Trost

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Ein Kleinkind muss immer wieder mit irgendwelchen Schmerzen oder Trauer umgehen, sei es, dass es sich beim Hinfallen anschlägt, sei es, dass die Eltern nicht schnell genug bemerkt haben, dass es Hunger hat. Für Kinder sind Schmerz und Trauer kein Problem, voraussetzt sie werden immer und bedingungslos getröstet!

Trost ist eines der wichtigsten Grundbedürfnisse des Kindes: Nur wenn das Kind sich darauf verlassen kann, dass sich seine Eltern zuverlässig seiner Sorgen annehmen, wird sein Vertrauen in diese bestätigt und kann es in gleichem Masse Selbstvertrauen entwickeln. Trösten ist denn auch vor allem in der Phase der Vertrauensbildung eine der wichtigsten Erziehungskompetenzen der Eltern.

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Vertrauensbildung (bis etwa 2 Jahre)

Kinder kommen mit einem grenzenlosen Vertrauen in die Welt, sie gehen grundsätzlich davon aus, dass alles gut ist und alles was dem zuwiderläuft, ist eine Art Enttäuschung, ganz gleich ob es die Kopfbedeckung ist, die kratzt oder der Brei, der zu heiss ist. Um mit dieser "Unbill des Lebens" umgehen zu können, braucht das Kind Trost. Trost spenden heisst zunächst, das Kind

Weiter gar nichts! Geben Sie dem Kind keine Erklärungen für seinen Schmerz ab, machen Sie ihm keine Vorwürfe für sein Missgeschick und erteilen Sie auch keine noch so gut gemeinten Ratschläge. Trösten bedeutet in erster Linie Zeit für das Kind haben und es zur Ruhe kommen lassen. Lassen Sie dabei das Kind solange ausweinen, wie es weint! Es macht überhaupt keinen Sinn, ihm zu sagen, es solle mit weinen aufhören oder gar den Schmerz verharmlosen zu wollen, indem Sie ihm sagen, dass das doch gar nicht so schlimm sei. Wenn ein Kind weint, ist es für das Kind immer schlimm. Ein Kind weint nicht mit irgendeiner Absicht, sondern ausschliesslich weil es Schmerz oder Trauer fühlt.

Erst wenn sich das sich das Kind beruhig hat, können Sie es fragen, was denn geschehen ist oder wo genau es weh macht (gut möglich, dass das Leid ein ganz andres ist, als Sie dachten!). Nehmen Sie sich auch dafür Zeit, denn häufig weiss das Kind schon gar nicht mehr, was eigentlich der Auslöser für den Kummer war. In aller Regel genügt es dem Kind schon völlig, dass Sie sich ihm angenommen haben und es wird gleich wieder munter davon springen. Wenn Ihnen das Kind antwortet, dass es zum Beispiel den Kopf an der Tischkante angeschlagen habe, können Sie immer noch erklären, wie es dazu kam und was es beim nächsten Mal anders machen könnte: Gehen Sie mit ihm zum Tisch und zeigen Sie ihm, wo die Gefahr liegt. Damit hat das Kind in der Regel schon genügend gelernt hat und wird sich beim nächsten Sprint durch die Stube vor der gefährlichen Kante in Acht nehmen!

Kein Trost ist, wenn dem Kind als erstes gesagt wird, dass „es doch besser hätte aufpassen sollen“, dass „es doch schon mehrfach gewarnt worden sei“ und überhaupt dass es "ungeschickt und blöd sei". Solche Vorwürfe und Belehrungen haben in der Erziehung überhaupt keinen Platz, schon gar nicht nicht während den ersten, entscheidenden Jahren. Auch Erklärungen oder gar Verbote für die Zukunft sind weder Trost noch sonst eine Hilfe: Das Kind braucht die Erklärung gar nicht, da es den Zusammenhang zwischen Missgeschick und Schmerz ja gerade selbst erlebt hat und ihn deshalb am besten kennt.

Trost ist für ein Kind, insbesondere in den beiden ersten Jahren der Vertrauensbildung, etwas vom Entscheidendsten für die Entwicklung überhaupt! Ein richtig getröstetes Kind entwickelt Selbstvertrauen, Frustrationstoleranz und ein gesundes Risikobewusstsein. Demgegenüber führt unterlassener oder schlechter Trost zu jammernden und weinerlichen Kindern.

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Willensbildung (etwa 2 bis 4 Jahre)

Mit der Willensbildung ab etwa dem dritten Lebensjahr kommt dem Trost eine ganz neue, auf den ersten Blick nicht so offensichtliche Rolle zu. Der frisch erwachte Wille kann im Kind ungeahnte Energien freisetzen, die nicht nur die Eltern erschrecken und regelmässig auf dem falschen Fuss erwischen, sondern auch das Kind selbst überfordern können.

