Erfolg

Aus 2 x 2 der Erziehung
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Solange sich ein Kind entwickelt, was es in den ersten Jahren ja in einem unglaublich rasanten Tempo tut, ist sein Leben eine einzige Aneinanderreihung von Erfolgen. Da Kinder in diesem Alter aber noch keine Ziele haben, zumindest keine expliziten, freuen sie sich an allem, was ihnen gelingt, also zunächst einmal unabhängig davon, ob das Erreichte den Eltern gefällt oder nicht! Je nach Bestätigung, die das Kind von seinen Eltern erhält, lernt es aber sehr schnell, welche Erfolge es wert sind, wiederholt zu werden.

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Schwangerschaft und Geburt

Um sich der Bedeutung von Erfolg bewusst zu werden, können Sie sich das Thema zunächst einmal rein biologisch vergegenwärtigen: von mehreren Hundert Millionen Spermien des Mannes erreichen gerade einmal einige Hundert den Eileiter der Frau und nur einem einzigen Spermium wird es gelingen, sich mit einer Eizelle zu verbinden. Und als ob das nicht schon genug der Auslese wäre, sind nach der Empfängnis noch einige weitere Hürden zu überwinden, bis ein Embryo entsteht. Gewissermassen als krönender Abschluss der Schwangerschaft steht dann noch die Geburt bevor, bei der es sprichwörtlich um Leben und Tod geht (auch wenn die heutige Medizin dafür gesorgt hat, dass die Säuglingssterblichkeit drastisch gesunken ist). Hat das Kind auch das noch geschafft, ist das ein unermesslich grosser Erfolg, sowohl für das Kind als auch für die Mutter! Und es ist vor allem ein gemeinsamer Erfolg, dann beide müssen bei der Geburt miteinander kooperieren, ansonsten es nicht ohne Fremdeinwirkung geht. Auch der nächste grosse Schritt, das Stillen des Kindes, wird nur klappen, wenn die Mutter der Kooperationsbereitschaft des Kindes vertraut.

Der Gedanke des gemeinsamen Erfolgs sollte auch künftig, also vor allem während den alles entscheidenden ersten Jahre massgebend sein. Das Kind will spüren, dass die Eltern seinen Fähigkeiten vertrauen und sich an seinen Erfolgen erfreuen. Und es braucht Ihre Zustimmung für die Erfolge, die für sein Leben erstrebenswert sind. Jede Bestätigung bewirkt, dass sich das Kind noch mehr anstrengt und entsprechendes Selbstvertrauen gewinnen kann.

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Vertrauensbildung (bis etwa 2 Jahre)

Jede Bewegung, die besser gelingt, jedes Wort, das runder aus seinem Mund kommt, ist für das Kind ein Erfolg und somit eine Freude. Freudig fühlt es sich aber auch, wenn ihm zum Beispiel etwas gelungen ist, das es aus irgendwelchen Gründen nicht hätte tun sollen. Denn Erfolge sind aus Kindersicht zunächst einmal wertneutral, das heisst, Kinder können noch keine Rücksicht darauf nehmen, ob das Ziel, das sie gerade erreicht haben, auch ihrer Umgebung passt: eine Himbeere am Strauch kann ebenso verlockend sein wie eine teure Brille auf der Nase des Onkels. Das Kind freut sich schlicht daran, dass es ihm gelungen ist etwas zu ergattern. Diese Freude sollten Sie dem Kind in den ersten beiden Jahren, das heisst in der Phase der Vertrauensbildung, auch möglichst lassen (wenn dem nicht gerade eine wirkliche Gefahr entgegensteht).

