Bequemlichkeit der Eltern

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Die Aufgabe der Eltern ist vor allem während den beiden ersten, alles entscheidenden Phasen der Erziehung sehr anspruchsvoll. Allerdings ist diese Aufgabe bedeutend einfacher und nachhaltiger zu lösen, wenn Sie sich an die beiden Grundprinzipien der Erziehung halten. Das heisst, Sie müssen lernen, zu Ihrem Kind zunächst uneingeschränkt "Ja" und später auch konsequent "Nein!" zu sagen. Diesen beiden Prinzipien sind zwar alles andere als bequem und Sie dürfen nicht einfach ausweichen, weil Sie zum Beispiel die Konfrontation fürchten.

Wenn Sie in den ersten etwa vier Jahren Ihre Energie richtig investieren, werden Sie es dafür später sehr viel einfacher haben. Denn dann das Kind sollte dann bereits so reif sein, dass Sie sich auf eine Art Begleitung beschränken können. Haben Sie Ihre Aufgaben bis dann nicht oder nur ungenügend erfüllt, werden sich Ihre erzieherischen Aufgaben nicht nur verschieben, sondern sie werden sich zudem ungleich schwieriger, mühsamer und langwieriger gestalten!

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Beispiele

Die Bequemlichkeit ist den Eltern in der Regel nicht bewusst, da ihr Verhalten meistens in bester Absicht erfolgt und zudem häufig gar nicht zu weniger, sondern zu mehr Belastung führt:

Mangelnde Geduld

Während der Phase der Vertrauensbildung, also etwa in den beiden ersten Jahren, geht es darum, dass Sie lernen, den Grundbedürfnissen und den Fähigkeiten des Kindes zu vertrauen. Das bedeutet, dass Sie das Kind alles selbst machen lassen, was es selbst zu machen beabsichtigt. Und zwar auch dann, wenn es für Sie viel einfacher wäre, ihm etwas abzunehmen oder ein wenig nachzuhelfen:

  • Helfen: Warten Sie also ab, wenn dem Kind zum Beispiel das Spielzeug herunterfällt, ob es dieses nicht selbst wieder hochheben kann. Natürlich wäre es für Sie viel bequemer, sich einfach zu bücken, statt dem Kind zu sagen, wie es vom Stuhl runterkommt und dabei noch auf es aufzupassen. Diese Geduld aber müssen Sie aufbringen können, ansonsten das Kind zum einen sein Vertrauen in die eigenen Fähigkeiten nicht bestätigt sieht und entsprechend weniger Selbstvertrauen aufbauen kann. Zum anderen aber wird sich das Kind natürlich schnell daran gewöhnen, dass Sie ihm alle Anstrengungen abnehmen, sodass es später nicht mehr auf die Idee kommt, für sich selbst Verantwortung zu übernehmen und von Ihnen verlangen wird, dass Sie noch lange für Dinge sorgen, die es eigentlich selbst sollte erledigen können. Helfen Sie also grundsätzlich immer erst dann, wenn das Kind Ihre Hilfe tatsächlich verlangt (was es auch durch seine Mimik oder Gestik ausdrücken kann).
  • Essen: Auch die Umstellung von Stillen zu fester Nahrung kann Ihre Geduld fordern. So kann es zum Beispiel verlockend sein, dem Kind, das noch kein Gemüse essen mag, einfach ein Yoghurt hinzustellen. Nehmen Sie Ihr Kind während dem Essen auf Ihren Schoss, lassen Sie es teilhaben und warten Sie, bis es von sich aus Lust hat, aus Ihrem Teller zu essen. Das mag vielleicht anfangs mühsam sein, doch lohnt es sich und wird schon bald Freude machen. Denn Ihr Kind nimmt Sie zum Vorbild, will also früher oder später immer das essen, was auch Sie essen! So wird es irgendwann der Verlockung einer gekochten Karotte nicht mehr widerstehen können!
  • Süssigkeiten: Eine andere Art der Ablenkung erhalten Kinder häufig in Form von Süssigkeiten. Das ist für Eltern bequem, da heutzutage überall und günstig erhältlich und zudem zumindest kurzfristig wirkungsvoll, da Kinder in der Regel Süsses mögen und der Zucker meistens auch noch beruhigend wirkt. Allerdings ist die Gefahr gross, dass Kinder damit auch geradezu "angefixt" werden, also schon bald nach immer mehr verlangen und später womöglich süchtiges Verhalten entwickeln. Der Umgang mit Essstörungen ist dann aber um ein Mehrfaches schwieriger!
  • Beruhigen: Kinder können meistens ziemlich einfach mit dem Schnuller beruhigt werden, doch ist dieser eben bloss ein Ersatz für ein wirkliches Bedürfnis (Gestillt werden), also ein Vertrösten und nicht ein wirklicher Trost. Sie sollten deshalb zumindest zurückhaltend sein und den Schnuller erst dann geben, wenn ihn das Kind wirklich verlangt und nicht schon vorsorglich.
  • Kinderwagen: Wenn das Kind zu laufen beginnt, ist das für Eltern einerseits eine grosse Freude, kann aber andererseits natürlich sehr mühsam werden, wenn das Kind immer wieder irgendwo hingehen will, statt schön zielstrebig seinen Eltern zu folgen. Die Versuchung ist dann gross, das Kind einfach zu packen und in den Kinderwagen zu setzen, sodass Sie bequem in Ihrem Tempo vorwärts kommen. Auch hier ist Ihre Geduld gefordert: Lassen Sie das Kind möglichst immer laufen, wenn es das will. Wenn Sie es sich mit dem Kinderwagen zu bequem machen, werden Sie sich später möglicherweise darüber beklagen, dass das Kind seinerseits zu bequem sei um zu laufen und vermehrt nach Gefahren werden verlangt.
  • Spielzeug: Fantasie und Kreativität von Kindern sind grenzenlos. Sie brauchen dazu weder spezielles Spielzeug noch Anleitungen, sondern spielen grundsätzlich mit allem, was ihnen in die Finger kommt. Das wird immer dann heikel, wenn es sich um zerbrechliche oder gar gefährliche Gegenstände handelt. Sie sollten deshalb Ihre Wohnung entsprechend einrichten. Bequemer wäre natürlich, wenn Sie einfach alles, was Ihr Kind gegen Ihren Willen in die Finger nimmt, durch ein speziell gefertigtes Spielzeug ersetzen (die Industrie hält für fast alles einen Ersatz bereit). Sie würden aber dadurch dem Kind gleich zweierlei nehmen: Erstens seine natürliche Fähigkeit zu improvisieren und zweitens die Erfahrung von Grenzen.
  • Konsum: Gerade Kleinkinder brauchen häufig noch ihre Eltern zum Spielen, was einerseits viel Zeit kosten mag und andererseits auch nicht immer gleich lustig ist. Die Versuchung ist dann gross, die Kinder mit Besuchen in Einkaufszentren oder Freizeitparks zu unterhalten. Das mag, abgesehen von den damit verbundenen Kosten, bequem sein, doch sind die Nebenwirkungen doch ziemlich kontraproduktiv. Denn Kinder müssen sich aktiv bewegen können und sollten nicht einfach passiv konsumieren, ansonsten sie ihre Energie nicht konstruktiv einsetzen können, zumal die Reizüberflutung in den "Konsumtempeln" die Problematik noch verschärft.

