Gelassenheit

Aus 2 x 2 der Erziehung
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Gelassenheit ist die Fähigkeit, eine Situation so anzunehmen, wie sie ist. Sie begründet auf einer inneren Ruhe und einem Grundvertrauen in das Leben. Wenn Ihnen der Begriff des Schicksals vertraut ist, könnte man auch sagen, es geht um die Annahme des Schicksals. Gelassenheit ist eine der wichtigsten Erziehungskompetenzen, auch wenn die wenigsten Eltern diese Tugend von Haus aus mitbringen. Das ist allerdings halb so schlimm, wie es aussehen mag, da gerade Kinder wunderbare Lehrmeister sind und Ihnen immer wieder Gelegenheit zum üben geben!

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Gelassenheit in der Erziehung

Gelassenheit ist nicht etwas, zu dem Sie sich einfach entschliessen könnten. Es ist vielmehr eine Einstellung, die Sie im Laufe der Zeit erlernen können. Gerade die Erziehung von Kindern bietet dazu beste Möglichkeiten:

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Geburt

Gelassenheit beginnt schon mit der Geburt, wenn die Eltern das Kind so annehmen, wie es es ist, das heisst unabhängig davon, ob es ein Mädchen oder ein Junge ist, gross oder klein, dunkel- oder hellhaarig und ganz gleich, welche Fähigkeiten es mitbringt. Lassen Sie sich einfach überraschen von der Persönlichkeit des Kindes.

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Entwicklung

Kinder entwickeln sich von selbst, das heisst Sie müssen sie weder speziell fördern noch Angst haben, dass sie ohne Ihr Zutun irgend etwas verpassen würden. Sie müssen bloss darauf vertrauen, dass sich jedes Kind ganz individuell nach seinen ihm eigenen Veranlagungen und Fähigkeiten entwickelt - und nicht etwa nach einem Lehrplan oder irgendwelchen Durchschnittswerten. Jedes Kind ist einmalig. Vergessen Sie also Ihre Vorstellungen und vor allem: Lassen Sie alle Vergleiche mit anderen Kindern aus der Nachbarschaft oder Verwandtschaft. Sie würden damit bloss sich selbst - und womöglich noch das Kind - unter Druck setzen.

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Lernen des Kindes

Kinder müssen nicht lernen, sie dürfen lernen. Lassen Sie Ihr Kind bloss selbst tun und eigene Erfahrungen machen. Als Eltern haben Sie nicht etwa einen Lehrauftrag, sondern können einfach entspannt zusehen. Lassen Sie das Kind selbst entscheiden, wann es was lernen will. Gerade in den ersten Jahren ist das enorm wichtig, da ihm sonst die Lernfreude sehr schnell genommen wird. Es spielt überhaupt keine Rolle, ob das Kind zum Beispiel zuerst lernt, Rollbrett zu fahren oder Scherenschnitte auszuschneiden - oder weder das eine noch das andere. Entscheidend ist einzig seine Freude und sein Interesse! Es gibt Kinder, die eher feinmotorisch und solche, die eher grobmotorisch veranlagt sind. Es gibt aktivere und passivere Kinder oder solche, die lieber eine körperliche Herausforderung suchen und solche, die sich lieber mit Puzzles beschäftigen. Eines haben sie aber alle gemeinsam: Lernen macht ihnen immer Spass, jedenfalls wenn sie lernen dürfen und nicht lernen müssen. Machen Sie sich also keine Sorgen, wenn gerade Ihr Kind andere Interessen hat als die der Nachbarn. Lehnen Sie sich zurück und staunen Sie darüber, wie das Kind auf wundersame Art und Weise immer genau das lernt, was es braucht. Lehrpläne können Sie getrost der Schule überlassen und Entwicklungstabellen dem Arzt.

