Überbehüten

Aus 2 x 2 der Erziehung
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Die Sorge der Eltern um ihre Kinder ist aus guten Gründen gross, sind doch Menschenkinder bei ihrer Geburt wortwörtlich auf Gedeih und Verderb von ihnen abhängig. Allerdings bewirkt schon deren Lebenswille von Geburt an, dass sie selbständig werden wollen. Eltern brauchen sich deshalb immer nur so weit zu sorgen, als es das Kind auch tatsächlich verlangt. Das fordert von Ihnen vor allem viel Aufmerksamkeit auf einer Gratwanderung, bei der es immer um das Gleichgewicht zwischen Halten und Loslassen geht.

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Mögliche Ursachen

Wenn Eltern ihre Kinder zu sehr behüten, hat das natürlich vor allem mit der eigenen Ängstlichkeit zu tun, und deren Ursache wiederum ist meistens in der eigenen frühen Kindheit zu suchen. So besteht denn auch die Gefahr, dass solches Verhalten immer weiter "vererbt" wird. Für Eltern, die den Zusammenhang erkennen, ist es deshalb eine einmalige Chance, diesen zu durchbrechen, indem sie sich zum Beispiel zu folgenden Themen Gedanken machen:

  • Vertrauen: Die erste und wichtigste Fähigkeit, die Sie als Eltern für die Erziehung Ihrer Kinder brauchen ist Vertrauen. Ängstliche Eltern haben eher wenig Selbstvertrauen. Kinder hingegen werden mit einem grenzenlosen Vertrauen geboren. Glauben Sie daran, dass Ihr Kind erstens leben will und dass zweitens alle dazu nötigen Fähigkeiten in ihm schlummern und bloss darauf warten, von ihm selbst entwickelt zu werden. Es ist also vor allem eine Frage der Einstellung und diese können Sie jederzeit ändern! Kinder können Ihnen bei diesem Lernprozess sogar helfen, denn sie wollen von Natur aus wachsen, gross und stark werden. Und sie zeigen Ihnen jeden Tag aufs Neue, wie das funktioniert, indem sie einfach etwas ausprobieren.
  • Verantwortung: Die Verantwortung der Eltern für ihre Kinder ist zweifellos gross, doch sollten Sie von Anfang an darauf hin arbeiten, dass das Kind mehr und mehr eigene Verantwortung übernimmt. Das beginnt bei kleinen Dingen, zum Beispiel wenn dem Kind etwas auf den Boden fällt, das es schon selbst hochheben könnte: Ermuntern Sie es dazu, statt die Anstrengung einfach zu übernehmen! Denn die Verantwortung der Eltern geht immer nur so weit, als das Kind diese nicht selbst übernehmen kann. Kinder wollen schon von sich aus selbständig werden, Sie müssen sie bloss lassen!
  • Persönlichkeit: Jedes Kind kommt schliesslich auch mit einer eigenen Persönlichkeit zur Welt, es ist nicht bloss ein Produkt seiner Eltern, das ihnen gehört. Es muss denn auch seinen eigenen Weg finden im Leben und hat sein eigenes Schicksal. Gewöhnen Sie sich deshalb gleich von Anfang an daran, dass Sie sich ständig von Ihrem Kind werden lösen müssen!

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Formen

Phase der Vertrauensbildung (bis etwa 2 Jahre)

Währen der Phase der Vertrauensbildung braucht das Kind sehr viel Geborgenheit, viele Säuglinge könnten gar die ganze Zeit am Körper ihrer Mutter verbringen, während andere schon im ersten Jahr von sich aus Distanz verlangen, was sie zunächst bloss durch Mimik, später durch Gestik, zum Ausdruck bringen.

Halten und Loslassen

Kinder, insbesondere Kleinkinder, wollen oft und lange gehalten werden. Für die Erziehung ist aber nicht entscheidend, wie viel oder wenig das Kind gehalten wird, sondern dass es immer - und nur dann - gehalten wird, wenn es danach verlangt und losgelassen wird, wenn es genug hat. Es braucht das Wechselspiel zwischen Nähe und Distanz. Es will nicht nur in die Arme genommen werden, weil es müde ist, sondern auch um sich immer wieder zu versichern, dass Sie immer und bedingungslos für es da sind und es von Ihnen bedingungslos angenommen wird. Werfen Sie Ihrem Kind also nicht etwa vor, es sei faul, bloss weil es hochgenommen werden will.

