Beziehung zwischen den Eltern und dem Kind

Aus 2 x 2 der Erziehung
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Es ist wohl selbstredend, dass die Beziehung des Kindes zu seinen Eltern in den ersten Jahren die weitaus wichtigste ist im Leben eines Menschen. Und die Eltern erleben das umgekehrt in aller Regel genau gleich. Die Beziehung ist zwar schon von Natur aus da, muss aber gewissermassen bestätigt werden, ansonsten sie sehr schnell problematisch werden kann. Für diese Bestätigung sind die Eltern allein verantwortlich, es besteht deshalb eine Hierarchie.

Ob der Grund für die Innigkeit und Besonderheit der Eltern-Kind-Beziehung in einer - wie auch immer definierten - Seelenverwandtschaft liegt oder schlicht in biologischen Gegebenheiten ist für die Erziehung nicht von Belang: Es geht immer um die beiden Grundprinzipien, wie sie für jede Beziehung gelten: Vertrauen und Wille, oder anders ausgedrückt: um das "Ja" und das "Nein!". Man kann denn auch durchaus sagen: "Erziehung ist Beziehung", aber eben: mit ein paar Besonderheiten!

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Schwangerschaft und Geburt

Am einfachsten ist die Beziehung zum Kind während der Schwangerschaft: Die Mutter braucht sich bloss auf das Kind zu freuen (von allfälligen körperlichen Beeinträchtigungen natürlich abgesehen). Es genügt schon eine gewisse Aufmerksamkeit für das, was im Mutterleib vor sich geht, eine eigentliche Beziehungsarbeit noch nicht nötig. Nützlich wäre hingegen, wenn sich die werdenden Eltern schon während dieser Zeit nicht bloss mit der Einrichtung des Kinderzimmers beschäftigen würden, sondern sich auch schon Gedanken zur kommenden Aufgabe machen würden. Sie könnten sich zum Beispiel folgende Fragen stellen und zusammen besprechen:

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Vertrauensbildung (bis etwa 2 Jahre)

In den beiden ersten Jahren legen Sie als Eltern das eigentliche Fundament jeder Beziehung: Vertrauen. Und Ihre Aufgabe beginnt mit einer ganz bedeutenden Besonderheit: Während nämlich das Kind mit einem grenzenlosen Vertrauen in seine Eltern zur Welt kommt, müssen Sie zuerst einmal lernen, Ihrem Kind zu vertrauen! Ihrem Kind zu vertrauen bedeutet in der Phase der Vertrauensbildung, dass Sie erstens seine Grundbedürfnisse erkennen und diese möglichst immer und sofort befriedigen. Wenn das Kind also schreit, müssen Sie darauf vertrauen, dass es Ihre Hilfe braucht. Zweitens geht es darum, dass Sie lernen, den Fähigkeiten des Kindes vertrauen. Vertrauen Sie darauf, dass es alles bereits in sich hat, was es jemals für sein Leben braucht, Sie müssen ihm bloss die Zeit und den Raum lassen, dass es seine Fähigkeiten selbst entwickeln kann, wenn es nur genügend ausprobieren darf.

Das beginnt schon beim Stillen: Der Säugling verlässt sich vollkommen darauf, dass alles, was er baucht, er durch die Muttermilch erhält. Demgegenüber darf und soll die Mutter vertrauen, dass ihr schreiendes Kind gestillt werden will und auch die Fähigkeit dazu hat. Mit der Zeit sollten die Eltern aber die Mimik und die Gestik des Kindes so weit verstehen lernen, dass das Kind möglichst wenig schreien muss, um seine Bedürfnisse mitzuteilen. Das fordert vor allem Ihre Beobachtungsgabe und Ihre Aufmerksamkeit.