Sie sollten sich deshalb erstens fragen, was Sie tolerieren können und was nicht: Darf zum Beispiel das Sofa zum üben von Purzelbäumen genutzt werden oder ist Ihnen der Bezug zu schade? Im Zweifel sollten Sie dem Kind den Vorrang geben und Ihre Wohnung zumindest in den ersten Jahren mehr nach den Bedürfnissen der Kinder als nach Ihren ästhetischen Vorstellungen einrichten. Und zweitens gibt es natürlich für das Kind auch Gefahren, vor denen Sie es behüten müssen. Dabei sollten Sie aber auch lernen, echte Gefahren von blossen Bagatellgefahren zu unterscheiden. Die allermeisten Gefahren sind nämlich völlig harmloser Natur, das heisst, das Kind tut sich im schlimmsten Fall weh, weil es hinfällt oder sich anschlägt. Diese Erfahrungen müssen Sie dem Kind unbedingt belassen, ansonsten es nicht lernen kann! Nur wenn das Kind zum Beispiel selbst erfahren hat, wie es den Löffel in den Mund führt, findet es den besten Weg für sich heraus. Wenn Sie hingegen immer wieder nachhelfen, ist das höchst kontraproduktiv: Denn offensichtlich vertrauen Sie den Fähigkeiten des Kindes zu wenig, sodass es sich schliesslich gar nicht über seine eigene Leistung erfreuen kann, sondern im besten (!) Fall wütend wird, weil es nicht selbst ausprobieren durfte. Im schlimmsten Fall beginnt es irgendwann sogar zu resignieren. Mangelndes Vertrauen der Eltern in das Kind behindert dessen Selbstvertrauen. Überlassen Sie es also dem Kind, was es ausprobieren will und trösten Sie es dafür, falls es sich dabei mal weh tut, traurig oder wütend wird, weil ihm etwas nicht auf Anhieb gelungen ist. Echter Trost ist hundertmal wichtiger als die dauernde Vermeidung von Schmerzen!

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Willensbildung (etwa 2 bis 4 Jahre)

Kinder kommen gänzlich ohne Grenzen zur Welt. Es kann deshalb zum Beispiel ein Erfolg für den älteren Bruder sein, wenn er der kleineren Schwester das begehrte Spielzeug entreissen kann. Rücksicht dürfen Sie von Ihrem Kind nicht einfach erwarten oder gar voraussetzen, schon gar nicht, wenn es beginnt seinen Willen zu entwickeln. Es liegt deshalb an Ihnen zu intervenieren, indem Sie laut und deutlich "Nein!" sagen. Das können, ja müssen, Sie dem Kind zumuten.

Wenn das Kind in der ersten Phase seines Lebens genügend Selbstvertrauen aufbauen konnte (weil Sie es seine Erfolge selbst erfahren lassen konnten), wird es nun auch fähig sein, Grenzen zu akzeptieren lernen, ohne dass es sich gleich unfähig oder gar ungeliebt fühlen würde. Vielmehr wird sein Wille gewissermassen kultiviert und es kann diesen so einsetzen, dass es auch die Bedürfnisse seiner Umwelt respektieren kann. Zu Beginn dieses Prozesses müssen Sie das als Eltern dem Kind sehr klar und eindeutig zeigen. Da hilft weder bitten noch der Ruf nach Anstand oder gar fragen etwas, da ist von Ihnen einzig und allein Klartext gefordert! Erst wenn Sie dem Kind gelehrt haben, Grenzen von sich aus zu erkennen und einzuhalten, können Sie die Zügel wieder etwas lockern. Kinder mit genügend Selbstvertrauen und einem kultivierten Willen haben wiederum die besten Voraussetzungen um erfolgreich zu sein, dass heisst, nicht nur zu erreichen, was sie anstreben, sondern gleichzeitig das, was auch zum Wohl ihrer Mitmenschen ist. Oder anders gesagt: Sie sind reif, um selbständig und beziehungsfähig zu werden.