Lassen Sie das Kind möglichst selbst entscheiden, wieviel Halt es gerade braucht. Wenn Sie es halten, obwohl es sich eigentlich frei bewegen will, ist das streng genommen eine Grenzüberschreitung (falls nicht gerade eine wirkliche Gefahr droht). Das verlangt anfangs von Ihnen eine gewisse Grosszügigkeit, da Sie nie zum voraus wissen, wie lange es zum Beispiel noch in Ihren Armen bleiben will, bis Sie zu kochen beginnen können. Richten Sie sich deshalb möglichst entsprechend ein, indem Sie sich zum Beispiel ein Tragetuch anschaffen, sodass es für beide viel einfacher ist zwischen Halten und Loslassen zu wechseln.

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Tragen und laufen lassen

Wenn das Kind zu laufen beginnt, erweitert sich sein Aktionsradius plötzlich um ein Vielfaches und nicht bloss die Freude darüber ist gross, sondern auch die Sorgen der Eltern können entsprechend grösser werden. Das ist insofern berechtigt, als das heutige Leben mit viel Geräten und Maschinen tatsächlich eine Unzahl an Gefahren mit sich bringt. Sie müssen deshalb zunächst einmal Ihre Wohnung entsprechend einrichten und zum Beispiel alle elektrischen Anschlüsse kindersicher machen.

Abgesehen davon geht es jedoch meistens um blosse Bagatellgefahren, die für das Kind zwar schmerzhaft sein können, aber kaum je zu Verletzungen führen können. Lassen Sie das Kind sich bewegen, auch wenn Sie fürchten, dass es noch zu wacklig auf den Beinen ist, dass es sich anschlagen oder hinfallen könnte: es braucht diese Erfahrungen, auch wenn sie schmerzhaft sein können, ansonsten es nicht lernen kann, dass es sich zum Beispiel in der ruckelnden Strassenbahn festhalten muss. Und wenn es sich weht tut: es sind nicht die Schmerzen, die problematisch sind, sondern wenn es dafür keinen wirklichen Trost erhalten würde!

Zumindest in den beiden ersten Jahren will ein Kind noch oft getragen werden. Dem sollten Sie wann immer möglich nachkommen, jedenfalls solange es Ihre Kräfte zulassen. Denn das Kind ist deswegen nicht etwa bequem, sondern höchstens müde, vielleicht braucht es auch ganz einfach Ihre Nähe, um sich wieder einmal zu versichern, dass Sie immer für es sorgen. Dieses Wechselspiel ist anfangs sehr anstrengend, doch werden Sie schon bald für Ihre Mühen um ein Mehrfaches belohnt, denn ein Kind, dessen Grundbedürfnisse möglichst immer und bedingungslos befriedigt werden, gewinnt an Selbstvertrauen und ist entsprechend bereit, Verantwortung für sich zu übernehmen, sodass es umso einfacher selbständig wird!

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Erfahrungen und Gefahren

Die Sorge der Eltern um ihre Kinder ist verständlicherweise gross. Das soll und darf Sie aber nicht davon abhalten, ihre Kinder eigene Erfahrungen machen zu lassen. Und Sie sollten sich diese Maxime gleich von Anfang an zu eigen machen, zum Bespiel wenn es darum geht, dass das Kind an feste Nahrung gewöhnt werden soll. Denn das geht selten ohne Kleckern, Missgeschicke oder "verbrannte" Zunge. Sie müssen also eine gewisse Gelassenheit aufbringen können und mehr oder weniger grosse Unglücke in Kauf nehmen. Unglücke, bei denen das Kind vielleicht "wie am Spiess" zu schreien beginnt. Selbstverständlich sollen Sie Acht geben und zum Bespiel prüfen, ob der Brei nicht zu heiss ist. Bedenken Sie aber, dass das Kind noch keine Ahnung davon hat, was "heiss" bedeutet, wenn es noch nie erfahren konnte, wie sich das anfühlt. Lassen Sie es deshalb durchaus einmal ausprobieren, wenn es unbedingt schon essen will, obwohl Sie ihm aus gutem Grund raten, noch ein wenig zu warten. Und vor allem: trösten Sie es "trotzdem". Denn es braucht diese, wenn auch schmerzvolle, Erfahrung, um lernen zu können, dass erstens heisser Brei weh tun kann und dass es zweitens durchaus ratsam ist, Ihren Rat ernst zu nehmen. Ähnliches gilt, wenn das Kind zum Beispiel wie wild in der Wohnung herumrennen will, während Sie schon ahnen, dass es sich nächsten den Kopf an der Tischkarte anschlagen wird: Warnen Sie es, doch lassen Sie es die Erfahrung selbst machen! Und eben: Trösten Sie es allenfalls, und zwar ohne jede Vorwürfe oder Belehrungen, denn es rannte nicht etwa in den Tisch, um Sie zu ärgern, sondern weil es selbst erfahren musste, wo es beim nächsten Mal vorsichtiger sein muss. Nur mit solchen Erfahrungen kann das Kind lernen und selbständig werden.

