Grundbedürfnisse des Kindes

Aus 2 x 2 der Erziehung
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Grundbedürfnisse des Kindes sind Bedürfnisse, die zumindest in der Phase der Vertrauensbildung vorrangig befriedigt werden müssen. Denn nur, wenn das Kind das erhält, was es benötigt, wird sein Vertrauen in seine Eltern bestätigt und kann es entsprechend Selbstvertrauen aufbauen. Wenn das hungrige Kleinkind nicht gestillt wird, beginnt es irgendwann an der Verlässlichlichkeit seiner Eltern zu zweifeln. Sein Lebenswille macht es zwar äusserst ausdauernd, doch wenn seine Grundbedürfnisse immer wieder zu kurz kommen, wird es sich irgendwann damit abfinden müssen und den Glauben an ein glückliches Leben verlieren.

Selbstverständliche Grundbedürfnisse

Die meisten Grundbedürfnisse sind selbstverständlich und in der Regel auch klar von Wünschen unterscheidbar:

Die Befriedigung dieser Grundbedürfnisse allein würde es dem Kind wohl ermöglichen zu überleben, also selbständig zu werden.

Weitere Grundbedürfnisse

Leben sollte aber mehr als nur Selbständigkeit sein. Gemäss dem "Zweimalzwei der Erziehung" gehört zum Ziel der Erziehung ebenso Beziehungsfähigkeit. Dazu müssen weitere Grundbedürfnisse befriedigt werden, insbesondere:

Grundbedürfnisse sind zusammen mit den Fähigkeiten des Kindes das zentrale Thema der ersten Phase der Erziehung: Die Eltern müssen lernen, die Grundbedürfnisse wahrzunehmen und den Fähigkeiten des Kindes zu vertrauen.

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Vertrauensbildung (bis etwa 2 Jahre)

Grundbedürfnisse sind existenziell

Grundbedürfnissen müssen in den beiden ersten Jahren, also in der Zeit der Vertrauensbildung, sofort und bedingungslos befriedigt werden. Denn das Kind lebt noch vollkommen in der Gegenwart: Es kennt weder Vergangenheit noch Zukunft und kann deshalb gar nicht verstehen, dass es auch noch ein "Später" gibt und es nicht verhungern muss, wenn es noch fünf Minuten warten soll. Erst wenn es diese Erfahrung immer wieder gemacht hat, wird sein Vertrauen in seine Eltern bestätigt, dass ihm zuverlässig geholfen wird.

In den beiden ersten Jahren sind also sämtliche Sorgen des Kindes gewissermassen existenziell. Lassen Sie ein Kind nicht einfach schreien, bis es aufgibt. Denn abgesehen davon, dass es äusserst ausdauernd ist und Sie nicht so schnell zur Ruhe kommen lässt, würde dadurch auch sein Vertrauen in das Leben überhaupt beeinträchtigt. Im Extremfall schaltet das Kind irgendwann in eine Art Überlebensmodus. Oder anders gesagt: Es verliert den Glauben an das Gute.

Je verlässlicher Sie aber das Kind stillen, beruhigen oder trösten, desto schneller wird es sein Vertrauen in Sie bestätigt sehen und desto eher lernt es Geduld aufzubringen. Es wird sich dann zum Beispiel daran gewöhnen, dass die Milchflasche erst noch erwärmt werden muss, bevor es sie bekommt. Erklärungen helfen da übrigens rein gar nichts, können sogar kontraproduktiv sein: Das Kleinkind ist noch gar nicht fähig, diese zu verstehen, es leidet bloss und muss deshalb getröstet werden. Noch heikler sind in solchen Situationen Vorwürfe ("Sei doch nicht immer so ungeduldig") oder gar Spott ("Du kannst ja gar nicht warten").

