht am besten ankommt oder im Sport oder am erfolgreichsten ist. Zudem müssen sich Jugendliche von ihren Eltern ablösen, was sich in der eigenen Sprache, in Ritualen und ähnlichem zeigt. Dabei wird viel Neues kreiert und wo Neues entsteht, werden eben auch bestehende Grenzen überschritten.

Es gehört also zur natürlichen Entwicklung Jugendlicher, dass sie Grenzen überschreiten. Allerdings ist es ein Unterschied, ob eine Gruppe die Herausforderung zum Beispiel darin sucht, eine Nacht in der freien Natur zum verbringen, oder in leerstehende Häuser einbricht und dort lärmt und zerstört. Es ist auch etwas anderes, ob die Herausforderung darin besteht, einen Pass mit dem Fahrrad zu bewältigen, oder mit Motorfahrrädern nächtelang in der Nachbarschaft herumzukurven. Ob Jugendliche über genügend Respekt für ihre Umwelt verfügen, entscheidet sich allerdings nicht erst jetzt, sondern dafür mussten Sie schon als Eltern in den ersten Jahren, insbesondere während der Phase der Willensbildung, gesorgt haben, ansonsten die Gefahr gross ist, dass diese Aufgabe nun die Polizei "nachholen" muss. Nicht verhindern können Sie, dass Jugendliche in der Gruppe ausprobieren wollen, wo zum Beispiel die Grenze der verträglichen Alkoholmenge liegt. Je besser aber das Kind damals in der Phase der Willensbildung den Umgang mit Grenzen erfahren konnte, desto harmloser wird solcher Übermut ausgehen.

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Divergierende Entwicklung

Unabhängig von einer an sich erfolgreichen Erziehung ergibt sich eine grosse Herausforderung daraus, dass Jugendliche in der westlichen Zivilisation einerseits immer früher geschlechtsreif werden, andererseits immer länger in der Ausbildung stehen und somit immer länger von den Eltern abhängig bleiben. Dieses Auseinanderklaffen von sexueller Entwicklung und tatsächlicher Fähigkeit, eine eigene Familie zu unterhalten, ist für beiden Seiten eine spezielle Herausforderung. Denn mit der sexuellen Entwicklung geht ganz natürlich auch der Drang einher, das Leben mitsamt zum Beispiel der Wohnsituation oder der Essgewohnheiten selbst bestimmen zu können, was aber in aller Regel schon aufgrund der sozialen Unreife und der wirtschaftlichen Unselbständigkeit noch nicht möglich ist. Die daraus unweigerlich entstehenden Konflikte müssen Sie zusammen diskutieren und lösen. Ein häufiger Streitpunkt ist zum Beispiel der Ausgang: An welchen Tagen dürfen die Kinder abends wie lange fort sein? Und was ist denn wirklich der Grund für die Limite? Geht es Ihnen "Einfach um das Prinzip" oder haben Sie Angst, dass Ihre Kinder auf "dumme Ideen" kommen, die sie bereuen würden? Oder fürchten Sie, dass der Schlaf zu kurz kommt und damit die schulischen Leistungen leiden? Besprechen Sie diese Ängste und hören Sie zunächst einmal, wie Ihre Kinder selbst die Gefahren sehen. Wenn Sie nämlich in den beiden ersten Phasen der Erziehung bereits darauf geachtet haben, dem Kind sein natürliches Gespür zu belassen, werden Sie staunen, wie gut das Risikobewusstsein des Jugendlichen nun funktioniert, ganz abgesehen davon, dass Sie selbst die tatsächlichen Gefahren meist nur noch aus den Medien oder aus längst vergangenen eigenen Erfahrungen zu kennen glauben!

Die emotionale Entwicklung Jugendlicher schliesslich kann äussert impulsiv und abrupt sein, und zwar nicht bloss wegen der hormonellen Veränderungen. Jugendliche beginnen nun über sich selbst zu reflektieren, sich, und womöglich die ganze Welt, infragezustellen und sich gleichzeitig auch noch für mögliche Geschlechtspartner zu interessieren. Alles zusammen kann das Gefühlsleben ziemlich strapazieren. Als Eltern müssen Sie dafür eine gewisse Toleranz und Gelassenheit aufbringen können und zum Beispiel damit leben, dass Ihre Tochter stundenlang mit sich allein in ihrem Zimmer sein will, ohne dass Sie nachfragen sollen. Bleiben Sie aber aufmerksam, denn vielleicht braucht sie tatsächlich Hilfe und traut sich bloss nicht, danach zu fragen. Hilfreich kann in solchen Fällen auch die Nachfrage bei Eltern von Kameraden oder in der Schule sein, die häufig auch noch eine andere Sicht einbringen können. Versuchen Sie sich auch daran zu erinnern, wie es Ihnen damals in dieser Phase selbst ging, um besser verstehen zu können. Und akzeptieren Sie schliesslich, dass jedes Kind seine eigene, individuelle Persönlichkeit hat und diese gerade in der Pubertät ganz besonders für sich behaupten will. Die Pubertät ist für Jugendliche mit sehr viel Unsicherheit verbunden, sodass sie sich schützen müssen und sich eben auch von den eigenen Eltern abgrenzen wollen. Toleranz bedeutet aber nicht, dass Sie Ihre eigenen Grenzen ausser Acht lassen sollen. Ganz im Gegenteil: Beharren Sie darauf, dass in Ihrem Haushalt gewisse Regeln gelten. Regeln, die Sie am besten zusammen mit Ihren Kindern vereinbaren, statt einseitig zu diktieren. So können Sie den natürlichen Gestaltungswillen der Jungen konstruktiv nutzen.