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Lehren und Lernen

Eines der grössten Missverständnisse in der Erziehung ist wohl, Eltern müssten ihren Kindern etwas lehren, während diese umgekehrt etwas lernen müssten. Kinder lernen nämlich von alleine, Sie müssen sie bloss selbst tun lassen und Erfahrungen machen lassen! Sie können dem Kind zum Beispiel nicht lehren, zu sprechen oder zu laufen. Es wird das alles selbst ausprobieren müssen und solange üben, bis es klappt. Es genügt völlig, dass es Sie zum Vorbild nehmen kann, indem Sie eben selbst ganz normal gehen und sprechen. Sie sollten deshalb immer äusserst zurückhaltend sein, wenn Sie in Versuchung kommen, dem Kind bei irgendetwas nachzuhelfen. Zwar können Sie ihm sagen und zeigen, wie es zum Beispiel den Ball werfen soll, doch es muss selbst herausfinden dürfen, wann der richtige Zeitpunkt ist, den Ball loszulassen. In aller Regel sind es also die Eltern, die lernen müssen: geduldig warten, das Kind selbst tun lassen und sich dafür über die Erfolgserlebnisse des Kindes freuen.

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Selbst tun und Helfen

Kinder wollen möglichst alles selbst tun und das ist auch gut so. Wenn sie Hilfe benötigen, verlangen sie diese. Warten Sie deshalb zu, bis das Kind zum Beispiel ausprobiert hat, ob es die Trinkflasche selbst ansetzen kann. Wenn es ihm nicht gelingt, wird es von sich aus nach Ihrer Hilfe verlangen, zum Beispiel durch seine Mimik oder Gestik, notfalls auch durch Schreien. Vertrauen Sie dem Kind, dass es zu dem fähig ist, was es sich selbst zutraut. Wenn es die Trinkflasche zu fassen versucht, geht es vielleicht das Risiko ein, dass es sie nicht genügend halten kann und sie ihm auf den Kopf fällt und ihm weht tut. Lassen Sie es trotzdem machen oder fragen Sie es zumindest vorher, ob Sie ihm helfen sollen, statt ihm einfach die Flasche aus den Händen zu nehmen. Schon Kleinkinder können sehr wütend werden, wenn ihnen unverlangt geholfen wird, was Sie als ein gutes Zeichen ihrer gesunden Entwicklung betrachten und ernst nehmen sollten!

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Phase der Willensbildung (etwa 2 bis 4 Jahre)

Wenn das Kind beginnt seinen Willen zu entwickeln, in der Regel etwa im dritten Lebensjahr, können Eltern noch weiteren Versuchungen erliegen, das Kind übermässig zu umsorgen. Denn das Kind sucht nun Grenzen, die es zu überwinden gilt, also Herausforderungen. Und das Überwinden von Grenzen ist selbstredend immer mit Risiken verbunden. Als Eltern müssen Sie deshalb lernen, wann Sie zum Kind "Nein!" sagen, weil es zu weit geht und wann Sie es machen lassen können. Das ist durchaus eine Gratwanderung, die einiges an Übung erfordert.

Verantwortung der Eltern und des Kindes

Bei der Geburt haben Sie als Eltern noch die ganze Verantwortung für das Wohl des Kindes. Doch sollten Sie gleich von Anfang an darauf hinarbeiten, dass Sie dem Kind mehr und mehr Verantwortung überlassen können. Das gilt gerade jetzt, wo das Kind auch die Folgen seines willentlichen Tun und Lassens muss erfahren können. Wenn es zum Beispiel in einem Wutanfall sein Spielzeugauto wegwirft und dieses kaputt geht, muss es die Konsequenzen spüren. Das heisst insbesondere, dass Sie ihm nicht gleich einen Ersatz beschaffen, sondern ihm, nachdem es mit Toben aufgehört hat, in aller Ruhe zeigen, was passiert ist und es fragen, was es nun zu tun gedenkt. Denn Verantworten heisst eine Antwort auf ein Problem geben.