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Willensbildung (etwa 2 bis 4 Jahre)

Mit der Entwicklung des Willens, in der Regel etwa im dritten Lebensjahr, wird Vertrauen allein aber nicht mehr genügen für eine tragfähige Beziehung. Das ist so wie in jeder Beziehung: nur immer "Ja" sagen, genügt nicht, Sie müssen auch "Nein!" sagen können. In Bezug auf Ihr Kind bedeutet dies, dass Sie lernen müssen, dem Willen des Kindes angemessen Grenzen zu setzen. Und auch in dieser Phase gilt es eine Besonderheit in der Eltern-Kind-Beziehung zu beachten: Das Kind kommt nämlich von Natur aus grenzenlos zur Welt. Das heisst, Sie können nicht einfach erwarten, dass das Kind von sich aus seinen Willen beschränken würde. Es liegt vielmehr in Ihrer Verantwortung, dass Sie ihm gewissermassen "den Tarif durchgeben". Das bedeutet allenfalls in die Konfrontation zu gehen und auch den einen oder anderen "Tobsuchtsanfall" ausstehen zu können, beziehungsweise angemessen darauf reagieren zu können. Wenn das Kind also zum Beispiel von einem Tag auf den anderen behauptet, es möge keine Kartoffeln und wolle stattdessen nur noch Pommes Frites, müssen Sie sich zunächst einmal über Ihre eigene Haltung im Klaren werden: Geben Sie dem Wunsch nach oder sind Sie der Meinung, dass Kartoffeln gesünder und deshalb das Richtige für Ihre Kind seien? Falls Sie an den Kartoffeln festhalten wollen, müssen Sie bewusst in die Konfrontation gehen. Das bedeutet zwar nicht, dass Sie das Kind zwingen würden, diese zu essen, sondern dass Sie es vor die Wahl stellen: Kartoffeln oder nichts! Und vor allem müssen Sie, haben Sie sich erst einmal entschieden, konsequent bleiben, also nicht einfach nach fünfminütigem Brüllen nachgeben, sondern die Konfrontation aushalten und beim Kind bleiben, bis es sich wieder beruhigt hat.

Bei Ihrem "Nein!" zu bleiben und die Konfrontation auszuhalten, bedeutet echte Beziehungsarbeit. Voraussetzung ist dabei, dass Sie in den beiden ersten Jahren eine tragfähige Vertrauensbasis geschaffen haben, denn ansonsten werden Sie (oder auch das Kind) sehr schnell einen Liebesentzug befürchten! Oder anders ausgedrückt: Nur wer wirklich Ja sagen kann, kann auch "Nein!" sagen (und umgekehrt)!

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Sozialisation bis Pubertät (etwa 4 bis 16 Jahre)

Spätestens mit der Sozialisation, also in der Regel mit dem Eintritt die (Vor)Schule, geht das Kind eine Reihe von anderen Beziehungen ein, sodass diejenige zu den Eltern nach und nach zweitrangig wird. Selbstverständlich bleibt die Beziehung zu den Eltern trotzdem die wichtigste, doch beginnen Kinder, und erst Recht Jugendliche, bewusst zuerst nach Beziehungen und Vorbildern ausserhalb der Familie zu suchen. Die Beziehung zu den Eltern nimmt mehr und mehr die Rolle einer Art "Fallback-Beziehung" ein: Kinder greifen erst dann auf die vertraute familiäre Umgebung der Eltern zurück, wenn sie ausserhalb auf irgendwelche Schwierigkeiten stossen. Das ist an sich eine völlig natürliche Entwicklung, auch wenn die Eltern sich dabei gerne überflüssig oder gar ausgenützt fühlen.

Darauf sollten Sie sich gerade im Hinblick auf die Pubertät vorbereiten. Denn in dieser Phase wollen sich Jugendliche der Beziehung zu den Eltern geradezu entledigen, ähnlich wie sich eine Schlange häutet. Beziehungsarbeit nachholen ist in dieser Phase deshalb nicht nur nahezu unmöglich, sondern kann sich sogar kontraproduktiv auswirken. Wenn Sie in den ersten, alles entscheidenden Phasen der Erziehung eine tragfähige Beziehung aufbauen konnten, wird es Ihnen aber sehr viel leichter fallen, Ihr Kind loszulassen und es seinen eigenen Weg suchen zu lassen. Besteht hingegen kein genügendes Vertrauen und nur ungenügender gegenseitiger Respekt, werden sich die Probleme zwischen Eltern und Kind regelmässig noch verstärken. Die Grundlagen für eine tragfähige Beziehung zwischen den Eltern und dem Kind werden in den ersten vier Jahren gelegt. Wenn Eltern die Probleme erst während der Pubertät klar werden, ist es deshalb längst zu spät, denn eine "Nacherziehung" werden Jugendliche in diesem Alter, zumal durch die Eltern, kaum mehr akzeptieren, und das völlig zu Recht! Es bleibt dann nur noch die Hoffnung, dass "es schon irgendwie gut kommen möge". Allerdings braucht es schon eine Portion Glück, dass der solchermassen unreife Jugendliche zum Beispiel auf pädagogisch geschickte Autoritätspersonen in der Schule oder im Sport trifft, die ein wenig von dem nachholen können, was die Eltern verpasst haben.

