Ablenken

Aus 2 x 2 der Erziehung
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Kinder leben von Natur aus im Hier und Jetzt und in grösster Konzentration. Allerdings lassen sie sich auch leicht ablenken, gerade von ihren Eltern, denen sie ja von Natur aus vertrauen. Ablenkung braucht das Kind nicht, nicht einmal bei Kummer oder Schmerzen, dann braucht es einzig Trost.

Trost statt Ablenkung

Gerade in ersten Jahren erfährt ein Kind immer wieder Kummer und Schmerz, sei es durch Missgeschicke, sei es durch Trennung oder Verlust irgendwelcher Art. Dann braucht es möglichst immer, sofort und bedingungslos Trost: Bleiben Sie ruhig, nehmen Sie das Kind in die Arme, fühlen Sie mit ihm und warten Sie, bis es sich ausweinen konnte. Ablenkung hingegen braucht es nicht, das wäre ein blosses Vertrösten, das sich früher oder später kontraproduktiv auswirken würde. Wenn dem Kind zum Beispiel der schöne Ballon platzt und es deswegen zu weinen beginnt, braucht es Trost. Versuchen Sie es nicht mit der Aussicht auf einen neuen Ballon abzulenken, sondern trösten Sie es. Erfährt das Kind wirklichen Trost, wird es auch nicht gleich nach einem Ersatz verlangen. Es erfährt vielmehr, dass die Welt "trotzdem" noch in Ordnung ist. Das fördert seine Frustrationstoleranz. Den Ballon kann es vergessen, nicht aber den elterlichen Trost!

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Konzentration statt Ablenkung

Konzentration ist eine natürliche Gabe des Kindes. Als Eltern brauchen Sie nichts zu fördern, Sie müssen sich bloss in Zurückhaltung üben: Lassen Sie das Kind, solange es zufrieden mit sich ist, tun oder lassen, was und wie es mag. Es wird sich von alleine bemerkbar machen, wenn es etwas von Ihnen braucht! Bleiben Sie geduldig und unterbrechen Sie es nicht, auch wenn Sie der Meinung sind, dass es noch andere Dinge geben könnten, die es gerade interessieren könnte oder sollte. Lassen Sie es also zum Beispiel weiter den Käfer beobachten, auch wenn gerade ein seltener Greifvogel am Himmel erscheint. Der Adler ist nur in Ihren Augen besonders attraktiv, nicht in jenen des Kindes!

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Störende Eltern

Wenn Eltern zu wenig Vertrauen in die Fähigkeiten Ihrer Kinder haben, meinen sie oft, nachhelfen oder warnen zu müssen. Dabei lenken sie das Kind aber bloss von seinen eigenen Bemühungen und seinem an sich vorhandenen Vertrauen in seine eigenen Fähigkeiten ab. Halten Sie sich also möglichst zurück und lassen Sie Ihr Kind immer und alles zunächst einmal selbst ausprobieren. Trauen Sie ihm dafür zu, dass es von sich aus nach Ihrer Hilfe verlangen kann. Solange es zum Beispiel geduldig versucht, die Bauklötze zu stapeln, können Sie ihm einfach zuschauen und vielleicht auch staunen, dass es ganz andere Ideen hat, was es mit dem Spielzeug alles anstellen kann (vielleicht will es die Klötze ja gar nicht stapeln, wie Sie es sich vorgestellt haben).

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Ablenkung durch Essen und Süssigkeiten

Essen und Trinken ist ein Grundbedürfnis des Kindes und hat grundsätzlich eine beruhigende Wirkung. Eltern kommen deshalb gerne in Versuchung, einem Kind, das an sich gesättigt ist, aber aus irgendwelchen Gründen leidet, Essen, insbesondere Süssigkeiten, anzubieten. Im besten Fall wird das Kind protestieren, weil es ja gesättigt ist und etwas anderes braucht, nämlich Trost. Im schlechteren Fall aber wurde das Kind bereits so konditioniert, dass Süsses eine Belohnung oder ein Vertrösten darstellt, sodass es zugreift. Es lässt sich also zunächst von seinem Leid ablenken; Allerdings wird die Wirkung meistens nur kurz sein, da ihm das Wesentliche ja immer noch fehlt, nämlich Trost. Zudem ist die Wahrscheinlichkeit gross, dass es beim nächsten Mal nach noch mehr verlangt, in der Hoffnung, dass es dadurch auch wirklich getröstet würde. So kann leicht ein Teufelskreis entstehen, der zu süchtigem Verhalten führen kann. Etwas anderes ist das Troststillen, das durchaus sinnvoll sein kann, aber auch eine gewisse Gratwanderung darstellt.

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Ablenkung vom Hier und Jetzt

Kinder leben von Natur aus noch im Hier und Jetzt, interessieren sich also weder dafür, was gestern war noch was morgen sein könnte. Zumindest während den beiden ersten, alles entscheidenden Phasen der Erziehung sollten Sie dem Kind diese wunderbare Gabe lassen. Beschränken Sie Ihre Ankündigungen deshalb auf das Nötige, also das, was unmittelbar bevorsteht und vom Kind einigermassen überblickt werden kann ("Jetzt kommt dann gleich die Oma."). Eine "Wochenvorschau" ("Morgen gehen wir zu Sabine, am Mittwoch kommt die Tante zu Besuch und Abend gibt es dann Pizza.") hingegen ist für ein Kleinkind weder nötig noch verständlich. Warten Sie ab, bis das Kind von sich aus danach fragt, es wird genau so viel wissen wollen, wie es auch verarbeiten kann.