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Gefahren und Herausforderungen

Herausforderungen sind gewissermassen die Nahrung, die der Wille braucht, um wachsen zu können. Kinder suchen überall, wo sie gerade sind, nach Hindernissen, die übersprungen oder erklettert werden können, oder nach Wettrennen, bei denen sie sich messen können. Und sie haben von Natur aus ein hervorragendes Gespür für Gefahren - jedenfalls wenn Sie es bisher geschafft haben, ihnen zu vertrauen! Lassen Sie also Ihre Kinder Bäume hochklettern und Bäche überqueren. Natürlich sollen Sie dabei sein und wenn nötig helfen können, doch muss das Kind zum Bespiel auch einmal erlebt haben, wie es ist, wenn es mit nassen Schuhen nach Hause laufen muss. Wenn Sie es dauernd vor solchen Erlebnissen behüten, nehmen Sie ihm nicht nur das Abenteuer, sondern auch die Chance, etwas Wichtiges für sein Leben zu lernen. Bleiben Sie also achtsam, was Sie dem Kind dem Kind zumuten können und lassen Sie es möglichst immer die Konsequenzen seines Tun und Lassen spüren.

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Spielkameraden

Mehr und mehr sucht das Kind nun auch eigene Spielkameraden ausserhalb der Familie, die nicht immer gleich behutsam mit ihm umgehen wie seine Eltern. Das macht gar nichts, halten Sie sich auch hier zurück und greifen Sie erst ein, wenn ein Kind danach ruft, weil es sich zum Beispiel selbst nicht mehr wehren kann. Kinder sind sehr geschickt darin, Konflikte selbst zu lösen, sie brauchen einfach Zeit zum Ausprobieren von eigenen Regeln. Wenn Sie zu schnell eingreifen, weil Sie eine Ungerechtigkeit verhindern wollen, nehmen Sie den Kindern die Chance, ihre Sozialkompetenz zu entwickeln.

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Sozialisation bis Pubertät (etwa 4 bis 16 Jahre)

Spätestens mit dem Eintritt des Kindes in die (Vor)Schule sollten Eltern gelernt haben, ihrem Kind so weit zu vertrauen, dass sie es ohne allzu grosse Sorgen auch über mehrere Stunden ausserhalb ihrer Aufsicht allein lassen können. Haben Sie mit ihm zudem den Umgang mit Grenzen geübt, können sie davon ausgehen, dass es genügend reif ist, um die üblichen Gefahren selbständig einschätzen zu können, oder zumindest Sie um Rat zu fragen.

Schulweg und Strassenverkehr

Der Schulweg ist für Kinder ein ganz eigenständiger Raum, in dem sie sich allein oder mit ihren Kameraden bewegen können. Er bietet ihnen Möglichkeiten zum Entdecken, für Austausch und Abenteuer, aber auch Zeit zum Tagträumen - und alles ausserhalb der Kontrolle der Eltern und der Schule. Für Kinder ist das ein Stück Freiheit, in der sie wichtige Erfahrungen auf ihrem Weg in die Selbständigkeit machen können. Bei Ihrer Wohnungswahl sollten sie deshalb unbedingt darauf achten, dass der Schulweg für die Kinder auch alleine machbar ist.

Die weitaus grösste Gefahr droht Kindern auf dem Schulweg durch den Strassenverkehr (der womöglich und fatalerweise noch verschärft wird durch sogenannte Elterntaxis). Das Hauptproblem dabei ist, dass Kinder diese Gefahr aufgrund ihrer kognitiven Fähigkeiten erst ab dem Alter von etwa zwölf Jahren einigermassen richtig einschätzen können. Es gibt deshalb nur einen Weg Kinder zu schützen: Einfach, klare Verhaltensregeln, wie sie regelmässig durch speziell geschulte Fachleute in den Schulen gelehrt werden. Diese Regeln sind zu unterscheiden von den im "Zweimalzwei der Erziehung" für die Erziehung beschriebenen Abmachungen und Vereinbarungen, sie müssen vom Kind gewissermassen als unumstössliches Gesetz verinnerlicht werden, also ganz unabhängig davon, ob sich das Kind damit einverstanden erklärt oder überhaupt schon nur den wirklichen Zusammenhang versteht. Denn die Zusammenhänge kann es eben noch gar nicht verstehen, da es zum Beispiel weder den Bremsweg eines Autos abschätzen kann noch Erfahrungen mit Verkehrsunfällen machen soll. Wollen Sie aber sicher gehen, dass sich Ihr Kind an die Verkehrsregeln hält, ist es entscheidend, dass es genügend reif ist, um sich ganz allgemein und von sich aus an Regeln halten zu können. Für das wiederum sind Sie als Eltern verantwortlich, indem Sie in den beiden Phasen zuvor mit ihm sowohl einseitige Abmachungen als auch gegenseitige Vereinbarungen geübt haben.