Der Wunsch der Eltern nach einer gewissen Entlastung bleibt selbstverständlich völlig berechtigt, denn die Dauerpräsenz, die jüngere Kinder brauchen, kann tatsächlich sehr belastend sein. Allerdings sollten Sie sich gut überlagen, zu welchen Mitteln Sie greifen, da die erstbesten Verlockungen häufig ausgesprochen kontraproduktiv wirken. So könnten Sie sich zum Beispiel mit anderen Eltern in der Nachbarschaft zusammentun und abwechslungsweise deren Kinder übernehmen. Das ist nämlich nur auf den ersten Blick anstrengender, da Sie gleich doppelt gewinnen: Erstens können schon kleinere Kinder zumindest eine gewisse Zeit miteinander spielen, während der Sie bloss passiv zu ihnen schauen müssen, und zweitens kommen Sie automatisch zu mehr freier Zeit, wenn Ihr Kind bei den Nachbarn ist. Achten Sie deshalb schon bei der Wohnungswahl darauf, dass dieser Abtausch möglichst spontan und in nächster Nähe möglich ist.

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Mangelnde Grenzen

Wenn das Kind beginnt seinen Willen zu entwickeln, in der Regel etwa im dritten Lebensjahr, braucht es vermehrt Herausforderungen, aber auch Grenzen. Für viele Eltern ist das nicht einfach, das sie sich nicht getrauen, dem Kind auch "Nein!" zu sagen. Sie fürchten den Protest und greifen deshalb zu vermeintlich einfacheren Mitteln, die aber nur auf den ersten Blick hilfreich sind:

  • Falsche Toleranz: Kinder setzen sich für das, was sie wollen, mit ihrer ganzen Kraft ein. Das ist zwar bewundernswert, doch stossen sie damit naturgemäss auch an Ihre Grenzen. Wenn Sie sich zum Beispiel durch Ihr herumturnendes Kind gestört fühlen, müssen Sie laut und deutlich "Nein!" sagen. Wenn Sie sich vor der Konfrontation scheuen und die Störung einfach erdulden, hat das nichts mehr mit Toleranz zu tun, sondern eben mit Bequemlichkeit. Sie müssen sich überwinden können und Ihrem Kind Ihren Widerstand zumuten, denn es braucht ihn, um Sie zu spüren, seinen Willen kultivieren zu können und überhaupt um wachsen zu können!
  • Negatives Verwöhnen: Während die Grundbedürfnisse des Kindes möglichst immer und sofort befriedigt werden sollten (im Sinne eines positiven Verwöhnen), können die Wünsche und Begehrlichkeiten nun weit darüber hinaus gehen. Wenn Sie dem nichts entgegenhalten, indem Sie zum Beispiel eine entsprechende Gegenleistung des Kindes fordern, wird das Kind in einem negativen Sinn verwöhnt. Das mag zunächst für Sie bequem sein und das Kind auch kurzfristig zufriedenstellen, doch wird es schon bald umso mehr verlangen und nach neuen Grenzen suchen. Wenn Sie ihm dann für seine Masslosigkeit noch Vorwürfe machen, ist der Teufelskreis perfekt.
  • Ordnung und Aufräumen: Gewöhnen Sie das Kind so früh wie möglich daran, dass es das, was es selbst aufräumen kann, auch selbst aufräumt. Selbstverständlich wäre es für Sie meistens viel einfacher, selbst rasch die Spielsachen zu verräumen. Doch wäre das nur kurzfristig hilfreich, denn das Kind gewöhnt sich sehr schnell daran und schon bald ist es kaum mehr zu motivieren, selbst für Ordnung zu sorgen. Spätestens dann rächt sich also Ihre eigene Bequemlichkeit. Muten Sie Ihrem Kind alles zu, was es selbst tun kann. So wird es sehr schnell Verantwortung übernehmen und sich über seine Fähigkeiten freuen, sodass Sie später kaum mehr Probleme damit haben werden, dass es nicht aus eigenem Antrieb aktiv wird.
  • Unterhaltungselektronik: Äusserst beliebt, aber höchst kontraproduktiv, ist die Ablenkung des Kindes, das irgendetwas von Ihnen will, mit Unterhaltungselektronik (auch wenn es sich um angeblich “kindergerechte" handelt!). Zwar funktioniert es meistens, doch müssen Sie sich bewusst sein, dass Sie das Kind damit geradezu anfixen, also den Nährboden für süchtiges Verhalten legen. Ziehen Sie Ihr Kind besser in Ihren Alltag mit ein, indem es Ihnen zum Beispiel beim Kochen oder Reinigen helfen darf, auch wenn es anfangs natürlich noch mehr Arbeit verursacht, als dass es Arbeit abnehmen kann. Kinder interessieren sich schon von sich aus für Ihre Tätigkeiten und werden später umso einfacher zu motivieren sein, Ihnen im Haushalt mitzuhelfen, je mehr sie zuvor durften!
  • "Jein": Trauen sich Eltern nicht konsequent "Nein!" zu sagen, weil sie zum Beispiel das Toben des Kindes befürchten, weichen sie gerne mit Floskeln aus wie "Muss das sein?", "Aber, Schatz!", "Das ist doch nicht Dein Ernst, oder?" und ähnliches. Es sind Antworten, die weder "Ja" noch "Nein" bedeuten, sondern eine Mischung aus beidem, also alles offen lassen, sozusagen ein "Jein". Kinder aber brauchen klare und eindeutige Antworten, ansonsten sie solange nach einer Grenze suchen, bis sie eine erhalten (das ist dann häufig der Moment, in dem die Eltern die Geduld verlieren und überreagieren).
  • Toben: "Tobsuchtsanfälle" von Kindern sind für die meisten Eltern zumindest beim ersten Mal nicht einfach zu bestehen. Sie können jedoch schnell lernen, angemessen auf das Toben des Kindes zu reagieren. Das fordert insbesondere eine gewisse Standhaftigkeit. Wenn Sie hingegen aus Furcht vor den Konsequenzen einfach nachgeben, kann das Kind nicht lernen, mit seinem Willen konstruktiv umzugehen. Zudem haben Sie das Problem nicht gelöst, wenn sie ihm einfach aus dem Weg zu gehen versuchen. Ganz im Gegenteil: Das Kind wird weiterhin und zudem je länger desto heftiger nach Grenzen suchen. Der Höhepunkt dieses Machtkampfes wird dann regelmässig mit dem Einsetzen der Pubertät erreicht, also zu einem Zeitpunkt, zu dem Sie Jugendlichen meistens schon rein kräftemässig kaum mehr gewachsen sein werden. Sie tun deshalb gut daran, Ihre Erziehungsarbeit schon in den ersten Jahren zu erfüllen, sodass Sie es danach umso leichter haben werden.

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Mögliche Folgen

Es ist naheliegend, dass Kinder bequemer Eltern selbst auch bequem werden, nehmen sie diese doch zum Vorbild. Das gilt vor allem beim Thema körperliche Bewegung: Wenn Sie zum Beispiel für Wegstrecken, die ohne weiteres mit dem Fahrrad oder gar zu Fuss zu bewältigen wären, immer wieder das Auto benützen, ist es nicht verwunderlich, dass auch die Kinder schon bald nach einem motorisierten Untersatz verlangen.

Wenn der Wille des Kindes auf zu wenig Widerstand trifft, kann er auch nicht kultiviert werden. Er verschwindet deshalb aber nicht einfach, sondern verkrüppelt sozusagen, was sich in Willensschwäche äussern kann. Die Energie, die nicht konstruktiv genutzt wird, kann sich dann häufig in destruktivem Verhalten zeigen, indem das Kind zum Beispiel übermässig stört oder fordert.

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Weiterführende Themen

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Fragen und Feedback

Das "Zweimalzwei der Erziehung" ist zum Teil noch im Aufbau. Allfällige Fragen oder Feedback sind willkommen: Email


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