Fähigkeiten

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Der Glaube der Eltern an die Fähigkeiten des Kindes ist absolut elementar. Und am Anfang häufig gar nicht so einfach: Menschenkinder sind ja bei Geburt vollständig von der Sorge der Eltern abhängig. Umso wichtiger ist es gerade deshalb, dass die Eltern den unglaublichen Fähigkeiten des Kindes, die in ihm schlummern, also seinem ganzen Potential, möglichst von Anfang an vertrauen lernen. Denn genau daraus entwickelt das Kind im sein Selbstvertrauen, der wichtigsten Kraft des Menschen nebst seinem Willen.

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Fähigkeiten und Veranlagung

Eines der grössten Missverständnisse bei der Erziehung ist die Meinung, dass den Kindern zuerst alles gelehrt werden müsste. Dabei bringt das Kind schon von Natur aus alles mit, was es für sein Leben braucht. Denn die Fähigkeiten sind Teil der Persönlichkeit des Kindes und schlummern gewissermassen bereits im Kind selbst. Sie wollen bloss noch geweckt und entwickelt werden.

Es ist einzig das Kind, das wirklich weiss, was es wann braucht. Als Eltern müssen Sie nur lernen, dem Kind zu vertrauen. Das beginnt schon gleich nach der Geburt, wenn das Kind die Mutterbrust sucht und zu saugen beginnt. Natürlich haben Sie als Eltern eine Vorstellung davon, wie das am besten geht, doch werden Sie schon bald feststellen, dass das Kind Dinge anders angeht, als Sie es sich vorgestellt haben. Es bringt eben seine eigene Persönlichkeit mit. Lassen Sie sich überraschen und staunen Sie, wie das Kind zum Beispiel herausfindet, wie es am besten den Löffel ergreift und zum Mund führt! Oder gar herausfindet, dass es ohne Löffel, dafür gleich mit Gabel und Messer besser geht.

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Entwicklung der Fähigkeiten

Die Fähigkeiten entwickelt das Kind selbst und von allein. Das einzige, was es braucht, ist Ihre Aufmerksamkeit. Hilfe braucht es hingegen nur dann, wenn es diese verlangt. Freuen Sie sich mit ihm, wenn es es etwas ausprobiert oder nachzuahmen versucht. Jedes Kind hat seine ganz eigene Art und Weise, wie es lernt.

Zumindest in den ersten Jahren sollte das Kind auch frei lernen dürfen: So wie das Kind von selbst irgendwann auf die Idee kommt, laufen oder sprechen zu lernen, sollte es auch selbst entscheiden dürfen, wann der richtige Zeitpunkt gekommen ist, um zum Beispiel auf den Schnuller zu verzichten oder die Schuhe selbst zu schnüren. Wenn das Kind dann aber beginnt mit den Schnürsenkeln zu hantieren, müssen Sie auch die Geduld aufbringen können, ihm zuzuschauen und zu warten, bis es es Sie fragt, ob Sie ihm helfen können (und vielleicht befindet es das Schuhe binden dann doch noch etwas zu anspruchsvoll und will zuerst etwas anderes lernen). Vergleichen Sie Ihr Kind dabei nicht mit dem Nachbarskind: Jedes Kind ist individuell und hat seinen eigenen "Plan" (je nach Überzeugung können Sie auch von einem Schicksal sprechen). Die Bemerkung zum Kind, dass seine Neffe schon dies oder jenes könne, ist eine Art von Missachtung, die dem Kind das Gefühl von "ungenügend" gibt und somit seinem Selbstvertrauen alles andere als dienlich ist. Denn in den ersten Jahren ist das Kind noch sehr auf sich selbst bezogen und wird deshalb Vergleiche nicht als Herausforderung annehmen, sondern als Geringschätzung seiner selbst empfinden. Freuen Sie sich also an den Fähigkeiten Ihres Kindes, auch wenn diese nicht dem Durchschnitt entsprechen (und auch nicht sollen!).

