Hierarchie

Hierarchie in der Erziehung bedeutet, dass in den ersten, alles entscheidenden Phasen der Erziehung die Verantwortung für die Beziehung einzig und allein den Eltern zukommt. Dies ändert sich erst, wenn das Kind eine gewisse Reife erworben hat.

Erziehung und Partnerschaft

Die Hierarchie in der Erziehung steht im Gegensatz zu einer Partnerschaft, bei der beide Beteiligten die gleiche Verantwortung übernehmen. In den ersten Jahren legen die Eltern die Grundlage dafür, dass das Kind später selbständig und beziehungsfähig wird und so in einer Partnerschaft Verantwortung übernehmen kann. Bis dann aber sind die Rollen der Eltern und des Kindes ungleich verteilt:

Das an sich löbliche Erziehungsmodell einer partnerschaftlichen Erziehung ist denn auch zumindest missverständlich: Die Verantwortung für die Beziehung liegt zumindest in den ersten beiden, alles entscheidenden, Phasen der Erziehung allein bei den Eltern. Erst mit der Sozialisation, also mit dem Eintritt in die (Vor)Schule, kann und soll vom Kind mehr und mehr Verantwortung auch für die Beziehung gefordert werden.

Vertrauensbildung (bis etwa 2 Jahre)

In der Phase der Vertrauensbildung wird die Basis für die Beziehung zwischen den Eltern und dem Kind gelegt. Während das Kind bereits mit einem grenzenlosen Vertrauen in die Welt und vor allem in seine Eltern geboren wird, müssen Sie als Eltern zuerst lernen, ihm und seinen Grundbedürfnissen und Fähigkeiten zu vertrauen. Denn nur wenn das Kind sich darauf verlassen kann, dass es von seinen Eltern alles erhält, was es braucht, wird sein Vertrauen bestätigt und kann es entsprechendes Selbstvertrauen aufbauen. In dieser Zeit nimmt das Kind von Ihnen grundsätzlich alles an, da es Ihnen vertraut und Sie uneingeschränkt zum Vorbild nimmt. Zudem ist es noch besonders verletzlich und wehrlos, Ihrer Verantwortung kommt deshalb grösste Bedeutung zu.

Die hierarchische Stellung zeigt sich vor allem bei Abmachungen: Es liegt an Ihnen, mit dem Kind Regeln abzumachen, die es einhalten soll. Und es liegt ebenso an Ihnen zu kontrollieren, ob es diese Abmachungen auch einhält. Abmachungen sind einseitig von Ihnen aufgestellte Regeln. Ein ausdrückliches Einverständnis des Kindes braucht es noch nicht, da das Kind in dieser Phase sowieso grundsätzlich alles annimmt, was von Ihnen kommt. Ihre Regel muss bloss einigermassen vernünftig sein und vom Kind verstanden werden.

Die Hierarchie hat aber auch ein Kehrseite: So müssen Sie das Kind zum Beispiel selbst und allein entscheiden lassen, wie viel Nähe und Distanz es zu Ihnen braucht, wann es von Ihnen gehalten werden will und wann es losgelassen werden will.

Willensbildung  (etwa 2 bis 4 Jahre)

Wenn das Kind dann etwa im dritten Lebensjahr beginnt, seinen Willen zu entwickeln, braucht es von Ihnen konsequente Grenzen. Denn diese bringt es von Natur aus nicht mit, sondern müssen von Ihnen gesetzt werden. Sie sind also verantwortlich, dass Sie dem Kind auch „Nein!“ sagen, Sie können nicht einfach vom Kind erwarten, dass es merkt, wann es zu weit geht.

Sobald Sie gelernt haben, dem Kind klar Grenzen zu setzen, wird es auch fähig sein, mit Ihnen Vereinbarungen zu schliessen, also gemeinsame Regeln zu erarbeiten. Sie dürfen, ja sollen, dabei das Kind ruhig als vollwertigen „Verhandlungspartner“ betrachten, indem es zum Beispiel eigene Vorschläge einbringen kann, wer wann den Tisch deckt. Allerdings bleiben Sie verantwortlich dafür, dass die Vereinbarung auch tatsächlich umgesetzt wird. Wenn das Kind also vergisst, den Tisch zu decken, müssen Sie es daran mahnen.

Ihre hierarchische Stellung erlaubt Ihnen schliesslich nicht, die Grenzen des Kindes zu ignorieren. Sie müssen sein „Nein!“ genauso respektieren, wie Sie es umgekehrt vom Kind auch fordern.

Sozialisation bis Pubertät (etwa 4 bis 16 Jahre)

Mit dem Abschluss der beiden ersten Phasen der Erziehung, also mit der Sozialisation beziehungsweise dem Eintritt in die (Vor)Schule, sollte das Kind schliesslich so reif sein, dass es auch Verantwortung für Beziehungen übernehmen kann. Von da an wandelt sich Ihre Erziehungsarbeit in eine Art Begleitung des Kindes und Ihre Verantwortung nimmt bis zur völligen Selbständigkeit laufend ab. Die Hierarchie zwischen Ihnen und dem Kind tritt mehr und mehr in den Hintergrund.

Haben Sie bis sich bis zur Pubertät hingegen noch nicht auf eine mehr partnerschaftliche Beziehung zu Ihrem Kind eingestellt, wird sie nun spätestens jetzt vom Jugendlichen regelmässig und mit ziemlicher Vehemenz gefordert. Und Sie werden auch gar keine andere Wahl mehr haben, als mit dem Jugendlichen auf Augenhöhe zu kommunizieren, denn jetzt kommen Sie auch mit Gewalt nicht mehr weiter, da es mit Ihrer bisherigen körperlichen Überlegenheit vorbei sein dürfte.

Metaebene

Der Respekt, den Eltern ihren Kindern heutzutage erfreulicherweise entgegenbringen, verleitet offenbar häufig dazu, den Kindern auch die Erziehung zu erklären („Ich kaufe Dir jetzt keinen Schokoriegel, damit Du lernst, auf Deinen Bauch zu hören“). Damit sind Kinder jedoch überfordert, denn weder können sie die dahinter stehenden Abstraktionen verstehen, noch ist es ihre Aufgabe, sich überhaupt Gedanken zur Erziehung zu machen. Diskussionen darüber, wie Sie Ihre Kinder erziehen, sollten Sie also mit Ihrem Partner oder sonstigen Vertrauenspersonen besprechen, und zwar in Abwesenheit der Kinder. Kinder kommen im übrigen auch gar nicht von sich aus auf die Idee, nach erzieherischen Überlegungen zu fragen. Hingegen wollen sie mit zunehmender Reife durchaus eine Begründung dafür, weshalb diese oder jene Regel gelten soll. Sie sollten also eine konkrete und für das Kind plausible Erklärung haben, weshalb sie dem Kind den Schokoriegel nicht kaufen wollen (wie zum Beispiel „Zu viel Zucker ist nicht gut Deinen Bauch“).

Hierarchie und Autorität

Kinder nehmen ihre Eltern von Natur aus zum Vorbild. Schon allein deshalb werden Sie von ihnen als natürliche Autorität anerkannt. Dieser Rolle müssen Sie sich denn auch bewusst sein: Die Verantwortung für die Beziehung liegt bei Ihnen und nicht beim Kind!

Das heisst gerade nicht, dass Sie einfach tun und schalten sollen, wie es Ihnen gerade passt, sondern dass Sie sich im Klaren sind, was das Kind gerade von Ihnen braucht, also zum Beispiel ein verständnisvolles „Ja“ oder ein konsequentes „Nein!“.

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