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Vertrauen der Eltern in die Grundbedürfnisse des Kindes

In der Phase der Vertrauensbildung hat das Kind ausschliesslich Grundbedürfnisse. Das heisst für Sie als Eltern: immer wenn das Kind etwas von Ihnen verlangt oder einfach schreit, fehlt ihm etwas Grundlegendes. Sie müssen deshalb lernen, den Grundbedürfnisse Ihres Kindes zu vertrauen. Vergessen Sie also vor allem, dass ein Kleinkind seine Eltern zu irgendetwas manipulieren würde. Es ist dazu weder willens noch fähig! Die Herausforderung ist in dieser Phase also nicht, zwischen wirklichen Grundbedürfnisse und blossen Wünschen zu unterscheiden, sondern herauszufinden, was dem Kind fehlt.

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"Positives" Verwöhnen

Die Frage, ob Kinder verwöhnt werden dürfen oder nicht, ist eigentlich falsch gestellt. Denn es kommt nicht auf das "ob" an, sondern auf das "was": Wenn Sie ein Grundbedürfnis des Kindes befriedigen, können, ja sollen, Sie das immer sofort und mit aller Hingabe tun, die Sie aufzubringen vermögen. Das ist gewissermassen ein "positives" Verwöhnen. Verwöhnen im positiven Sinn heisst aber auch, dass Sie dem Kind nur so viel geben, wie es gerade braucht. Wenn also das Kind zum Beispiel gehalten werden will, sollen Sie es nicht nur sofort hochnehmen, sondern auch wieder sofort herunterlassen, wenn es genug hat. Es geht also nicht um "so viel wie möglich" sondern um "so viel (oder eben wenig) wie gerade verlangt". Ansonsten kann aus dem Verwöhnen schnell ein kontraproduktives "Zwangsbeglücken" werden.

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Provozierte Bedürfnisse

Wichtig ist, dass das Kind von selbst danach verlangt, dass seine Grundbedürfnisse befriedigt werden. Und noch wichtiger ist, dass Sie dem Kind vertrauen, dass es das auch kann. Wenn das Kind zum Beispiel nach Trinken verlangt, geben Sie ihm etwas zu trinken und fragen Sie nicht noch zuerst, ob es nicht lieber essen würde. Verzichten Sie auch auf "Auswahlsendungen" ("Willst Du lieber Tee, oder hast Du Lust auf Saft - Du kannst aber auch Milch haben"). Zum einen sind Kleinkinder damit überfordert und zum anderen provozieren Sie als Eltern Wünsche und Begehren, die schnell zu wählerischem Verhalten führen können. Darauf sollten Sie zum Beispiel bei Süssigkeiten achten, auf die ein Kleinkind noch gar nicht wirklich Lust hat (die Süsse einer Karotte ist völlig ausreichend und Zucker würde bloss eine Reizüberflutung bewirken). Wenn Sie dem Kind wiederholt Schokolade als etwas besonders Feines hinhalten, wird es das glauben und irgendwann tatsächlich von sich aus danach verlangen. Das ist dann aber kein Grundbedürfnis mehr, sondern bereits ein anerzogenes Begehren, also eigentlich eine Fehlentwicklung.

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Willensbildung (etwa 2 bis 4 Jahre)

Mit der Willensbildung ab etwa dem dritten Lebensjahr kommen zwei Grundbedürfnisse dazu, die auf den ersten Blick häufig nicht als solche wahrgenommen werden, aber umso wichtiger sind: Herausforderungen und Grenzen. Denn der Wille des Kindes ist eine derart starke Kraft, dass sie dem Kind schon fast Flügel zu verleihen scheint, was durchaus zu Allmachtsphantasien führen kann. Darum benötigt es auch Widerstand, an dem es sich messen kann und Regeln, die ihm Halt geben.