Fähigkeiten müssen auch nicht irgendwie durch spezielle Spielzeuge oder gar Kurse gefördert werden, wie viele Eltern meinen. Häufig wäre das sogar ausgesprochen kontraproduktiv, da nur das Kind wirklich weiss, was es gerade braucht. Darauf sollten Sie zumindest so lange vertrauen, wie das Kind noch nicht in die (Vor)Schule geht, wo es Lehrplänen unterworfen ist, die bestenfalls den durchschnittlichen Bedürfnissen entsprechen (können). Wenn Sie schon fördern wollen, dann ganz einfach indem Sie Ihrem Kind und seinen Fähigkeiten vertrauen, ganz gleich ob es irgendwo hinaufklettert oder irgendwelche Puzzles zusammensetzen will.

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Vielfältigkeit der Fähigkeiten

Leider werden Kinder heutzutage häufig schon im Vorschulalter auf ihren "Entwicklungsstand" untersucht und aufgrund irgendwelcher Durchschnittszahlen für genügend oder ungenügend befunden. Das macht aber höchstens in Bezug auf eine ganz bestimmte Qualifikation Sinn (wenn zum Beispiel abgeklärt werden soll, ob das Kind Automechaniker werden soll). Solche Qualifikationen haben aber nichts mit der eigentlichen Erziehung zu tun, da sie erst lange nach der alles entscheidenden Phase von Bedeutung werden und mehr von den gesellschaftlichen Bedürfnissen denn von jenen des Kindes bestimmt werden. Zumindest in den ersten Jahren sollte das Kind aber noch keinen gesellschaftlichen Anforderungen genügen müssen, sondern zunächst einmal seine für das Leben wichtigsten Fähigkeiten, also Selbstvertrauen und Wille, entwickeln.

Für die Entwicklung des Kindes sollte der Fächer an Fähigkeiten also möglichst weit gefasst werden: Es gibt weder viel noch wenig, weder gute noch schlechte Fähigkeiten, sondern das Kind hat immer genau die Fähigkeiten, die es für sein Leben braucht. Und da jedes Kind eine individuelle Persönlichkeit hat, ist es auch mit seinen ganz individuellen Fähigkeiten ausgestattet. Das mag beim einen Kind ein grosses Zahlenverständnis sein, beim anderen ein besonderes handwerkliches Geschick und wieder bei einem anderen die Fähigkeit seine Umwelt zum Lachen zu bringen. Für Sie als Eltern ist einzig entscheidend, dass Sie das Vertrauen aufbringen können, dass Ihr Kind schon von Geburt an mit allem ausgestattet ist, das es braucht. Gerade Eltern von Kindern mit körperlichen oder geistigen Behinderungen machen immer wieder die Erfahrung, dass ihr Kind ganz spezifische Fähigkeiten hat, die bei "gesunden" Kindern kaum festgestellt werden können.

Zumindest in den entscheidenden Jahren müssen Sie sich also weniger darum kümmern, welche Fähigkeiten das Kind gerade entwickelt, sondern Sie dürfen sich in erster Linie darüber freuen, dass es gerade wieder etwas Spannendes gelernt hat. Wenn in diesem Wiki von Fähigkeiten gesprochen wird, ist damit insbesondere folgendes gemeint (in alphabetischer Reihenfolge):

Alle diese Fähigkeiten sind zumindest in den ersten vier, alles entscheidenden Lebensjahren absolut gleichwertig, oder noch besser: sollten weder gewertet noch verglichen werden! Fähigkeitszeugnisse nach normierten Kriterien aller möglicher Institutionen kommen später noch mehr als früh genug.

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Grenzen

Andererseits sollten Sie aber auch nicht der Versuchung verfallen, jeden Schabernack des Kindes als eine "besondere Begabung" zu betrachten. Wenn das Kind zum Beispiel beginnt die tapezierten Wände zu bemalen, müssen Sie sich schon die Frage stellen, ob Sie das tolerieren wollen oder nicht und allenfalls einschreiten. Denn das Kind braucht auch Grenzen. Wenn Sie festlegen, wo das Kind malen darf und wo nicht, schränken Sie zudem nicht etwa seine Fähigkeiten ein, sondern ganz im Gegenteil: Sie fordern von ihm eine zusätzliche Anstrengung (zum Beispiel die Beschränkung auf ein Blatt Papier). Und genau diese Anstrengung stärkt wiederum ganz nebenbei seinen Willen!

