Fremdbetreuung

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Unter "Fremdbetreuung" wird hier die regelmässige Tagesbetreuung von Kindern ausserhalb des engeren Familienkreises in den ersten Lebensjahren verstanden. Insbesondere die Betreuung durch Grosseltern wird hier nicht als Fremdbetreuung betrachtet. Im folgenden wird der Einfachheit halber auch von "KITA" (kurz für Kindertagesstätte) gesprochen, womit alle Formen der Fremdbetreuung gemeint sind. Die Fremdbetreuung hat für Kinder Vor- und Nachteile, deren sich Eltern bei ihrem Entscheid bewusst sein sollten.

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Vertrauensbildung (bis etwa 2 Jahre)

Kinder haben während der Phase der Vertrauensbildung noch keine Vorstellung von Zukunft (und auch nicht von Vergangenheit), sie leben voll im Hier und Jetzt. Das heisst zum Beispiel, dass das Kind Ihr Versprechen, dass Sie am Abend wieder kämen, noch nicht verstehen kann: Wenn Sie weg sind, existieren sozusagen nich mehr! Das Kind kann aber nach mehrmaligem Wiederholen die Regelmässigkeit erkennen, etwa wenn Sie mit ihm zum Beispiel spasseshalber Verstecken spielen, indem Sie Ihr Gesicht immer wieder mit einem Tuch verdecken und dann wieder zu seinem grossen Erstaunen hervorkommen.

Das ist denn auch das Hauptproblem bei der Fremdbetreuung von Kleinkindern. Das ist bei den Grosseltern zwar grundsätzlich auch der Fall, doch ist die Grossmutter eben auch Mutter (oder gar die Mutter der Mutter) und dem Kinde meistens auch schon seit der Geburt vertraut. Sie sollten deshalb dem Kind für den Prozess der Trennung vor allem genügend Zeit lassen, sodass es möglichst schrittweise erfahren kann, dass Sie nach einer bestimmten Zeit wiederkommen und es nicht verlassen haben. Seien Sie auch nicht überrascht, wenn das Kind Sie beim Abholen anfangs ablehnt: Viele Kinder reagieren so, weil sie eben voll und ganz in der Gegenwart leben und sich somit gewissermassen schon damit abgefunden haben, dass es Sie gar nicht mehr gibt und beim Wiedersehen mit entsprechendem Erstaunen reagieren.

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Willensbildung (etwa 2 bis 4 Jahre)

Mit dem Beginn der Willensbildung wird das Kind lernen, auch mit Grenzen umzugehen. Und wenn die Vertrauensbasis bereits genügend stark ist, ist der Zeitpunkt für den Schritt von der Familie in die KITA ideal, denn es geht auch immer um ein Überschreiten einer Grenze. Eine Herausforderung, die Kindern gut tut. Idealerweise können Sie mit dem Kind vereinbaren, wann es wohin geht. Denn je mehr das Kind mitbestimmen kann, desto mehr wird es sich für seine Situation verantwortlich fühlen und mit dieser umgehen können. Wichtig ist auch, dass Sie mit dem Kind bereits Regeln geübt haben, denn ein Betreib wie eine KITA ist ganz besonders darauf angewiesen, dass gewisse Regeln bestehen und auch eingehalten werden. Dabei spielt es überhaupt keine Rolle, dass in der KITA andere Regeln als zu Hause gelten. Kinder können damit bestens umgehen. Erwarten Sie aber nicht, dass nun einfach die KITA dem Kind den Umgang mit Grenzen und Regeln beibringt, weil Sie bis jetzt vielleicht zu bequem dafür waren. Es geht dabei um eine primäre Aufgabe der Eltern, die Sie nicht einfach delegieren dürfen!

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Abschied nehmen und Wiedersehen

Trennung und Verlassen werden

Wenn das Kind in die KITA geht, sind die Momente des Abschieds und des Wiedersehens entscheidend: Lassen Sie den Moment des Loslassens möglichst durch das Kind bestimmen (und nicht etwa durch Ihre Agenda oder einen Fahrplan). Sobald das Kind genügend Vertrauen in die neue Umgebung gefasst hat, wird es loslassen können und sich von Ihnen entfernen und häufig weder einen Abschiedskuss noch sonst irgendetwas brauchen. Denn das Kind hat sich mit grösster Wahrscheinlichkeit schon auf dem Weg zur KITA von Ihnen verabschiedet, da es schon nach wenigen Malen gelernt hat, was auf es zukommt. Wenn Sie sich in der KITA hingegen wieder dem Kind zuwenden und es zu einem Abschiedsritual ermuntern (oder gar zwingen) wollen, holen Sie es wieder aus der eben erst gewonnenen Sicherheit heraus und es fühlt sich womöglich hin- und hergerissen, sodass der Abschied dann schwierig werden kann.

