Jein

Aus 2 x 2 der Erziehung
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Die beiden wichtigsten Wörter in der Erziehung sind "Ja" und "Nein". Allerdings gilt in den beiden ersten, alles entscheidenden Phasen der Erziehung des Kindes ein striktes "Entweder oder", das heisst, Sie dürfen die beiden Prinzipien nicht vermischen, sondern müssen möglichst klar sein, um vom Kind verstanden zu werden.

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Vertrauensbildung (bis etwa 2 Jahre)

Bedingungsloses "Ja"...

Während der Phase der Vertrauensbildung dürfen und sollen Sie möglichst immer und bedingungslos "Ja" zu Ihrem Kind sagen. Denn Kinder haben in diesem Alter lediglich Grundbedürfnisse. Und sie vertrauen vollkommen, dass ihre Eltern ihnen immer und sofort helfen können. Nur wenn dieses Vertrauen von den Eltern bestätigt wird, kann das Kind entsprechendes Selbstvertrauen entwickeln. "Ja" sagen bedeutet auch, dass Sie den Fähigkeiten des Kindes vertrauen. Wenn es zum Beispiel lernt zu laufen, sollen Sie es freudig ermuntern, statt es vor irgendwelchen - meist völlig harmlosen! - Gefahren zu warnen. Lassen Sie auch alle unnötigen Einschränkungen weg. Wenn das Kind zum Beispiel selbst essen will, dürfen Sie sich freuen, statt ihm das nur mit der Bemerkung "Aber nur wenn Du schön isst!" gestatten. Als junge Eltern werden Sie sich an einige Unannehmlichkeiten wie verdreckte Böden oder mangelnde Ruhe gewöhnen müssen. Trotzdem sollten Sie grundsätzlich immer uneingeschränkt "Ja" sagen. Kommen Sie dabei an Ihre Grenzen dürfen Sie aber ebenso klar "Nein!" sagen. Wenn Sie zum Beispiel keine Kraft mehr haben, das Kind zu tragen, sollen Sie ihm das offen und ehrlich sagen ("Ich mag nicht mehr, ich bin zu müde!"), statt zum Beispiel das Kind widerwillig mit der Bemerkung "Muss das sein, Du Faulpelz!" hochzunehmen.

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Willensbildung (etwa 2 bis 4 Jahre)

...und konsequentes "Nein!"

Wenn das Kind beginnt seinen Willen zu entwickeln, in der Regel etwa im dritten Lebensjahr, müssen Sie ihm als Eltern auch Grenzen setzen. Das Kind braucht Ihr "Nein!", einmal, aber laut und deutlich und in voller Überzeugung ausgesprochen. Eltern haben häufig Angst davor, weil sie meinen, sie seien dann "böse" oder sie könnten ihren so süssen Kleinen doch gar nichts verwehren. Sie versuchen dann das "Nein!" mit allen möglichen Floskeln zu vermeiden ("Geht's noch?", "Vielleicht später.", "Muss das sein?","Also, das gefällt Papi gar nicht.", "Jetzt ist dann bald genug.", "Wie viel mal soll ich Dir noch "Nein" sagen?"). Es sind Floskeln, mit denen weder "Ja" noch "Nein!" gesagt wird. Im besten Fall wird das Kind protestieren, im schlimmsten Fall wird es verwirrt, weil es (noch) nicht verstehen kann, was damit gemeint ist. Kinder brauchen gerade in dieser Phase Klartext. Seien besser einmal "zu hart" als zehnmal "zu weich". Ihr Kind braucht den Widerstand. Und wenn es zu toben beginnt, müssen Sie lernen, angemessen darauf zu reagieren.

Kinder können mit Ihrem "Nein!" immer dann umgehen, wenn Sie in der Phase zuvor von Ihnen ein klares "Ja" erhalten haben, das heisst eine genügende Vertrauensbasis besteht. Und sie brauchen das selbstverständlich auch jetzt noch. Sie sollten sich also möglichst immer im Klaren sein, auf welche Forderungen und Wünsche des Kindes Sie was antworten. Das wird Ihnen natürlich nicht immer gelingen. Wichtiger als die richtige Antwort ist aber, dass Sie konsequent bei Ihrer Antwort bleiben, denn das Kind vertraut Ihnen und kann mit einem "Nein!" zu viel besser umgehen als mit Wankelmütigkeit!

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Sozialisation bis Pubertät (etwa 4 bis 16 Jahre)

"Ja" ODER "Nein!"

