Grenzen der Eltern

Aus 2 x 2 der Erziehung
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Wenn das Kind beginnt, seinen Willen zu entwickeln, in der Regel etwa im dritten Lebensjahr, braucht es auch angemessene Grenzen, sei es in Form von Herausforderungen, seien es Regeln oder ein konsequentes "Nein!". Eltern haben aber auch noch eigene, persönliche Grenzen aufgrund von

Diese Grenzen der Eltern können den Grundbedürfnissen des Kindes entgegenstehen. Zumindest während den ersten beiden, alles entscheidenden Phasen der Erziehung bedeutet das eine gewisse Gratwanderung, bei der Sie immer wieder abwägen müssen, wieviel Sie sich selbst und wieviel Sie dem Kind zumuten können und wollen.

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Beschränkte Ressourcen

Energie

Kinder kommen absolut grenzenlos zur Welt. Sie verlangen von den Eltern einfach so viel, wie sie brauchen - aber auch nicht mehr! Als erstes sollten Sie sich deshalb bewusst sein, dass das Kind in der Phase der Vertrauensbildung, also etwa in den beiden ersten Jahren, ausschliesslich Grundbedürfnisse hat, das heisst weder Wünsche, die warten könnten, noch irgendwelche manipulativen Absichten. Zudem sind Kinder schon von Geburt an sehr kooperativ, was sich besonders schön beim Stillen äussert. Gehen Sie deshalb vom Prinzip aus, dass Ihr Kind von Ihnen nicht mehr verlangt, als Sie zu leisten vermögen und zählen Sie auf seine Kooperationsbereitschaft. Wenn Sie merken, dass Sie an das Ende Ihrer Kräfte kommen, sollten Sie dem Kind zum Beispiel sagen, weshalb Sie es nicht mehr tragen mögen ("Ich bin zu müde."), statt ihm womöglich Vorwürfe zu machen ("Du bist einfach zu bequem."). Danach sollten Sie sich aber auch überlegen, wie Sie für Entlastung sorgen können. Das beginnt schon bei der Wohnungswahl und geht bis zur (teilweisen) Fremdbetreuung. Wichtig ist dabei immer, dass Sie dem Kind ehrlich sagen, worum es geht ("Ich bringe Dich jetzt zum Opa, weil ich arbeiten muss, damit wir genügend zu essen haben.").

Es wird aber auch Situationen geben, in den Sie externe Hilfe brauchen, sei es von Ihren Eltern oder Nachbarn, sei es von öffentlichen Institutionen. Warten Sie nicht zu lange, denn Überforderung kann zu Kurzschlusshandlungen führen, die Sie bereuen würden!

Paradoxerweise ist es schliesslich gerade der allgemeine Wohlstand, in dem die meisten Menschen in der westlichen Zivilisation leben, der Eltern vor allem in den ersten Jahren grosse Mühen bereiten kann. Das beginnt mit den meisten der heutigen Wohnformen, in denen Familien in sich geschlossen leben, während zum Beispiel in einer Sippe immer noch andere Menschen da sind, die auch zu den Kindern schauen können. Es geht weiter mit all den Annehmlichkeiten, wie zum Beispiel Geräte oder Medikamente, die Kindern gefährlich werden können. Menschen gehe heute mannigfaltigen Freizeitbeschäftigungen nach, weil sie schlicht über zu viel Freizeit und zu wenige Bewegung haben, während Menschen ohne diesen Überfluss an komfortablen Einrichtungen gar kein Bedürfnis dazu entwickeln. Diesen Umständen können Sie natürlich nur teilweise entfliehen, sie sollten Ihnen aber immerhin einen Denkanstoss geben, Ihren Lebensstil auf die Verträglichkeit mit Kindern (und damit auch der Natur!) zu überdenken. Verzichten Sie zum Beispiel auf das Auto und Sie werden sehr viel Zeit und Ruhe für Ihre Kinder gewinnen und dabei erst noch die Umwelt schonen.