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Begleitung und Verantwortung

Die Erziehungsarbeit sollte schon lange vor dem Einsetzen der Pubertät erfüllt sein, zumindest weitgehend. Denn wirklich entscheidend sind die beiden ersten Phasen der Erziehung, in denen es um Vertrauensbildung und Willensbildung ging. Danach sollte das Kind bereits genügend reif sein, um sich weitgehend selbständig entwickeln zu können. Reif ist das Kind, wenn es auch in einer Gruppe ausserhalb der Familie bestehen kann, das heisst, einerseits seine Persönlichkeit ausleben und andererseits seine Umwelt respektieren kann. Dann braucht es von seinen Eltern bloss noch eine Art Begleitung, das heisst Sie müssen da sein, wenn es Sie braucht, müssen aber nicht mehr dauernd eingreifen und regeln. So kann das Kind mehr und mehr für Verantwortung für sich, sein Tun und Lassen übernehmen. Denn mit der Pubertät wird der Drang des Jugendlichen, möglichst alles selbst entscheiden zu können, so gross, dass Sie als Eltern schon aus rein physischen Gründen kaum mehr entgegenhalten können, ohne dass Sie zu eigentlicher Gewalt greifen müssten.

Mit der Pubertät kann dann auch das beginnen, was häufig als partnerschaftliche Erziehung bezeichnet wird: Eltern und Kinder stehen einander in gleicher Kompetenz und Verantwortung gegenüber und regeln das Zusammenleben gemeinsam. Allerdings besteht immer noch ein Ungleichgewicht, das im Alltag problematisch werden kann: Erstens bleiben Jugendliche vor dem Abschluss ihrer Berufsbildung in der Regel noch wirtschaftlich von den Eltern abhängig und zweitens beginnt die Volljährigkeit im rechtlichen Sinne in den meisten Ländern erst mit 18 Jahren. Versuchen Sie dieses Spannungsfeld kreativ zu nutzen und fordern Sie auch Vorschläge von Ihren Kindern, sodass sich diese ihrer Verantwortung bewusst werden und dadurch noch selbständiger werden. Ein bestens geeignetes Übungsfeld ist zum Beispiel das Taschengeld, beziehungsweise die Vereinbarungen darüber, wie hoch dieses ist und was alles darin enthalten sein soll (Ausgang, Kleider, Ferien, Schulgelder usw.).

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Nacherziehung

Haben Sie es in den ersten Jahren verpasst, dass sich das Kind zu genügender Reife entwickeln konnte, wird es von seinem eigenen Freiheitsdrang, der nun in ihm entsteht, überfordert. Denn wenn Jugendliche schon alles selbst entscheiden wollen, sollten sie auch fähig sein, mit den Konsequenzen dieser Entscheide umgehen zu können, also Verantwortung zu übernehmen. So gehen zum Beispiel Jugendliche, die als Kinder nicht erfahren durften, wie mit Gefahren umzugehen ist, vermehrt völlig unnötige Risiken ein, vor denen Sie sie kaum mehr abhalten können. Und während Verbote in der Erziehung an sich schon kontraproduktiv sind, würden sie nun bestenfalls noch dazu provozieren, Grenzen erst recht zu überschreiten. Dass Jugendliche diese Reife bereits haben, liegt in der Verantwortung der Eltern. Es wäre also unsinnig, wenn Sie zum Beispiel Ihrem Sohn vorwerfen würden, er sei verantwortungslos, weil er zu spät schlafen gehe, deshalb am anderen Morgen verschlafe und zu spät in die Schule komme. Denn die Grundlagen für das Verantwortlichkeitsbewusstsein haben Sie in den in den ersten Jahren selbst gelegt!

Bleibt die Frage, inwiefern in den ersten Jahren Verpasstes noch nachgeholt werden kann. Grundsätzlich ist es zwar nie zu spät, doch ist es ungleich schwieriger und anspruchsvoller, Erziehungsfehler nachträglich zu korrigieren. Kommt dazu, dass sich Jugendliche von ihren Eltern kaum mehr etwas sagen lassen, oder gar gleich in die Totalopposition zu gehen. Die Hoffnung ruht dann häufig auf anderen Vorbildern, wie zum Beispiel Sporttrainer oder Musiklehrer, auch wenn diese es natürlich zumindest nicht als ihre primäre Aufgabe betrachten, ihre Schützlinge zu erziehen.

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Das "Zweimalzwei der Erziehung" ist zum Teil noch im Aufbau. Allfällige Fragen oder Feedback sind willkommen: Email


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