Spätestens nach den beiden ersten, alles entscheidenden Phasen der Erziehung sollten Sie so weit sein, dass Sie spielend zwischen den beiden Prinzipien wechseln können, so wie Sie beim Autofahren auch ohne jegliche Mühe zwischen dem Gas- und Bremspedal wechseln können. Ebenso können Sie sanft bremsen oder schalten und angepasst beschleunigen. Auf Ihre Kinder übertragen heisst das, dass Sie nicht mehr plötzlich mit aller Kraft "Nein!" schreien müssen, sondern dass die Kommunikation mehr und mehr partnerschaftlich verläuft. So können Sie sich auf Diskussionen einlassen und sich auch einmal von überzeugenden Argumenten umstimmen lassen. Denn wenn das Kind genügend reif ist, was es mit der Sozialisation ja eigentlich sein sollte, wird es auch mit den Zwischentönen umgehen können, wie Bedingungen oder Relativierungen, von denen es zuvor noch überfordert gewesen wäre.

Bleiben Sie in Ihren Aussagen trotzdem immer noch klar und eindeutig. Sie müssen ja nicht immer sofort antworten, wenn Sie unsicher sind, sondern können sich Zeit zum Überlegen ausbedingen, denn Kinder können sich ab diesem Alter die Zukunft (wie auch die Vergangenheit) vorstellen, es muss also nicht mehr alles im Hier und Jetzt geschehen.

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Mögliche Folgen

Kinder sind in den ersten Jahren überfordert, wenn ihnen nicht klar gesagt wird, was gilt. Sie werden verunsichert und verlieren ihr an sich von Geburt an vorhandenes Vertrauen in ihre Eltern. Eltern sind für Kinder in den ersten Jahren wie Leuchttürme, an denen sich Schiffe orientieren können. Sind sie nicht klar ersichtlich oder verschieben sich gar, ist eine Orientierung nicht oder nur erschwert möglich. Interessant ist übrigens, um die Analogie weiterzuverfolgen, dass es weniger eine Rolle spielt, wo der Leuchtturm steht, als vielmehr, dass man sich darauf verlassen kann, dass er an einer bestimmten Stelle ist und bleibt. So ist es für das Kind zum Beispiel unwesentlich, ob Ihnen der Lärm früher oder später als bei den Grosseltern zu gross ist, Hauptsache Sie haben eine bestimmte Linie, an der das Kind sich orientieren kann. Können sich Eltern zu wenig zwischen einem bedingungslosen "Ja" und einem konsequenten "Nein!" entscheiden, kann das mannigfaltige Folgen haben:

  • Mangelndes Selbstvertrauen: Kinder gewinnen ihr Selbstvertrauen in erster Linie aus dem Vertrauen der Eltern. Wenn dieses gestört ist, weil sie gar nicht wissen, auf welche Aussagen sie sich verlassen können, können sie entsprechend schlecht Selbstvertrauen aufbauen. Wenn Eltern zu ihrem Kind bloss halbherzig "Ja"" sagen können, wird es sich entsprechend wenig zutrauen und später womöglich als Duckmäuser empfunden. Wird es dafür auch noch ausgelacht, kann schnell ein Teufelskreis entstehen, sodass das Kind auch noch zu jammern beginnt.
  • Willensschwäche: Kinder brauchen den Widerstand der Eltern, um ihren Willen ausleben zu können. Wenn das "Nein!" der Eltern zu halbherzig ist, können sie auch ihren Willen nicht kultivieren. Das zeigt sich dann zum Beispiel in Form eines Mangels an Frustrationstoleranz, Ausdauer oder Geduld. Je länger Eltern mit einem klaren "Nein!" warten, desto länger wird die Hoffnung des Kindes hingehalten, dass es sie doch noch erweichen kann. Der Wille des Kindes brodelt dann gewissermassen weiter, sodass sich Eltern gerne über ein nervendes Kind oder die Schule über einen Störenfried zu beklagen beginnen. Wird das dann auch noch dem Kind vorgeworfen, kann schnell ein Teufelskreis entstehen. Sie tun deshalb sowohl sich selbst als auch dem Kind einen grossen Gefallen, wenn Sie ohne lang zu zögern "Nein!" sagen und dafür lernen, auf allfälliges Toben des Kindes angemessen zu reagieren.

Das "Ja" und das "Nein!" bedingen sich gegenseitig. Es ist also nicht so, wie häufig gemeint, dass man "einfach schlecht 'Nein!' sagen" könnte, es ist vielmehr so, dass solche Menschen regelmässig auch Mühe haben, wirklich "Ja" zu sagen! Eltern, die nie gelernt haben, zu ihrem Kind wirklich "Ja" zu sagen, werden umso mehr Mühe haben, mit der nötigen Konsequenz "Nein!" sagen zu können: Sie haben dauernd Angst, mit ihrem "Nein!" die Zuneigung ihres Kindes zu verlieren. Das Ergebnis ist dann eben eine Form von "Jein", also weder Fisch noch Vogel, eine Mischung.

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Fragen und Feedback

Das "Zweimalzwei der Erziehung" ist zum Teil noch im Aufbau. Allfällige Fragen oder Feedback sind willkommen: Email


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