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Geld

Je älter die Kinder werden, desto mehr entwickeln sie auch Wünsche, die Ihre finanziellen Möglichkeiten übersteigen können. Vielleicht schmerzt es Sie dann, dass Sie Ihren Kindern nicht das ermöglichen können, was andere von ihren Eltern erhalten. Betrachten Sie es als Herausforderung, können Sie diese eingeschränkten Möglichkeiten aber durchaus zum Vorteil für Ihre Kinder nutzen. Vertrauen Sie Ihren eigenen Fähigkeiten und der Kreativität der Kinder. Kinder brauchen zudem Herausforderungen. Sie könnten sich also überlegen, wie das Kind zum Beispiel sein Taschengeld aufbessern kann oder was es an Freizeitaktivitäten gibt, die mehr körperliche Anstrengung als technische Geräte benötigen. Es gibt zudem eine Unzahl an Vorbildern aus der Wirtschaft oder dem Kulturleben, die aus "einfachen Verhältnissen" stammen und von sich erzählen, dass sie gerade darum mehr leisten mussten und entsprechend erfolgreich wurden.

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Individuelle Wertvorstellungen

Die Wertvorstellungen der Eltern beinhalten immer auch Regeln und somit Grenzen, ganz unabhängig davon, ob es sich um religiöse oder philosophische Werte handelt. Und auch wenn Sie zum Beispiel der Meinung sind, dass speziell Ihre Werte bloss aus den Naturgesetzen folgen, sind Sie trotzdem persönlich gefärbt. Das ist an sich auch völlig unproblematisch, bloss sollten Sie sich zum einen bewusst sein, dass Kinder ohne solche Werte zur Welt kommen und Sie sollten zum anderen die Gelegenheit nutzen, diese Werte auch einmal zu hinterfragen. Denn vieles davon haben Sie vermutlich ganz unbesehen von Ihren Eltern oder im Rahmen Ihrer eigenen Sozialisation übernommen, ohne dass Sie den Sinn dahinter kennen würden, geschweige denn erklären könnten. Gerade Anstandsregeln, welcher Art auch immer, sind ein wunderbares Übungsfeld für Regeln. Kinder werden den Sinn und Unsinn ziemlich schonungslos hinterfragen. Und wenn Sie auf solche Fragen bloss mit "Das macht man einfach so!" antworten, werden Sie ziemlich schnell ein Glaubwürdigkeitsproblem haben. Denn Kinder müssen Regeln verstehen können, ansonsten diese bloss die Hälfte wert sind.

Zu den Wertvorstellungen gehören auch Ansichten zur Moral. Kinder haben aber zum Beispiel noch keinerlei Schamgefühle, während die Eltern meistens ziemlich genaue und vor allem individuelle Vorstellungen davon haben, wo und wann sie sich nur bekleidet, halbnackt oder nackt zeigen, oder von wem sie sich wo und wie berühren lassen. Selbstverständlich dürfen und sollen Sie Ihre Grenzen selbst bestimmen, doch geben Ihnen Kinder die Gelegenheit, Moralvorstellungen, an deren Sinn Sie vielleicht selbst schon zweifelten, zu hinterfragen und allenfalls abzulegen.

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Bedürfnisse der Eltern

Kinder in den beiden ersten Phasen der Erziehung verlangen von ihren Eltern viel. Und vieles davon wird Ihre Freiheit unweigerlich einschränken. Sie werden also nicht darum herumkommen, Ihre eigenen Bedürfnissen ein Stück weit in den Hintergrund zustellen. Gerade wenn Sie nicht mehr ganz so jung sind und sich an einen gewissen Komfort gewöhnt haben, ist das nicht so einfach. Fragen Sie sich deshalb schon vor der Geburt, auf was Sie zumindest vorübergehend verzichten können. Einschränkungen werden Sie vor allem in folgenden Bereichen in Kauf nehmen müssen:

  • Ruhebedürfnis: Ganz ohne Kinderlärm wird es nicht gehen. Eine gewisse Toleranz müssen Sie schon aufbringen können. Allerdings können Sie selbst sehr viel zu einem Mindestmass an Ruhe beitragen, indem Sie den Kindern zum Beispiel ermöglichen, dass sie sich möglichst in der freien Natur austoben können, sodass sie zu Hause viel mehr bereit sein werden, sich zu mässigen.
  • Eigenes Schlafzimmer: Kinder brauchen anfänglich sehr viel Nestwärme, die sie naturgemäss vor allem im elterlichen Bett suchen. Sie werden deshalb einige Kompromisse eingehen müssen, können und sollen dabei aber immer auch auf die natürliche Kooperationsbereitschaft des Kindes zählen.
  • Sexualleben der Eltern: Wenn Sie Ihr Bett mit dem Kind teilen, kann das natürlich auch Ihr Sexualleben einschränken oder positiv ausgedrückt: Ihre Phantasie fordern. Meistens hilft aber bloss, wenn Sie Ihre Kinder zum Beispiel gelegentlich zu den Grosseltern zum Übernachten geben können, sodass Sie auch wieder mal genügend Freiraum haben und Musse entwickeln können.
  • Freizeit der Eltern: Ihre Freizeit wird zumindest in den ersten Jahren, während denen Sie die Kinder noch nicht allein zu Hause lassen können und auch die Fremdbetreuung nicht immer zur Verfügung steht, eingeschränkt. Mildern können Sie das, indem Sie zum Beispiel eher auf getrennte Aktivitäten setzen und sich der hütende Elternteil mit anderen Gleichgesinnten zusammentut.
  • Urlaub: Um Urlaub mit Kindern geniessen zu können, gibt es eigentlich bloss eine Devise: Richten Sie sich nach ihnen, ansonsten wird die "schönste Zeit des Jahres" zum Stress für die ganze Familie. Kultur- und Städtereisen sind denkbar ungeeignet für (Klein)Kinder. Achten Sie auf viel Bewegungsmöglichkeiten in der freien Natur, eine möglichst kurze Anreise zum Urlaubsort und meiden Sie Hotels, die nicht auf Familien ausgerichtet sind, ansonsten Ihre Kinder schnell zu Störenfrieden werden. Wenn es Ihre Finanzen erlauben, können Sie natürlich auch Angebote mit speziellen Kinderprogrammen buchen, sodass Sie zumindest stundenweise Momente für sich allein geniessen können. Auch diese Phase dauert nicht ewig, wenn Kinder zum Beispiel ab dem Schulalter in Ferienkolonien gehen können.
  • Spontaneität: Kinder müssen sich auf ihre Eltern und auf eine gewisse Regelmässigkeit verlassen können, um sich in ihrem Vertrauen in das Leben bestätigt zu fühlen. Wenn Sie bisher eher ein lockeres und spontanes Leben geführt haben, müssen Sie sich nun an einige Verpflichtungen zugunsten Ihrer Kinder gewöhnen.

Bedenken Sie, dass Ihre Bedürfnisse vor allem in den beiden ersten, aber alles entscheidenden, Phasen der Erziehung zu kurz kommen können. Diese Einschränkung während wenigen Jahren sollte es Ihnen aber wert sein, denn damit haben Sie das weitaus wichtigste Ihrer Erziehungsarbeit bereits geleistet und können sich danach auf eine Art Begleitung zurückziehen. Kommen hingegen die Grundbedürfnisse des Kindes in dieser Zeit zu kurz, werden Sie danach ungleich mehr Aufwand, während ungleich längerer Zeit betreiben müssen! Ganz abgesehen davon, dass Sie auch nichts mehr nachholen können.

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Gratwanderung

Kinder verlangen viel von ihren Eltern und zudem mit einer erstaunlichen Selbstverständlichkeit. Allerdings dürfen Sie auch davon ausgehen, dass es von Natur aus nie mehr ist, als Sie zu leisten fähig sind. Sie dürfen und sollen auch "Nein!" sagen, wenn Sie nich mehr mögen. Und Sie dürfen auch Hilfe in Anspruch nehmen, im Idealfall von Ihren Eltern, die in aller Regel gerne dazu bereit sind und wovon alle, Sie, die Kinder und die Grosseltern dazu, nur profitieren können! Es bleibt aber letztendlich eine Gratwanderung, bei der Sie ein Gespür dafür entwickeln müssen, wieviel Sie dem Kind beziehungsweise sich selbst zumuten können. Denn weder können Sie die Grundbedürfnisse des Kindes einfach noch später befriedigen, noch hilft es dem Kind, wenn Sie sich derart überfordern, dass Sie gar nicht mehr in der Lage sind, für Ihre Kinder zu sorgen.

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Weiterführende Themen

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Übergeordnetes Thema

Willensbildung (zweite Phase der Erziehung)

Fragen und Feedback

Das "Zweimalzwei der Erziehung" ist zum Teil noch im Aufbau. Allfällige Fragen oder Feedback sind willkommen: Email

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