Elternliebe

Aus 2 x 2 der Erziehung
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Die Beziehung zwischen den Eltern und dem Kind mag geheimnisvoll, ja wunderbar sein. Die Elternliebe, insbesondere die Mutterliebe, wird aber bisweilen geradezu mystifiziert und hat mit der Realität des Alltags der Erziehung häufig nicht mehr viel zu tun. Das "Zweimalzwei der Erziehung" beschäftigt sich deshalb mehr mit den praktischen als mit den philosophischen Fragen der Beziehung.

Das Geschenk der Liebe und die elterliche Antwort

Die Geburt des Kindes ist für die meisten Eltern etwas Wunderbares, das mit nichts anderem zu vergleichen ist. Der Grund für dieses Unfassbare bleibt ein Geheimnis, für das es zwar mögliche Erklärungen der Philosophie, der Religion, aber auch der Psychologie gibt. Letztlich sind die Erklärungen für die alltäglichen Fragen der Erziehung aber kaum von Bedeutung. Hilfreich für die Erziehung ist die Einstellung, die Geburt des Kindes als ein Geschenk zu betrachten (allenfalls als ein Geschenk Gottes, falls Sie gläubig sind). Ein Geschenk voller reiner Liebe. Sie brauchen das Geschenk nur noch mit offenem Herzen anzunehmen, indem Sie bedingungslos "Ja" zu Ihrem Kind sagen. Es ist diese eine Antwort, mit der Sie dem Kind als Erstes zeigen, dass Sie es lieben.

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Liebe als das "Ja" und das "Nein!" in der Beziehung

Erziehung ist eine besondere Form der Beziehung: Auch in einer partnerschaftlichen Beziehung geht es darum, dass die beiden Partner einerseits "Ja" zueinander sagen, sich andererseits aber auch getrauen, "Nein!" zu sagen, beziehungsweise das "Nein!" des anderen zu respektieren. Oder anders gesagt: Es geht um das gegenseitige Vertrauen und das Selbstvertrauen einerseits, und um den Willen des einen sowie dem Respekt gegenüber dem Partner andererseits.

Der wesentliche Unterschied bei der Beziehung zwischen den Eltern und dem Kind besteht erstens darin, dass zumindest während den ersten Jahren die Eltern allein für die Beziehung verantwortlich sind und dass sie zweitens die beiden Prinzipien des Vertrauens und des Willens hintereinander, statt gleichzeitig, lernen können. Das heisst also, Sie müssen zunächst lernen, uneingeschränkt "Ja" zu sagen und danach, wenn das Kind beginnt seinen eigenen Willen zu entwickeln, auch lernen konsequent "Nein!" zu sagen. Diese beiden Phasen der Vertrauens- und Willensbildung dauern je rund zwei Jahre. Ihr Kind braucht von Ihnen am Ende beides, das heisst, Sie sollten das Wechselspiel zwischen den beiden Prinzipien beherrschen, denn wer nicht wirklich "Ja" sagen kann, kann auch nicht konsequent "Nein!" sagen - und umgekehrt!

Eines der wohl grössten Missverständnisse in der Erziehung ist die Meinung, dass Eltern "böse" seien beziehungsweise sein müssten, wenn sie "Nein!" sagen. Ihr Kind braucht aber unbedingt auch Ihren Widerstand, um wachsen zu können. Wenn Sie ihm diesen vorenthalten, weil Sie sich vor der Konfrontation scheuen, vermeiden Sie auch eine Berührung und die Möglichkeit der Versöhnung. Ohne konstruktiv ausgetragene Konflikte wird es nicht lernen können, mit seinem Willen konstruktiv umzugehen. Es wird ihm die Reife fehlen, um einerseits seine Persönlichkeit voll ausleben und andererseits auch seine Umwelt zu respektieren zu können. Das "Nein!" ist in der Liebe also genau gleich wichtig wie das "Ja"!

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Der Mythos der Mutterliebe

Fragt man, was denn Mutterleibe eigentlich ist, lautet die Antwort meistens, dass eine Mutter bereit sei, ihrem Kind alles zu verzeihen, ganz gleich, wie problematisch oder gar schrecklich dessen Verhalten auch war. Oder dass sie im Extremfall bereit sei, ihr eigenes Leben für das des Kindes zu opfern. In der Regel wird diese bedingungslose Liebe auch Vätern, aber meist in geringerem Ausmass, zugetraut.