Wenn das Kind erfährt, was es alles anstellen kann, wenn es nur will, können geradezu Allmachtsphantasien in ihm entstehen. Der grosse Bruder glaubt dann zum Beispiel, dass die kleine Schwester ihm allein gehöre und er entsprechend befehlen könne, was diese zu tun, zu lassen oder zu erdulden habe. Dem müssen Sie als Eltern natürlich einen Riegel schieben, das heisst, Sie müssen dem Jungen Grenzen setzen. Für das Kind ist das zunächst einmal ein grosser Frust, wenn es seine Macht nicht ungehemmt ausleben kann. Es wird deshalb vielleicht zu toben beginnen. In diesem Moment braucht es genauso Trost, bloss sieht der nun etwa anders aus: Sie müssen zwar als Erstes auch einmal

  • wortlos, aber aufmerksam warten,
  • das Kind nun aber nicht halten (dagegen wird es sich mit grösster Wahrscheinlichkeit vehement wehren), sondern
  • beim ihm bleiben und schliesslich, wenn das Kind aufhört zu schreien,
  • für eine Versöhnung bereit sein (viele Kinder wollen dann, wenn sie sich wieder beruhigt haben, durchaus in den Arm genommenen werden).

Ob das Kind noch eine Erklärung braucht, weshalb Sie es mit Ihrem "Nein" stoppten, können Sie ihm überlassen, das heisst warten, bis es allenfalls von sich aus danach fragt. Meistens aber ist das gar nicht nötig, denn es geht schlicht und einfach darum, dass das Kind erfahren hat, dass Sie seinem Willen eine Grenze gesetzt haben.

Trost in der Phase der Willensbildung hat also vor allem Versöhnung zum Ziel, wenn der Wille des Kindes auf den Willen seiner Umgebung gestossen ist. Dabei sollten Sie anfangs lieber "zu hart" als zu weich sein, denn das Kind muss Grenzen eindeutig zu spüren bekommen, ansonsten es sehr schnell den Halt zu verlieren droht. Je konsequenter Sie bei den ersten Konfrontationen sind, desto schneller können Sie wieder etwas weicher werden. Unwesentlich ist im übrigen auch, ob Ihre Grenzen enger oder weiter sind (als zum Beispiel die bei den Grosseltern). Wichtig ist einzig, dass Sie sofort mit einem "Nein!" reagieren, sobald Sie die Grenzüberschreitung wahrnehmen. Kinder können nämlich sehr gut damit umgehen, dass an einem anderen Ort mehr oder weniger erlaubt ist. Mühe haben Kinder bloss mit halbherzig gesetzten Grenzen.

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Trost ist ein Grundbedürfnis

Wenn ein Kind schreit, weil es sich zum Beispiel mit einem Werkzeug verletzt hat, mit dem es eigentlich gar nicht hantieren durfte, braucht es "trotzdem" Trost. Denn Trost ist ein Grundbedürfnis des Kindes. Der Trost muss deshalb immer bedingungslos sein, also unabhängig davon, ob das Kind "selbst schuld" an der Misere ist oder ob es von einem anderen Kind geschlagen wurde.

Grundbedürfnisse des Kindes sollten insbesondere in der Phase der Vertrauensbildung Vorrang vor allem anderen haben, also grundsätzlich auch vor Ihren eigenen Bedürfnissen als Eltern! In den ersten beiden Lebensjahren des Kindes müssen Sie deshalb bereit sein, im Zweifel grundsätzlich zu Gunsten des Kindes zu entscheiden. Das kann zum Beispiel bedeuten, dass Sie auch mal einen Bus verpassen, weil das Kind auf dem Weg zur Haltestelle hingefallen ist und nun zuallererst getröstet werden will, bevor es auch nur einen weiteren Schritt machen kann. Jungen Eltern mag das anfangs schwer fallen, da sie sich zum Beispiel gewohnt sind, Wegzeiten knapp berechnen zu können. Gerade Kleinkinder brauchen aber auch Zeit für Unvorhergesehenes. Diese Zeit müssen Sie als Eltern unbedingt "investieren" können, zumal Sie schon bald überaus grosszügig dafür belohnt werden! Denn ein Kind, das genügend getröstet wurde, lernt entsprechend schnell mit Frustration umzugehen und kann seinerseits Toleranz entwickeln.

Trost braucht das Kind, sobald es schreit. Das gilt in der Phase der Vertrauensbildung unbedingt. Gerade Kleinkinder sind bei Schmerz oder Trauer kaum mehr fähig, sich sprachlich auszudrücken, sondern schreien einfach. Zureden oder Fragen der Eltern helfen dann rein gar nichts. Vergessen Sie auch gleich, dass das Kind mit Schreien irgendetwas bezwecken würde, dazu ist es noch gar nicht fähig (es sei denn, es wäre schon vorher durch manipulierende Eltern "verzogen" worden). Erklärungen oder gar Begründungen sind also weder nötig noch hilfreich, wären sogar kontraproduktiv. Das Kind braucht einzig und allein Trost, bedingungs- und voraussetzungslos! Als Eltern müssen Sie also nicht einmal nachträglich in Erfahrung bringen können, um was es ging, wenn Sie das Kind bloss getröstet haben. Kleinkinder leben ja noch voll im Hier und Jetzt, das heisst, alles, was gerade war, hat im nächsten Moment schon keine Wichtigkeit mehr.