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Leben im Hier und Jetzt

Umgekehrt, das heisst wenn Sie das Kind wieder abholen, wird es möglicherweise auch noch eine gewisse Zeit brauchen, bis es wieder auf Sie zukommt: Vielleicht ist es gerade noch in ein Spiel vertieft oder fühlt sich derart wohl, dass es nun nicht so schnell wieder etwas Neues will. Kinder leben in den ersten Jahren noch völlig im Hier und Jetzt. Es ist also nur ein gutes Zeichen, wenn das Kind Sie nicht vermisst hat und nicht sofort auf Sie zugestürmt kommt, bloss weil Sie plötzlich - und für das Kind kaum vorhersehbar - wieder auftauchen. Das Wiedersehen kann für das Kind also genauso schwierig sein wie das Verabschieden. Lassen Sie ihm auch dafür Zeit und warten Sie, bis es sich wieder auf Sie einlassen kann, statt es zum Beispiel gleich mit Ihren nächsten Vorhaben oder Fragen zu bedrängen. Weil Kinder so sehr im Hier und Jetzt leben, haben sie häufig auch nicht das geringste Bedürfnis vom Erlebten in der KITA zu berichten. Betrachten Sie das grundsätzlich als gutes Zeichen. Wenn es etwas Belastendes erlebt hätte, würde es das von sich aus gerne loswerden und Ihnen davon erzählen.

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Verlustangst der Eltern

Nicht zuletzt haben manche Eltern ihrerseits Angst vor der Trennung, was Kinder natürlich sofort spüren und nur allzu leicht übernehmen. Sie sollten sich deshalb schon sicher sein, ob Sie die Fremdbetreuung wirklich wollen, ansonsten sich der Abschied jeweils sehr schnell verkomplizieren wird. Achten Sie also auch auf Ihr eigene Gespür.

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Angewöhnungsphase

Der Schritt von der vertrauten Familie in eine KITA kann für Kinder gross sein. Sie sind sich noch nicht gewohnt, dass sich plötzlich alles ändern kann: Eine andere Umgebung, andere Menschen, andere Gerüche, anderes Essen und andere Regeln, einfach alles neu und anders. Die meisten KITA's bieten deshalb an, dass Kinder, vor allem Kleinkinder, mit kleinen Schritten eintreten können, also zum Beispiel stundenweise oder anfangs mit elterlicher Begleitung. Dabei hilft dem Kind die natürliche Neugier, sodass es schnell positive Erlebnisse sammeln kann und sich beim nächsten Mal vielleicht bereits freuen kann. Lassen Sie dem Kind unbedingt genügend Zeit, ansonsten die Gefahr gross ist, dass es überfordert wird und gar nicht mehr will. Schliesslich sollten Sie wenn möglich auch die Option offen halten, dass eine Fremdbetreuung doch nicht oder noch nicht die richtige Lösung für das Kind oder für Sie selbst ist.

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Vor- und Nachteile der Fremdbetreuung

Die Fremdbetreuung hat gegenüber der Betreuung durch die Eltern sowohl Vor- als auch Nachteile.

Entlastung der Eltern

Die Entlastung der Eltern ist der offensichtlichste Vorteil und in der Regel ja auch überhaupt erst der Anlass für die Fremdbetreuung. Auch wenn dieser Vorteil zunächst den Eltern zukommt, darf nicht unterschätzt werden, wie wichtig es gerade auch für deren Kinder ist, dass ihre Eltern nicht überfordert sind, sondern genügend Kraft haben um ihren Erziehungsaufgaben nachzukommen. Erschöpfte Eltern sind keine Hilfe für die Kinder und können ihnen im Extremfall sogar gefährlich werden.