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Ablenkung durch Unterhaltungselektronik

Noch um einiges schlimmer als die Ablenkung durch die Eltern kann Unterhaltungselektronik sein. Vor allem Bildschirme bannen die Aufmerksamkeit des Kindes übermässig und bewirken eine Reizüberflutung, die sich höchst kontraproduktiv auswirken kann. Das ist durchaus vergleichbar mit der Wirkung von alkoholischen Getränken, die gegen Kummer (statt zum Genuss) getrunken werden: Es braucht je länger, desto mehr um, noch eine Wirkung erzielen zu können. Das heisst, Kinder können sehr schnell süchtiges Verhalten entwickeln, wenn sie einfach mit elektronischen Spielen vertröstet werden. Das gilt im übrigen auch für sogenannt "altersgerechte" elektronische Spiele, die zumindest in den ersten Jahren eigentlich verboten gehörten, aber auch danach nur sehr begrenzt zulässig sein sollten.

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Ausnahmen

Ausnahmsweise kann es Sinn machen, das Kind abzulenken, zum Beispiel bei unumgänglichen medizinischen Eingriffen. Allerdings bleibt es eine Gratwanderung, müssen Sie doch sein natürliches Vertrauen, das es in Sie hat, für etwas in Anspruch nehmen, zu dem es niemals von sich aus zustimmen würde. Das ist an sich entschuldbar, da es ja um seine Gesundheit geht, doch bleibt es eine Gratwanderung, da die Gefahr besteht, dass es Sie durchschaut und schon beim nächsten Mal nicht mehr bereit ist, mitzuspielen.

Ähnliches gilt für (wirkliche) Gefahren. Wenn das Kind zum Beispiel in der Strassenbahn an den Haltestangen zu turnen beginnt, müssen Sie zunächst laut und deutlich "Nein!" sagen und ihm ruhig und sachlich die Gefahr erklären. Erst dann können Sie es durch eine andere Attraktion ablenken (und ihm vielleicht erklären, wie eine Strassenbahn funktioniert).

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Mögliche Folgen der Ablenkung

Je nach seiner Persönlichkeit lässt sich das Kind durch Ablenkungen mehr oder weniger in seiner Entwicklung stören:

  • Konzentrationsschwäche: Die offensichtlichste Folge können Konzentrationsstörungen sein. Das Kind gewöhnt sich an die Ablenkungen und braucht sie früher oder später sogar.
  • Mangelnde Frustrationstoleranz: Besteht die Ablenkung vor allem in Vertröstungen (statt in wirklichem Trost), ist die Gefahr gross, dass es zu wenig Frustrationstoleranz wird aufbauen können, um mit all den unumgänglichen Misserfolgen, die das Leben üblicherweise mit sich bringt, umgehen zu können.
  • Hyperaktivität: Da Kinder Eltern unweigerlich zum Vorbild nehmen, übernehmen sie gerne deren Aktivismus, sodass in der Folge bei ihnen womöglich ein Aufmerksamkeitsdefizit-Hyperaktivitätsstörung vermutet wird, obwohl das Problem eigentlich bei den Eltern liegt (Projektion).
  • Mangelnde Ausdauer: Kinder haben von Natur aus genügend Ausdauer, um ihre Ziele erreichen zu können. Werden sie dabei aber unnötig abgelenkt, können sie diese Gabe verlieren.
  • Lernschwäche: Kinder, die sich nicht mehr richtig konzentrieren können, schnell frustriert oder hyperaktiv sind, werden in der Schule auch eher Mühe mit Lernen haben. Werden sie dann auch noch als (zu) wenig intelligent betrachtet, werden sie gleich doppelt benachteiligt, statt dass sich die Eltern Gedanken über ihre Erziehungsfehler machen.
  • Störendes Verhalten: Wenn Kinder dauernd gestört und abgelenkt werden, ist das Risiko entsprechend gross, dass sie das Verhalten übernehmen und ihrerseits zu stören beginnen.
  • Protest: Im besten Fall beginnt das Kind gegen elterliche Ablenkungen zu protestieren. Das sollte Anlass sein, Ihr eigenes Verhalten zu überdenken.
  • Süchtiges Verhalten: Schliesslich kann das Vertrösten durch Unterhaltungselektronik oder Süssigkeiten, anstelle von wirklichem Trost, schnell zu süchtigem Verhalten führen.

Achten Sie also darauf, Ihr Kind möglichst wenig abzulenken. Lernen Sie stattdessen, Ihrem Kind vertrauen, dass es von sich aus von Ihnen das verlangt, was es braucht und bleiben Sie geduldig, wenn Sie Ihrem Kind zuschauen, wie es seine Fähigkeiten von selbst entwickelt.

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