Kinder hingegen, die nicht genügend getröstet werden, beginnen sehr schnell zu jammern und entwickeln Strategien, wie sie wenigstens zu einer Ersatzbefriedigung kommen. Solches Fehlverhalten verlieren Kinder dann aber nicht einfach so, sondern es kann sich ganz im Gegenteil zu eigentlichen psychischen Störungen entwickeln (wie zum Beispiel Sucht oder Depressionen).

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Ironie ist kein Trost

Trauer und Schmerz, überhaupt die Gefühle des Kindes, müssen ernst genommen werden. Ironie - nicht zu verwechseln mit Humor! - ist in der Erziehung ein schlechter Ratgeber. Wenn das Kind hinfällt und Sie reagieren mit "Hast Du das Mäuschen gefangen?" wird das Kind im besten Fall verwirrt reagieren. Denn Kinder vertrauen ihren Eltern voll, das heisst, sie glauben zunächst einmal alles wortwörtlich, was diese sagen. Sprachwitz können sie noch nicht verstehen! Gut möglich aber, dass sich das Kind abgelehnt fühlt, da es sich von seinen Eltern gar nicht ernst genommen fühlt.

Noch heikler ist Spott oder gar Sarkasmus. Wenn sich das Kind zum Beispiel am Feuer verbrennt und schreiend zu Ihnen kommt, braucht es einzig Trost und nicht etwa Bemerkungen nach dem Muster "Geh doch noch näher ans Feuer". Wenn sich ein Kind von seinen eigenen Eltern verspottet fühlt, wird es sich früher oder später dafür revanchieren wollen, zum Beispiel durch hinterhältiges Verhalten.

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"Trost vor Recht"

Wenn zum Beispiel die Schwester den jüngeren Bruder geschlagen hat, stellt sich für Eltern die Frage, ob sie zuerst die "Täterin" tadeln oder das schreiende "Opfer" trösten sollen. Trost sollte immer Vorrang haben, das ist durchaus vergleichbar mit einem Verkehrsunfall, wo es in erster Linie darum geht, allfällige Verletzte in Sicherheit zu bringen. Es geht aber auch um eine Art Deeskalation: Bei Kindern genügen in der Regel schon wenige Minuten Ruhe um wieder eine Versöhnung herbeizuführen. Wenn Sie also die kleine "Schlägerin" nicht schon in flagranti von ihrem Tun haben abhalten können, warten Sie besser, bis Sie den Jungen getröstet haben und klären Sie die Situation danach in aller Ruhe (zumal ja vor dem Schlag durchaus auch eine Provokation vorangegangen sein könnte, die Sie nicht mitbekommen haben!).

Wenn Sie hingegen die schlagende Schwester lauthals senkeln, während der Kleine noch schreit, wird diese womöglich auch noch zu toben beginnen und die Situation kann sehr schnell eskalieren, sodass Sie am Ende womöglich gleich zwei "Parteien" haben, die eigentlich beide Trost bräuchten, jedoch, da immer noch zerstritten, kaum zusammen auf Ihrem Schoss Platz nehmen wollen. Ganz abgesehen davon, dass Sie unter diesen Umständen auch kaum mehr die nötige Gelassenheit aufbringen können.

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Folgen von mangelndem Trost

Wenn ein Kind nicht unmittelbar und bedingungslos getröstet wird, verliert es sein Vertrauen in die Eltern und kann somit entsprechend wenig Selbstvertrauen aufbauen. Vor allem in den ersten beiden Lebensjahren braucht das Kind die Bestätigung, dass die Welt gut zu ihm ist. Und diese Bestätigung braucht das Kind von seinen Eltern, da diese anfangs sein ganzes Universum darstellen. Kinder, die von den Eltern zu wenig oder falschen Trost erhalten, suchen sich diesen entweder anderswo oder sie beginnen, wenn ihnen das nicht gelingt, irgendwann zu resignieren. Mögliche Folgen sind (in alphabetischer Reihenfolge):

Mangelnder Trost vermindert das Selbstvertrauen, also eine der wichtigsten Voraussetzungen für ein erfülltes Leben. Selbstvertrauen ist die Grundlage für Selbständigkeit und Beziehungsfähigkeit. Zudem ist die Zeit, in der das Kind Trost braucht und auch einfach getröstet werden kann, sehr kurz: es geht vor allem um die beiden ersten Jahre seines Lebens. Wenn diese Phase vorüber ist, können die Eltern kaum mehr etwas "nachholen". Entweder findet das Kind dann Mittel und Wege, wie es anderswo Trost findet (wobei die Gefahr des Missbrauchs oder der Abhängigkeit naturgemäss gross ist) oder es verliert irgendwann seinen Glauben an das Leben vollends und wird dann im besten Fall in einer Therapie landen, um die Wunden der Kindheit zu heilen versuchen oder eben im schlechteren Fall Trost in Drogen und ähnlichem suchen.

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Übergeordnetes Thema

Vertrauensbildung (erstes Phase der Erziehung)

Fragen und Feedback

Das "Zweimalzwei der Erziehung" ist zum Teil noch im Aufbau. Allfällige Fragen oder Feedback sind willkommen: Email

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