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Herausforderungen

Kinder in diesem Alter haben einen riesigen Bewegungsdrang, sie wollen dauernd rennen, klettern oder raufen, meistens verbunden mit dem Ehrgeiz nach "noch schneller" und "noch höher". Doch nicht nur die körperliche Leistungsfähigkeit macht Kindern Freude, sondern auch die geistige: die Lernfähigkeit des Menschen wird nie mehr so hoch sein, wie in diesem Alter. Lassen Sie Ihr Kind deshalb jede Herausforderung annehmen, auf die es Lust hat! Hindern Sie es nicht mit dauernden Warnungen vor irgendwelchen Bagatellgefahren. Hat es zum Beispiel mitten im Winter Lust, einen Bach zu durchqueren, spricht überhaupt nichts dagegen, dass es das zumindest einmal ausprobiert. Sie müssen es lediglich die Konsequenzen tragen lassen (indem Sie ihm zum Beispiel klarmachen, dass es danach womöglich in nassen Kleider weiterlaufen muss). So kann es aus seinen Erfahrungen lernen und Verantwortung für sein Tun und Lassen übernehmen. Herausforderungen in der freien Natur zeigen dem Kind immer sehr schnell, wo die Grenzen liegen, ohne dass es gleich gefährlich würde (während sich in einer städtischen Umgebung für Kinder eine Unmenge an künstlichen Gefahren verbergen).

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Grenzen

Kinder können nicht nur an natürliche Grenzen stossen, sie können auch mit den Absichten oder Vorstellungen ihrer Eltern zusammenstossen. Diese Konfrontation müssen Sie annehmen und auch Widerstand leisten können, indem Sie "Nein!" sagen und konsequent dabei bleiben. "Nein!" sagen ist in der Phase der Willensbildung ebenso eine Aufgabe der Eltern, wie es das "Ja" in der Phase zuvor war. Das "Nein!" der Eltern akzeptiert das Kind anfangs nicht einfach ohne weiteres und "Tobsuchtsanfälle" sind eine völlig natürliche Reaktion. Sie müssen deshalb lernen, angemessen zu reagieren. Schliesslich sollten sie sich mit dem Kind wieder versöhnen können.

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"Negatives" Verwöhnen

Mit der Willensbildung können aus Bedürfnissen plötzlich unermessliche Wünsche werden. Das ist völlig normal, denn das Kind spürt nun, was es mit seinem Willen alles erreichen kann. Allerdings liegt es an den Eltern, den Willen des Kindes gewissermassen zu prüfen, indem Sie nicht einfach jeden Wunsch gleich erfüllen, sondern zunächst einmal Widerstand leisten und beobachten, ob das Kind die Herausforderung annimmt, also bereit ist, etwas für die Erfüllung seines Wunsches zu leisten.

"Negativ" ist das Verwöhnen, wenn es gar nicht um Grundbedürfnisse geht, sondern um Wünsche und das Kind dafür nichts leisten muss. Die Schwierigkeit für Eltern liegt also darin, unterscheiden zu können, um was es geht. Das kann für Sie durchaus zur Gratwanderung werden, zumal es sich in der westlichen Zivilisation die meisten Eltern ja leisten könnten, dem Kind laufend irgendwelche Wünsche zum Beispiel nach noch mehr Spielzeug zu erfüllen.

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Grundbedürfnisse des Kindes und Bedürfnisse der Eltern

Die Grundbedürfnisse Ihres Kindes werden natürlich sehr schnell mit Ihren eigenen Bedürfnissen kollidieren. Zumindest in den ersten Jahren werden Sie sich deshalb fragen müssen, welches denn wirklich Ihre Grundbedürfnisse sind und was eher zur Kategorie "Schöner Leben" gehört: Während zum Beispiel ein gesundes, selbst zubereitetes Essen für die ganze Familie selbstverständlich sein sollte, ist es der Besuch im schicken Restaurant sicher nicht mehr (zumal dieser nicht selten für alle Beteiligten, angefangen bei den Kindern über die Eltern bis zum Personal und anderen Gästen mehr zur Qual als zum Vergnügen werden kann). Sie müssen sich also fragen, wo Ihre eigenen Grenzen liegen und sich entsprechend organisieren (indem Sie zum Beispiel die Kinder hüten lassen und alleine ins Restaurant gehen).

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Weiterführende Themen

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Übergeordnetes Thema

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Fragen und Feedback

Das "Zweimalzwei der Erziehung" ist zum Teil noch im Aufbau. Allfällige Fragen oder Feedback sind willkommen: Email


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