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Sozialisation bis Pubertät (etwa 4 bis 16 Jahre)

Mit der Sozialisation, insbesondere dem Eintritt in die (Vor)Schule, muss sich das Kind auch ausserhalb der Familie mit seiner Persönlichkeit behaupten können. Es will seine Kräfte und Geschicklichkeit mit anderen Kindern messen oder Beziehungen mit seinen bevorzugten Kollegen aufbauen. Dabei will es natürlich auch erfolgreich sein. Aus blossem Spiel entsteht mehr und mehr auch ein Wettkampf oder ein Wettbewerb. Seine Kameraden werden ihm aber nicht mehr, wie einst seine Eltern, gütig den Vortritt lassen, sondern sich auch durchsetzen wollen. Um auch in dieser ausserfamiliären Umgebung bestehen zu können, muss das Kind ein Mindestmass an Reife mitbringen, ansonsten es schnell auf Schwierigkeiten im Umgang mit seinen Kollegen und Kameraden stossen wird. Reif ist das Kind, wenn es einerseits seine Persönlichkeit ausleben und andererseits seine Umwelt respektieren kann.

Danach wird sich das Kind nämlich eigene Ziele setzen und selbst bestimmen, was es für Erfolg hält, was es es anstrebt. Das ist auch gut so, zumal es ja nach und nach ausserhalb Ihres Einflussbereichs lebt. Es wird sich vermehrt Vorbilder in der Schule, im Training oder im Musikunterricht aussuchen. Wenn Sie gelernt haben, in den ersten vier Jahren dem Kind und seinen Fähigkeiten zu vertrauen, können Sie sich nun zurücklehnen und dem Kind überlassen, welche Erfolge es sucht!

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Erwachsenwerden (etwa 16 bis 25 Jahre)

Was schon zuvor galt, gilt in der Phase der Berufsfindung noch viel mehr: Das Glück und die Zufriedenheit des Jugendlichen ist sein eigenes und sollte mit den Vorstellungen der Eltern möglichst wenig zu tun haben. Als Eltern sollten Sie sich über das freuen können, was Ihrer Tochter oder Ihrem Sohn Freude macht und nicht über den Erfüllungsgrad Ihrer eigenen Erwartungen. Sie müssen sich also nochmals loslösen und den Gedanken definitiv aufgeben, dass Sie doch genau wüssten, was für Ihre Kinder gut sei. Und zwar besonders dann, wenn Sie selbst mit Ihrem eigenen Leben nicht wirklich zufrieden sind oder den Eindruck haben, dass es das Schicksal nicht so gut mit Ihnen meinte und Sie doch nur das Beste für Ihr Kind wollten. Die Gefahr ist dann nämlich besonders gross, dass Sie Ihre eigenen Sehnsüchte auf die Kinder projizieren und sich diese später zuerst mühsam davon lösen müssen, bis sie sich selbst sein können.

Besonders heikel wird es, wenn Sie ein eigenes Geschäft haben und sich eine familieninterne Nachfolge wünschen. Das ist zwar sehr verständlich und naheliegend, doch sollten Sie sich dabei immer auch die natürlich Entwicklung von Kindern bewusst sein: Das Kind muss sich zuerst einmal von seinen Eltern loslösen können um wirklich selbständig zu werden. Und das ist ein Vorgang, den das Kind eben zwingend selbst machen muss, also ohne jegliche Hilfe oder gar Anweisung der Eltern. Erst wenn der junge Erwachsene eigene Berufserfahrungen machen konnte, ist er wieder frei zu entscheiden, ob er das Geschäft seiner Eltern übernehmen will. Der Gedanke der Selbständigkeit sollte also nicht nur für das berufliche Leben der Eltern gelten, sondern erst recht für eine allfällige Nachfolge der Kinder im elterlichen Betrieb. Wenn umgekehrt ein junger Mensch einfach in das "gemachte Nest" einsteigen darf (oder muss), ist die Gefahr gross, dass er scheitern wird, da er die nötigen unternehmerischen Fähigkeiten gar nie erlernen konnte. Denn zu diesen gehören eben zwingend eigene Erfahrungen, Misserfolge inklusive, abseits der elterlichen Obhut. Wenn Sie sich also wünschen, Ihren Betrieb den Kindern übergeben zu können, tun Sie gut daran, diese zunächst einmal in die "weite Welt" hinaus zu schicken und erst danach mit Ihnen über eine allfällige Nachfolge zu sprechen.