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Freizeit und Sport

Mit den Freizeitaktivitäten ausserhalb der Wohnung nehmen natürlich auch die Risiken für wirkliche Verletzungen zu, während gleichzeitig Ihre Möglichkeiten abnehmen, ständig auf die Kinder aufzupassen. Sie müssen also damit leben lernen, dass Ihr Kind zum Beispiel irgendwo hinfällt und sich die Knie aufschürft, ohne dass ihm sofort geholfen wird. Das mag Sie als Eltern schmerzen, doch ist es wichtig, dass Kinder auch lernen, mit solchen Situationen zurechtzukommen. Und das können sie erstaunlich gut, jedenfalls wenn Sie in den Jahren zuvor gelernt haben, ihnen und ihren Fähigkeiten zu vertrauen, denn die Erziehung zur Selbständigkeit sollte schon von Anfang Ihr Ziel sein!

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Schulkameraden

Auch über die Wahl der Schulkameraden haben Sie kaum mehr die Kontrolle. Und auch das ist gut so! Vertrauen Sie dem bereits von Natur aus vorhandenem Gespür des Kindes, dass es selbst entscheiden kann, welche Menschen ihm gut tun. Selbstverständlich sollen Sie Interesse am Umfeld Ihrer Kinder zeigen und auch einmal nachfragen, was so alles ausserhalb Ihres Einflussbereichs läuft, doch wäre es höchst kontraproduktiv, Einfluss auf die Wahl der Kameraden ausüben zu wollen. Wenn Sie Bedenken haben, ob der Umgang mit dem einen oder anderen Kameraden dem Kind gut tut, können Sie zum Beispiel nachfragen, was es denn an diesem schätze. Meistens werden Sie erstaunt sein, dass für Ihr Kind ganz andere Eigenschaften im Vordergrund stehen als für Sie! Reife Kinder können durchaus zwischen den Sonnen- und Schattenseiten ihrer Kameraden differenzieren. Für diese Reife müssen aber Sie als Eltern in den vorherigen Phasen der Erziehung gesorgt haben, als Sie lernten, den Fähigkeiten und dem Gespür des Kindes zu vertrauten!

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Ausgang

Meist mit der Pubertät wollen Jugendliche auch allein mit ihren Kollegen in den Ausgang und die Welt der Erwachsenen kennenlernen. Dabei offenbart sich ein Problem, das sich in den letzten Jahrzehnten stark verschärft hat, nämlich die je länger desto grössere Diskrepanz zwischen der sexuellen und der sozialen Entwicklung, was Eltern regelmässig und zu Recht beunruhigt. Denn auf diese Entwicklung haben Sie natürlich keinen Einfluss. Sie müssen also, auch bei bester Aufklärungsarbeit, zum Beispiel damit rechnen, dass Ihr Kind allzu früh selbst Vater oder Mutter wird.

Sie müssen sich aber auch bewusst sein, dass Jugendliche die wesentliche, persönliche Reife bereits viel früher erlangt haben sollten! Zudem können Sie nun rein gar nichts mehr zu dieser Reife beitragen, denn Jugendliche orientieren sich in diesem Alter definitiv nicht mehr nach ihren Eltern, nehmen sich die Vorbilder also ausserhalb der Familie. Das gilt besonders beim Thema Drogen beziehungsweise Sucht: Die präventive Arbeit mussten Sie schon in den beiden ersten, alles entscheidenden Phasen der Erziehung geleistet haben, denn die wesentlichen Voraussetzungen, um überhaupt suchtgefährdet zu werden, wurden in dieser Zeit geschaffen!