Die Angst vieler Eltern, wenn die Jugendlichen plötzlich zum Beispiel alleine in den Ausgang gehen, ist völlig verständlich. Doch sollten Sie sich immer wieder bewusst werden, dass Sie Ihre Arbeit schon viel früher, nämlich in den ersten Jahren, erledigt haben, beziehungsweise eben erledigt haben sollten. In dieser Zeit eignet sich ein Kind die entscheidenden Fähigkeiten an wie Selbstvertrauen, Respekt, Umgang mit Gefahren oder das Gespür für Mitmenschen. Es sind gerade solche Eigenschaften, welche die die Selbständigkeit des Kindes ausmachen. Dieser Selbständigkeit dürfen Sie nun vertrauen, Sie können sich darauf verlassen, weil Sie in den ersten, alles entscheidenden Phasen der Erziehung gute Arbeit geleistet haben. Das gilt gerade auch für die Beziehungsfähigkeit, das heisst, Sie dürfen auch darauf vertrauen, dass Ihr Kind durchaus ein Gespür dafür hat, zu welchen Kollegen und Kameraden befriedigende und bereichernde Beziehungen möglich sind und welche ihm eher schaden.

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Selbständigkeit und Beziehungsfähigkeit

Das Ziel der Erziehung gemäss dem "Zweimalzwei der Erziehung" ist Selbständigkeit und Beziehungsfähigkeit. Beides bringt das Kind nicht einfach so von Geburt aus mit, sondern es ist auf die Erziehungsarbeit seiner Eltern angewiesen: Es will sein Vertrauen in die Eltern bestätigt wissen, um seinerseits Selbstvertrauen aufbauen zu können, und es braucht den Widerstand der Eltern, um seinen Willen gewissermassen kultivieren zu können, sodass daraus ein freier Wille werden kann.

Schliesslich nehmen Kinder ihre Eltern schon von sich aus zum Vorbild. Ihr Kind wird also sehr genau hinschauen, wie die Beziehung zwischen seinen Eltern funktioniert. Da es Ihnen eben von Natur aus vertraut, wird es das, was es sieht, zunächst einmal für gut und richtig befinden und sich mit grosser Wahrscheinlichkeit später zumindest ähnlich verhalten.

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Beziehung zu "Ersatzeltern"

Eine ebenfalls besondere Stellung kommt in der Regel den Grosseltern zu (zumindest dann, wenn auch ein entsprechender Kontakt besteht). Im weiteren gibt es von der Funktion her auch noch eine Reihe von Ersatzeltern, wofür ganz unterschiedliche Personen in Frage kommen (von Pflegeeltern über Paten und Kinderbetreuern bis zu Therapeuten oder Lehrern). Allen gemeinsam ist, dass sie die Rolle der Eltern jenachdem mehr oder weniger übernehmen können, doch wird der tiefe Wunsch des Kindes nach einer Beziehung zu seinen leiblichen Eltern immer bleiben. Zwar tut es Kindern ganz allgemein gut, wenn sie Alternativen zu ihren Eltern haben, doch sind Sie als Eltern für die gesunde Entwicklung des Kindes letztendlich unersetzbar. Das sollten Sie sich vor allem dann bewusst werden, wenn Sie in Versuchung kommen, bei den ersten Schwierigkeiten die eigentliche Erziehungsarbeit andern zu überlassen beziehungsweise darauf zu vertrauen, dass irgendjemand irgendwann Ihrem Kind dann schon sagen würde, was geht und was nicht. Denn erstens braucht es dazu schlicht Glück, soll das Kind an jemanden gelangen, der ihm in guter (!) Absicht hilft und zweitens geht das natürlich auf Kosten Ihrer Beziehung zum Kind.

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Fragen und Feedback

Das "Zweimalzwei der Erziehung" ist zum Teil noch im Aufbau. Allfällige Fragen oder Feedback sind willkommen: Email