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Kooperation

Kinder sind Verbündete der Eltern - und nicht etwa die natürlichen Feinde des elterlichen Lebens! Das kommt schon daher, dass Kinder ein Bewusstsein dafür haben, dass sie erstens auf Gedeih und Verderb auf ihre Eltern angewiesen sind und dass es ihnen zweitens nur so gut gehen kann, wie es auch den Eltern gut geht. Denn ohne gesunde Eltern könnten ihre Bedürfnisse nicht befriedigt werden. Zählen Sie deshalb auf ihre Kooperationsbereitschaft und suchen Sie nach

  • Abmachungen (in den beiden ersten Jahren, das heisst während der Vertrauensbildung) und
  • Vereinbarungen (ab etwa drei Jahren, das heisst mit der Willensbildung).

Ziehen Sie Ihre Kinder in Ihre eigenen Aufgaben mit ein, indem Sie sie zum Beispiel teilhaben lassen, wenn Sie im Baumarkt einkaufen müssen: Kinder helfen gerne mit, das Brett auf den Einkaufswagen zu hieven. Wenn Sie die Kinder aber zum Stillhalten und Zuschauen verpflichten wollen, wird es ihnen sehr schnell verleiden und sie werden auch die Lust zum Kooperieren verlieren.

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Persönlichkeit des Kindes

Das Kind kommt mit einer eigenständigen Persönlichkeit zur Welt. Es ist nicht einfach das Produkt seiner Eltern. Respektieren Sie das, entlastet Sie das auch von einem Stück Verantwortung: Das Kind hat ein eigenes Leben und wird irgendwann auch ganz alleine dafür zuständig sein.

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Mitgefühl und Trost

Vor allem in der Phase der Vertrauensbildung brauchen Kinder immer wieder Trost, um über allerlei Widerlichkeiten des Lebens hinwegzukommen, sei es weil sie irgendwo den Kopf angeschlagen haben, sei es weil ihnen das ältere Geschwister irgendein Objekt der Begierde vorenthalten hat. Als Eltern dürfen, ja sollen Sie mitfühlen, aber nicht mitleiden. Das heisst, Sie brauchen auch eine gewisse Ruhe und Distanz zum Schmerz des Kindes. Wenn Sie stattdessen immer gleich mit Panik reagieren, können Sie das Kind nicht wirklich trösten. Bleiben Sie in solchen Momenten ruhig bleiben und trösten Sie das Kind unabhängig von Ihren eigenen Gefühlen. Wenn das Kind zum Beispiel auf den Stuhl steigt, obwohl Sie es davor gewarnt haben, runterfällt und vor Schmerz oder Schreck schreit, müssen Sie es "trotzdem" in die Arme nehmen und ausweinen lassen - und ihm nicht etwa als erstes Vorwürfe machen oder Erklärungen abgeben. Und das gilt eben gerade auch, wenn Sie wütig sind, weil das Kind nicht auf Sie gehört hat: Trost muss bedingungslos sein! Erst wenn das Kind ausgeweint hat, können Sie ihm noch den Zusammenhang zwischen Ihrer Warnung und dem Herunterfallen erklären. Gelassenheit bedeutet also, dass Sie Ihre eigenen Gefühle zwar wahrnehmen, diese aber gleich wieder sein lassen und sich auf das Kind achten.

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Grenzen und Versöhnung

Ähnliches wie beim Trost während der Vertrauensbildung gilt in der Phase der Willensbildung, wenn es um Versöhnung geht. Wenn das Kind zum Beispiel zu toben beginnt, nachdem Sie sich geweigert haben, im Laden ein Heft zu kaufen, müssen Sie gelassen beim ihm bleiben und warten, bis es aufgehört hat. Auch dabei sollen Sie Ihre Gefühle wahrnehmen (vielleicht sind Sie ja verärgert), doch müssen Sie auch ruhig bleiben und durchatmen können. Das Kind ist wütend, weil es seinen Willen nicht durchsetzen konnte, weil es an Ihre Grenze gestossen ist. Erst wenn das Kind seine ganze Wut ausgeschrien hat, können Sie sich mit ihm wieder versöhnen (zuvor sind alle Erklärungen und alles Zureden nicht nur zwecklos, sondern sogar kontraproduktiv). Manche Kinder brauchen dann auch plötzlich wieder sehr viel Nähe. Gelassenheit in solchen Situationen bedeutet also, dass Sie sich bewusst sind, was im Kind vorgeht und sich nicht auf die gleich Ebene niederlassen und zum Beispiel das Kind anzuschreien beginnen. Ihre hierarchische Stellung verlangt es, dass Sie sich vom Konflikt distanzieren können, das heisst, Ihre eigenen Gefühle und die des Kindes auseinanderhalten können.