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Behinderung

Fähigkeiten brauchen also nicht irgendwie gefördert zu fördern, sondern Sie können es dem Kind überlassen, wie und wann es diese entwickelt. Hingegen besteht die Gefahr, dass Eltern ihre Kinder an der Entwicklung hindern. In aller Regel steckt da natürlich keine böse Absicht dahinter, ganz im Gegenteil, es handelt sich wohl mehr um Missverständnisse. Folgendes wirkt sich ausgesprochen kontraproduktiv auf die Entwicklung der Fähigkeiten des Kindes aus:

Es geht dabei vor allem um mangelndes Vertrauen der Eltern in das Kind: Versuchen Sie sich möglichst zurückzuhalten, wenn das Kind etwas Neues ausprobiert - es wird Sie schon von sich aus um Hilfe bitten, wenn es diese braucht!

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Unter- und Überforderung

Die Frage, zu was Kinder (schon) fähig sind und zu was (noch) nicht, ist einzig deshalb wichtig, weil die Fähigkeiten häufig über- oder unterschätzt werden, was entsprechend zu Über- oder Unterforderung führt. Beides ist notabene genau gleich hinderlich für die Entwicklung des Selbstvertrauens. Deshalb gibt es nur eine vernünftige Haltung für Eltern: Ihr Kind hat erstens genau die Fähigkeiten, die es für sein Leben braucht, nicht mehr und nicht weniger. Und zweitens entwickelt Ihr Kind diese Fähigkeiten ganz von alleine!

Lassen Sie deshalb das Kind entscheiden, ob es zum Beispiel seine Kleider selbst an- oder ausziehen will. Wichtig dabei ist nicht, wann das Kind auf die Idee kommt, es zu versuchen (es wird garantiert irgendwann auf die Idee kommen!), sondern dass Sie seinen Entscheid respektieren. Das gilt auch dann, wenn Ihnen der erste Versuch des Kindes ungelegen kommt, weil Sie meinen, es gerade besonders eilig zu haben. Das Kind wird es zwar nochmals versuchen, doch besteht eben die Gefahr, dass es irgendwann resigniert, wenn Sie ihm dauernd zuvorkommen. Unterforderung führt zudem zu Bequemlichkeit und Willensschwäche.

Umgekehrt werden Kinder häufig auch überfordert. Offensichtlich ist das, wenn ein Kind zum Beispiel gedrängt wird etwas zu tun, obwohl es Angst hat. Selbstverständlich dürfen Sie Ihr Kind ermutigen, zum Beispiel einen Fremden zu fragen, weshalb er raucht. Doch wenn es Angst hat, müssen Sie das respektieren, denn nur so kann das Kind ein Gespür dafür entwickeln, was ihm gut tut und was nicht (was nebenbei die besten Prävention gegen Missbrauch aller Art ist!). Überforderung kommt häufig ziemlich subtil daher, zum Beispiel in Form von Drohungen, Ironie oder fehlenden Grenzen. Wenn ein Kind dauernd überfordert wird, beginnt es irgendwann an seinen Fähigkeiten zu zweifeln und reagiert mit Verwirrung, Frustration oder auch Wut. Denn es wird nicht so angenommen, wie es ist, was das Kind als Liebesentzug empfindet.

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Entwicklungstabellen und Lehrpläne

Kümmern sie sich nicht darum, ob Ihr Kind in irgendwelche Schemen von Entwicklungstabellen oder Lehrplänen passt, die ja immer bloss von Durchschnittswerten oder bestenfalls von Bandbreiten ausgehen: Ihr Kind soll nicht durchschnittlich werden, sondern einmalig bleiben! Durchschnittswerte mögen für medizinische oder psychologische Abklärungen interessant und nützlich sein. Zahlengläubigkeit hat mit Erziehung aber nichts zu tun.

Das sollte zumindest in den ersten vier entscheidenden Jahren des Kindes gelten. Später, insbesondere mit der Einschulung oder gar mit der Berufswahl, werden allgemeingütige Kriterien für Abklärungen aller Art schon aus praktischen Gründen unumgänglich. Damit kommen Jugendliche auch durchaus und ohne weitere Probleme zurecht, jedenfalls wenn sie sich wenigstens in den ersten Jahren frei entwickeln durften!

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Weiterführende Themen

Übergeordnetes Thema

Vertrauensbildung (erstes Phase der Erziehung)

Fragen und Feedback

Das "Zweimalzwei der Erziehung" ist zum Teil noch im Aufbau. Allfällige Fragen oder Feedback sind willkommen: Email

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