Und wenn Sie jetzt immer noch meinen, Sie müssten Ihre Kinder behüten, indem Sie sie zum Beispiel dauernd an irgendwelche Anlässe hinfahren oder wieder irgendwo spätabends abholen, geben Sie sie viel eher der Lächerlichkeit preis als dass ihnen wirklich geholfen wird. Die Wahrscheinlichkeit ist zudem gross, dass sie sich dieser elterlichen Kontrolle zu entziehen versuchen, was an sich ja ein Zeichen ihrer gesunden Entwicklung wäre. Bloss verstärkt das die Gefahr dann erst recht, da dieses Losreissen häufig mit sehr viel grösseren Risiken verbunden ist als die, vor denen geschützt werden sollte!

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Mögliche Folgen

Eltern, die ihre Kinder zu sehr behüten, machen das in aller Regel in der besten Absicht, trotzdem ist es höchst kontraproduktiv und die Folgen können, je nach Persönlichkeit des Kindes, ziemlich gravierend sein:

Mangelndes Gefahrenbewusstsein

Die weitaus schlimmste Folge ist fatalerweise genau die, welche die Eltern eigentlich mit ihrem Verhalten zu verhindern versuchten: Wenn das Kind nie erfahren konnte, was passieren kann, wenn es nicht selbst aufpasst, fehlt ihm später auch das Bewusstsein für wirkliche Gefahren, womit selbstredend das Risiko völlig unnötig erhöht wird! Denn um Grenzen wahrnehmen zu können, muss sie das Kind zuerst einmal erfahren haben. Und das geht zumindest anfangs nur, wenn es diese auch gelegentlich überschreiten konnte. Es ist also kein Wunder, wenn gerade die am besten behüteten Kinder als Jugendliche völlig überborden und unverhältnismässige Risiken eingehen. Denn sie müssen etwas nachholen, das ihnen in den ersten Jahren verwehrt wurde.

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Überängstlichkeit

Kaum verwunderlich ist, wenn überbehütete Kinder ihrerseits übermässig ängstlich werden. Denn Kinder vertrauen ihren Eltern zumindest in den ersten Jahren noch vollkommen und spüren sehr genau, wenn ihre Eltern aus Ängstlichkeit reagieren. Und nach dem genau gleichen Mechanismus wie sich das Selbstvertrauen des Kindes aus dem Vertrauen der Eltern ableitet, übernimmt es auch die Ängstlichkeit seiner Eltern. Kommt dazu, dass das hinter der Ängstlichkeit stehende wirkliche Gefühl, nämlich das Grundgefühl der Angst, umso schlechter wahrgenommen wird, da die Eltern ja darauf bedacht sind, beim Kind erst gar keine Angst aufkommen zu lassen. Angst wäre aber ein äusserst wichtiges Gefühl, da es dem Kind bei Gefahren signalisiert, dass es Acht geben soll.

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Mangelndes Gespür

Tritt anstelle des Grundgefühls der Angst das Ersatzgefühl der Überängstlichkeit, wird auch das an sich von Natur aus vorhandene Gespür des Kindes beeinträchtigt. Das Gespür, also das eher gefühlsmässige Erfassen von Situationen, ist aber mindestens so wichtig wie der Verstand, gerade wenn es um Gefahren geht!

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Beeinträchtigung der Feinmotorik

Wenn dem Kind immer wieder nachgeholfen wird, kann es seine eigenen Bewegungsabläufe zu wenig entwickeln, sodass irgendwann auch seine Feinmotorik beeinträchtigt wird. Um beispielsweise lernen zu können, wie es einen vollen Teller am besten von der Küche zum Esstisch tragen kann, muss es auch zumindest einmal erfahren dürfen, was passiert, wenn es den Teller zu wenig gut hält und dieser auf den Boden fällt. Mit diesem Risiko müssen Sie als Eltern umgehen können! Wenn Sie hingegen dauernd das Kind beim Tragen unterstützen, kann es das nötige Gleichgewicht nicht erfahren und auch nicht die entsprechende Geschicklichkeit entwickeln.