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Verantwortung des Kindes

Die Verantwortung der Eltern für ihre Kinder ist unbestritten gross. Doch sollten Sie auch schon vom ersten Tag an bestrebt sein, dem Kind nach und nach mehr Verantwortung überlassen. Das beginnt schon beim Stillen, wenn Sie das Kinds selbst entscheiden lassen, wieviel es braucht. Ihr Kind kann auch selbst entscheiden, wann es wieviel Schlaf braucht. Je mehr Sie ihm überlassen, desto mehr werden Sie selbst entlastet und können alles etwas entspannter, eben gelassener angehen! Überlassen sollten Sie ihm aber nicht bloss den Entscheid, sondern auch die Konsequenzen. Wenn es zum Beispiel sein Spielzeug einfach liegen oder fallen lässt, ist es nicht an Ihnen, ihm dauernd alles nachzutragen. Fordern Sie das Kind möglichst früh auf, selbst für seine sieben Sachen zu sorgen. Das fördert seine Selbständigkeit und dient nicht zuletzt Ihrer eigenen Entlastung.

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Bagatellgefahren

Gerade Kinder in den ersten Jahren sind einer ganzen Reihe von wirklichen, aber auch bloss vermeintlichen Gefahren ausgesetzt. Bagatellgefahren sind solche, die zwar zu Schmerzen und entsprechendem Schreien führen können, doch in aller Regel zu keinen Verletzungen, jedenfalls keinen ernsthaften. Das gilt ganz besonders, wenn das Kind zu laufen beginnt und immer wieder hinfällt oder sich irgendwo anschlägt. Nehmen Sie das unbedingt in Kauf und greifen Sie nicht ständig mit Ihren schützenden Händen ein - auch wenn Sie dabei womöglich selbst am meisten (mit)leiden. Denn viel wichtiger als Schmerzen zu verhindern ist echter Trost. Kinder lernen nämlich vor allem durch Erfahrungen und das geht nicht ohne Misserfolge. Wenn also das Kind hinfällt, bleiben Sie zunächst ruhig und warten ab, ob das Kind überhaupt schreit. Kinder beginnen häufig erst dann zu schreien, wenn die Eltern panisch reagieren. Das kommt vom Vertrauen des Kindes seinen Eltern gegenüber: Wenn die Eltern ihm zeigen, dass es leiden soll, beginnt es auch zu leiden, ob es sich weht getan hat oder nicht. Wenn Sie das Kind stattdessen aufmunternd anschauen, wird es womöglich schmunzeln und gleich wieder aufstehen, als ob nichts gewesen wäre. Versuchen Sie ein Gespür dafür zu entwickeln, wann dem Kind eine blosse Aufmunterung genüget und wann Sie ihm wirklich helfen müssen. Kinder brauchen beim Lernen vor allem die Geduld und die Ruhe der Eltern. Je mehr Sie sich darin üben, desto gelassener werden Sie!