Verzeihung

Die Versöhnung zwischen Eltern und Kind ist ein Grundbedürfnis und elementar für die Beziehung. Das Thema wird aktuell, sobald das Kind seinen eigenen Willen zu entwickeln beginnt, also in der Regel etwa im dritten Lebensjahr. Denn der frisch erwachte Wille des Kindes ist anfangs noch absolut und kompromisslos, sodass Konfrontationen unvermeidlich sind. Als Eltern dürfen Sie dem nicht aus dem Weg gehen, sondern müssen sich mit Ihrem Widerstand ihm entgegenstellen, indem Sie lernen, auch konsequent "Nein!" zu sagen, wenn das Kind zu weit geht. Dadurch schaffen Sie Kontakt, also Beziehung. Und zwar auch dann, wenn das Kind zu toben beginnt. Dann müssen Sie bei ihm bleiben und lernen angemessen zu reagieren. Es geht also nicht darum, dass Sie dem Kind jede Grenzüberschreitung verzeihen, indem Sie einfach darüber hinwegschauen, sondern dass Sie die Auseinandersetzung annehmen und mit ihm im Kontakt bleiben. Die Verantwortung für diesen Prozess liegt zumindest in den ersten Jahren allein bei Ihnen. Trotzdem ist es nicht bloss ein einseitiges Verzeihen, sondern sollte eben ein gemeinsames Versöhnen sein. So kann das Kind erfahren, dass es um Beziehung geht, dass es seinen eigenen Willen haben darf, damit allenfalls mit anderen Menschen zusammenstossen kann, aber "trotzdem" von seinen Eltern geliebt wird. Dank solcher Erfahrungen kann es mit der Zeit mehr und mehr Verantwortung für die Beziehung übernehmen.

Verzeihung ist, im Unterschied zur Versöhnung, ein einseitiger Vorgang des "Opfers", für den es den "Täter" nicht braucht (weil sich dieser zum Beispiel scheut oder gar weigert). In der Erziehung geht es aber immer um Beziehung, das heisst, es sollte gar nie so weit kommen, dass das Kind nicht mehr zum Kontakt mit den Eltern bereit ist. Deshalb ist es entscheidend, dass Sie von Anfang an lernen, sich mit dem Kind zu versöhnen, nachdem es mit Ihnen zusammengestossen ist.

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Aufopferung

Als Paradebeispiel für Mutterliebe gilt die Situation, in der das Kind nur überleben kann, wenn die Mutter bereit ist, dafür ihr eigenes Leben zu opfern. Solche Extremsituationen sind denkbar, allerdings dürften sie, zumindest in der westlichen Zivilisation, doch eher selten vorkommen. Davon abgesehen reagieren Menschen in derartigen Extremsituationen instinktiv und kaum vorhersehbar. Oder umgekehrt ausgedrückt: Nur weil eine Mutter nicht so reagiert und zum Beispiel zuerst für sich selbst Schutz sucht, bedeutet das noch lange nicht, dass sie ihr Kind nicht lieben würde!

Elternliebe sollte deshalb besser im Alltag geübt werden, wo sich Eltern bewusst für ein bestimmtes Verhalten entscheiden können: Während der Vertrauensbildung für ein "Ja" zu den Grundbedürfnissen und Fähigkeiten des Kindes und während der Phase der Willensbildung zusätzlich für ein "Nein!" in Form von Herausforderungen und Grenzen. Dieses Verhalten verlangt einiges an Anstrengung und ist mehr als eine blosse, häufig romantisierte, Stimmung!

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Liebe als Arbeit und Fähigkeit

Das "Zweimalzwei der Erziehung" versteht Liebe also weniger als eine Empfindung, sondern vielmehr als eine Fähigkeit, für die der Mensch lernen und arbeiten muss. Ihr Kind erleichtert Ihnen diesen Prozess ganz wesentlich, wenn Sie seine Geburt als ein Geschenk der Liebe verstehen können. Sie brauchen das Geschenk bloss noch anzunehmen. Dafür erhalten sie mit einem Kind einen äusserst fähigen und geduldigen Lehrmeister, um wirklich lieben zu lernen! So wird es anfangs alles unternehmen, um Ihnen ein bedingungsloses "Ja" zu seinen Grundbedürfnissen zu entlocken und später ebenso ausdauernd nach Herausforderungen und Grenzen suchen, bis Sie gelernt haben, auch konsequent "Nein!" zu sagen.

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Fragen und Feedback

Das "Zweimalzwei der Erziehung" ist zum Teil noch im Aufbau. Allfällige Fragen oder Feedback sind willkommen: Email