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Erfolge und Misserfolge

Die Leistungsorientierung der westlichen Gesellschaften bringt häufig die Versuchung mit sich, Kinder schon früh an irgendwelchen Standards, Entwicklungstabellen oder Lehrplänen zu messen. Davor sollten Sie sich zumindest in den ersten, entscheidenden Lebensjahren hüten. In dieser Zeit gibt es für ein Kind, das gerade daran ist, die wichtigsten Fähigkeiten für sein Leben zu lernen, nämlich Selbstvertrauen und (freier) Wille, ausschliesslich Erfahrungen, und zwar weder positive noch negative. Erfahrungen können dem Kind Freude, aber auch Schmerz bereiten, doch sind es immer Erfahrungen, aus denen das Kind lernt. Halten Sie sich deshalb zurück mit Lob oder Tadel, freuen Sie sich, wenn dem Kind etwas gelingt und trösten Sie es, wenn es schreit, weil es sich dabei weh getan hat.

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Erfolg des Kindes und Erfolg der Eltern

Eltern wollen für ihr Kind häufig und gerne "nur das Beste". Und aus ihrer Erfahrung glauben sie denn auch zu wissen, um was es dabei geht, sei es der gute Abschluss an der richtigen Schule, sei es der Unterricht bei der besten Geigenlehrerin am Ort. Leider kommt da die (höchst individuelle!) Persönlichkeit des Kindes regelmässig zu kurz. Wohl gibt es verschiedene Methoden und Möglichkeiten, Kinder zu Tennisstars oder Ballerinas zu treiben, doch ist der Preis, den das Kind später dafür bezahlen muss, hoch: Das Kind hat sich nach den Wünschen der Eltern entwickelt und nicht nach seiner Veranlagung. Es wird sich früher oder später, sicher aber ziemlich radikal, in Frage stellen, weil es gar nicht weiss, wer es eigentlich ist und was es will. Ganz nebenbei leidet natürlich auch die Beziehung zwischen den Eltern und dem Kind, denn ein Kind, das immer nur Zuwendung erhält, wenn es nach den Vorstellungen der Eltern erfolgreich ist, erfährt kein echtes Vertrauen und kann entsprechend wenig Selbstvertrauen entwickeln.

Als Eltern sollten Sie sich deshalb schon früh bewusst werden, dass Ihr Erfolg lediglich darin bestehen kann, dass das Kind zufrieden und glücklich mit dem ist, was es selbst erreicht. Das ist immer dann der Fall, wenn sich das Kind entsprechend seinen selbst entdeckten Fähigkeiten entwickeln darf und selbst ausprobieren darf, was ihm entspricht und was nicht. Demgegenüber ist Ihre Erziehungsarbeit dann erfolgreich, wenn Sie in den ersten, alles entscheidenden, Phasen der Erziehung gelernt haben, erstens dem Kind, beziehungsweise dessen Grundbedürfnissen und Fähigkeiten zu vertrauen und es Ihnen danach gelungen ist, dem Willen des Kindes angemessen Grenzen entgegenzuhalten. Dann wird das Kind schon nach rund vier Jahren so reif sein, dass Ihre Erziehungsarbeit nahezu erledigt ist und Sie sich mehr und mehr auf eine Art Begleitung beschränken können. Mehr - aber auch nicht weniger! - braucht es nicht.

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Fragen und Feedback

Das "Zweimalzwei der Erziehung" ist zum Teil noch im Aufbau. Allfällige Fragen oder Feedback sind willkommen: Email


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