Stellen Sie sich aber auch die Frage, inwiefern es zum Beispiel nötig ist, dass beide Elternteile einer beruflichen Tätigkeit nachgehen: Genügt ein Einkommen wirklich nicht oder geht es vielleicht bloss darum, den Luxus weiterführen zu können, den Sie vor der Familiengründung gewohnt waren? Darauf gibt es natürlich je nach persönlicher Situation verschiedene Antworten, doch ist es wichtig, sich zumindest die Frage zu stellen und sich klar zu werden, wo die Prioritäten liegen. Denn nachholen können Sie später rein gar nichts: Die ersten Jahre sind für das Kind und Ihre Beziehung zu ihm absolut essentiell!

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Frühzeitige Sozialisation

An sich beginnt die Sozialisation erst nach den ersten beiden Phasen der Erziehung, also mit dem Eintritt in die (Vor)Schule, etwa im fünften Lebensjahr. Wenn Kinder schon zuvor in die KITA gehen, lernen sie also schon sehr früh mit anderen Regeln umzugehen und auf Bedürfnisse anderer Kinder Rücksicht zu nehmen. Das ist sicher ein Vorteil, kann aber je nach Persönlichkeit des Kindes eine Überforderung sein. Einen offensichtlichen Vorteil hat die Fremdbetreuung natürlich für Einzelkinder, die dort gewissermassen einen Ersatz für Geschwister finden.

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Eltern-Kind-Beziehung

Kinder brauchen gerade in den ersten Jahren stabile Verhältnisse, auf die sie sich verlassen können, ansonsten ihr Vertrauen sehr schnell beeinträchtigt werden kann, was sich wiederum auf ihr Selbstvertrauen auswirkt. Und Betreuungspersonen übernehmen in dieser Zeit eine Erziehungsfunktion, wodurch automatisch Beziehung entsteht. Das kann einerseits eine Bereicherung für das Kind sein, kann aber andererseits sozusagen auf Kosten der Beziehung zwischen den Eltern und dem Kind gehen. Heikel wird es vor allem dann, wenn die Betreuungspersonen, zu denen das Kind eine Beziehung aufgebaut hat, zu oft wechseln.

Fremdbetreuung ist immer eine Trennung, wenn auch zeitlich begrenzte, die ein intaktes Vertrauensverhältnis zwischen Eltern und Kind voraussetzt, ansonsten die Beziehung nachhaltig gestört werden kann. Bei Kleinkindern ist deshalb besondere Vorsicht geboten, da sie noch voll im Hier und Jetzt leben und sich deshalb sehr schnell verlassen fühlen können.

Kinder sind schliesslich schon von Natur aus sehr kooperativ, das heisst wenn Sie ihnen offen und ehrlich sagen, weshalb Sie sie in die KITA bringen ("Ich muss arbeiten gehen, damit wir genügend Geld für das Essen haben."), können sie dafür mehr Verständnis aufbringen und sich mehr und mehr auf die Abwechslung freuen. Hingegen hilft zum Beispiel ein schlechtes Gewissen weder den Eltern noch dem Kind.

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Wahl der Fremdbetreuung

Bei der Wahl der Fremdbetreuung werden in erster Linie praktische Bedürfnisse wie ein optimaler Weg zur Arbeit im Vordergrund stehen. Nebst den äusseren Bedingungen ist es aber mindestens so wichtig, dass Sie als Eltern ein gutes Gefühl zum Beispiel gegenüber den Betreuungspersonen oder den pädagogischen Prinzipien der Einrichtung haben. Gerade die beiden ersten Phasen der Erziehung sind für das Kind, aber auch für seine Beziehung zu Ihnen, entscheidend. Sie müssen sich also bewusst sein, dass Sie mit der Fremdbetreuung immer auch ein Stück Beziehung an die Betreuungspersonen abgeben.

KITA's sind schliesslich auch eine gute Möglichkeit für das Kind, mit Regeln umzugehen, zumal sich diese häufig von denen in der Familie unterscheiden: Es lernt unterschiedliche Grenzen seiner Umwelt zu respektieren. Bedenken Sie aber, dass Sie dadurch nicht etwa von Ihrer eigenen Verantwortung befreit werden, dem Kind selbst angemessen Grenzen zu setzen. Es ist vielmehr so, dass der Betrieb einer KITA darauf anweisen ist, dass die Kinder von zu Hause aus bereits ein Mindestmass an Respekt mitbringen.

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Fragen und Feedback

Das "Zweimalzwei der Erziehung" ist zum Teil noch im Aufbau. Allfällige Fragen oder Feedback sind willkommen: Email


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