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Beeinträchtigung der Grobmotorik

Das Gleiche geschieht auch, wenn Kinder zum Beispiel immer wieder "abgefangen" werden, weil Eltern vermeintliche oder wirkliche Gefahren befürchten. Wenn Sie das Kind vor einer wirklichen und akuten Gefahr, wie zum Beispiel vor dem Strassenverkehr, schützen wollen, sollten Sie sich deshalb wenn immer möglich vor das Kind hinstellen und ihm den Weg versperren (statt es einfach wie ein Adler von hinten zu fangen). Damit setzen Sie ihm eine Grenze, in die es allenfalls hineinläuft, die es aber auf sich zukommen sieht, sodass es nicht gleich vor Schreck erstarren muss. Vor allem beim für Kinder so beliebten Klettern auf dem Spielplatz müssen Sie lernen, dem Kind, seinen Fähigkeiten und seinem Gespür für Gefahren zu vertrauen: Gehen Sie zunächst immer davon aus, dass das Kind ganz genau weiss, was es sich zutrauen kann und dass es nicht weiter geht, wenn es spürt, dass es die nächste Stufe nicht schafft. Lassen Sie es immer selbst entscheiden, ob es umkehren will oder Ihre Hilfe braucht, weil es nicht mehr runter weiss. Fragen Sie es aber immer zuerst, ob Sie ihm helfen sollen oder ob es Angst hat. Heben Sie es weder einfach irgendwo hoch, noch reissen Sie es einfach runter, bloss weil Sie meinen, es würde es nicht selbst schaffen. Ungefragte Hilfeleistung ist streng genommen immer eine Grenzüberschreitung, auf die das Kind im besten Fall mit Protest reagiert, im schlimmsten Fall mit Resignation.

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Mangelndes Selbstvertrauen

Kinder entwickeln ihr Selbstvertrauen aus dem Vertrauen der Eltern in ihre Fähigkeiten. Fehlt dieses Vertrauen, wird das Kind mit entsprechend geringem Selbstvertrauen zu kämpfen haben, es fehlt ihm also die wichtigste Fähigkeit für ein erfülltes Leben!

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Resignation

Im schlimmsten Fall resigniert das Kind irgendwann, wenn ihm zu wenig zugetraut oder zugemutet wird. Es wartet dann einfach, bis ihm jemand die Herausforderung abnimmt oder die Gefahr aus dem Weg räumt. Solche Kinder machen lieber nichts, als dass sie etwas falsch machen würden. Wenn ihnen dann auch noch vorgehalten wird, sie seien bequem, ist der Teufelskreis perfekt.

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Trotz

Im besten Fall wehrt sich das Kind gegen das Verhalten der Eltern, indem es sich wann immer möglich deren Zugriff zu entziehen versucht und so die Möglichkeit erhält, trotzdem das zu tun, wovor seine Eltern es behüten wollen. Eltern sprechen dann gerne und vorwurfsvoll von trotzenden Kindern, ohne sich bewusst zu sein, dass eigentlich sie selbst der Auslöser dafür sind. Das Problem dabei ist, dass die Kinder mit zunehmenden Alter Mittel und Wege finden, sich der Obhut der Eltern zu entziehen und dann alleine den Gefahren ausgesetzt sind. Sie können dann weder getröstet noch gepflegt werden, wenn ihnen etwas widerfahren ist, ganz im Gegenteil: die Wahrscheinlichkeit ist gross, dass sie sich aus lauter Angst vor Schelte verstecken und mit ihrem Kummer einsam werden.

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Mangelnde Selbständigkeit

Es dürfte offensichtlich sein, dass Kinder, denen vor lauter Ängstlichkeit der Eltern zu viel abgenommen wird, entsprechend wenig Selbständigkeit entwickeln können. Irgendwann traut sich das Kid selbst kaum noch etwas zu. Besonders zeigt sich das in der (Vor)Schule, wo ein Mindestmass an Selbständigkeit gefordert ist, weil die Lehrpersonen zu Recht nicht bereit sind, die Rolle der Eltern zu übernehmen.

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Mangelnde Beziehungsfähigkeit

Aber auch die Beziehungsfähigkeit leidet. Meistens wird das aber ist festgestellt, wenn das Kind als junger Erwachsener versucht, in einer Partnerschaft zu leben. Denn der Partner wird irgendwann zum Beispiel feststellen, dass er Aufgaben übernehmen soll, die der andere eigentlich selbst sollte erfüllen können oder er wird für das Wohlbefinden des anderen verantwortlich gemacht. Überbehüteten fehlt häufig das Gespür für Grenzen, sodass sie ihre eigenen Bedürfnisse entweder nicht auszudrücken wagen oder umgekehrt rücksichtslos durchzusetzen versuchen.

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Fragen und Feedback

Das "Zweimalzwei der Erziehung" ist zum Teil noch im Aufbau. Allfällige Fragen oder Feedback sind willkommen: Email


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