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Fehler der Eltern

Die allermeisten Eltern erziehen ihre Kinder nicht nur nach bestem Wissen und Gewissen, sondern wollen ihre Arbeit möglichst perfekt machen. Die Absticht ist natürlich eine gut und sollte es auch Belgien. Trotzdem: eine perfekte Erziehung ist schlicht unmöglich - und Ihr Kind verlangt das von Ihnen auch gar nicht, sondern kann ganz gut mit Ihrer Unvollkommenheit umgehen, jedenfalls solange es von Ihnen spürt, dass Sie sich Mühe geben. Es ist sogar so, dass sich Kinder immer wieder darüber freuen, wenn Sie ihnen auch gelegentlich mal eine Fehler eingestehen: Lachen Sie mit ihm darüber und entspannen Sie sich! Und überlegen Sie sich mal kurz, über wieviele Missgeschicke Sie sich tagtäglich ärgern, die es eigentlich gar nicht wert sind. Da könnten Sie von einem Kind einiges lernen, wenn ihm zum Beispiel beim Baden die nasse Seife aus den Händen flutscht und es darüber lacht. Sich über eine eigene Missgeschicke zu amüsieren, kann sehr entspannend sein und eben auch der Gelassenheit dienen.

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"Schlechtes" Wetter und Dreck

Haben Sie sich auch schon einmal gefragt, weshalb sich Kinder weder über Regen noch über verdreckte Kleider beklagen? Die Antwort ist einfach, aber eigentlich auch frappant: Weil es schlicht Wichtigeres gibt im Leben! Sicher ist bei Säuglingen und auch noch bei Kleinkindern ein gewisses Mindestmass an Hygiene nötig, doch sobald Kinder zu laufen beginnen, wird es unvermeidlich, dass sie mit allem Möglichen in Kontakt kommen, vor dem Sie sich als Erwachsene schaudern mögen. Beim Thema Sauberkeit sollten Sie mit Kindern die Massstäbe also etwas grosszügiger auslegen. Und auch Kälte und Nässe sind in der Regel bloss für die Eltern ein Problem, nicht aber für die Kinder. Sie könnten das Leben also um einiges entspannter angehen, wenn Sie sich etwas weniger über die Umstände aufhalten, dafür mehr auf das Wesentliche achten.

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Grosseltern

Eltern stellen es regelmässig fest: Grosseltern scheinen schon von Natur aus gelassener mit ihren Grosskindern umzugehen. Ganz offensichtlich hat das vor allem mit ihrer Erfahrung zu tun: Die Grosseltern wissen, dass "nichts so heiss gegessen wird, wie es gekocht wird". Schauen Sie also ruhig auch mal Ihren eigenen Eltern etwas über die Schulter, sie haben nämlich an Ihnen schon sehr viel lernen können! Die Ruhe von Grosseltern hat aber auch mit der Zeit zu tun, die ihnen zur Verfügung steht, beziehungsweise die sie sich eben nehmen.

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Erziehungskompetenz

Gelassenheit ist einerseits eine der wichtigsten Erziehungskompetenzen. Gelassenheit ist andererseits aber auch ein hehres Ziel. Für manche Philosophen gehört das Erreichen von Gelassenheit sogar zu den höchsten Zielen des Lebens überhaupt. Als Eltern muss Ihnen das nicht Angst machen, sondern Sie können sich vielmehr darüber freuen, dass Ihre Kinder gewissermassen die besten Lehrmeister sind: Ihre Ausdauer ist fast grenzenlos, das heisst, wann immer etwas in Ihrer Erziehungsarbeit nicht auf Anhieb klappt, werden Sie eine nächste Gelegenheit erhalten!

Und schliesslich können Sie sich auch einfach zurücklehnen und immer wieder mal Ihren Kindern zuschauen, wie sie nach und nach ihre unglaublichen Fähigkeiten entwickeln, jederzeit bereit, Neues zu entdecken und zu lernen. Wenn Sie dieser Entwicklung vertrauen, werden Sie schon allein dadurch gelassener!

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Weiterführende Themen

Übergeordnetes Thema

Vertrauensbildung (erstes Phase der Erziehung)

Fragen und Feedback

Das "Zweimalzwei der Erziehung" ist zum Teil noch im Aufbau. Allfällige Fragen oder Feedback sind willkommen: Email

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