Jein: Unterschied zwischen den Versionen

Aus 2 x 2 der Erziehung
Zur Navigation springen Zur Suche springen
Keine Bearbeitungszusammenfassung
Keine Bearbeitungszusammenfassung
 
(63 dazwischenliegende Versionen desselben Benutzers werden nicht angezeigt)
Zeile 1: Zeile 1:
{{Aufbau}}
<metadesc>Kinder brauchen von den Eltern entweder ein bedingungsloses "Ja" oder ein konsequentes "Nein!", ansonsten sie verwirrt werden und das Vertrauen in ihre Eltern verlieren.</metadesc>
Die beiden wichtigsten Wörter in der Erziehung sind [[Ja der Eltern|"Ja"]] und [[Nein der Eltern|"Nein"]]. Allerdings gilt in den beiden [[Phasen der Erziehung|ersten, alles entscheidenden, Lebensphasen]] des Kindes ein striktes [[Entweder oder|"Entweder oder"]]:
{{Definition}}
* In der '''ersten Phase, also jener der Vertrauensbildung''' in den beiden ersten Lebensjahren, sollen die Eltern möglichst immer und uneingeschränkt "Ja" zu ihrem Kind sagen. Das heisst ihrem Kind vertrauen, was es immer macht oder verlangt. Das Kleinkind braucht diese andauernde [[Bestätigung]], diese bedingungslose Erfüllung seiner [[Grundbedürfnisse des Kindes|Grundbedürfnisse]], um [[Selbstvertrauen]] aufbauen zu können.
Die beiden wichtigsten Wörter in der Erziehung sind [[Ja der Eltern|"Ja"]] und [[Nein der Eltern|"Nein"]]. Allerdings gilt in den beiden ersten, alles entscheidenden [[Phasen der Erziehung]] des Kindes ein striktes [[Entweder oder|"Entweder oder"]], das heisst, Sie dürfen die beiden Prinzipien nicht vermischen, sondern müssen möglichst [[Klarheit|klar]] sein, um vom Kind verstanden zu werden.
* In der '''zweiten Phase, also jener der Willensbildung''' in den beiden folgenden Jahren geht es gewissermassen um das Gegenstück dazu: Wenn das Kind seinen [[Willensbildung|Willen]] entwickelt, müssen Sie ihm als Eltern auch [[Grenzen]] setzen, ansonsten es den Halt verliert und schon bald zum Tyrannen wird. Das Zauberwort dazu heisst eben "Nein".


"Jein" bedeutet demgegenüber, dass Sie weder "Ja" noch "Nein" sagen, sondern Dinge wie:
{{top}}
* Geht's noch?
* Ja, vielleicht.
* Kannst Du, bitte...?
* Muss das sein?
* Also, nein, das gefällt Papi nicht.
* Aber nur, wenn Du...
* Jetzt ist dann bald genug.
* Wieviel mal soll ich Dir noch "Nein" sagen?


Solche Phrasen können Erwachsene in der Regel verstehen beziehungsweise einigermassen richtig deuten. Ein Kind in den ersten rund vier Jahren hingegen ist damit schlicht [[Überforderung des Kindes|überfordert]]! In dieser Zeit müssen Sie mit dem Kind zwingend [[Klartext]] sprechen, ansonsten es Sie nicht oder nur ungenügend versteht. Wenn das Kind aber nie ganz sicher ist, ob Sie wirklich "Ja" meinen, fühlt es sich zu wenig angenommen und wird verunsichert. Und wenn das Kind dann erst einmal seinen Willen zu entwickeln beginnt (was dann häufig als Trotz betrachtet wird), muss das "Nein" noch viel eindeutiger kommen, denn der Wille ist gerade zu Beginn dieser Entwicklung häufig enorm heftig und sprichwörtlich nicht zu bändigen. Da helfen dann alle verklausulierten Formulierungen nichts mehr. Um eine Grenze zu setzen, bedarf es vielmehr ein einziges, aber laut und deutlich ausgesprochenes "Nein!".  
{{2}}
===Bedingungsloses "Ja"===
Während der Phase der [[Vertrauensbildung]] dürfen und sollen Sie möglichst immer und bedingungslos [[Ja der Eltern|"Ja"]] zu Ihrem Kind sagen. Denn Kinder haben in diesem Alter lediglich [[Grundbedürfnisse des Kindes|Grundbedürfnisse]]. Und sie [[Vertrauen des Kindes|vertrauen]] vollkommen, dass ihre Eltern ihnen immer und sofort helfen können. Nur wenn dieses Vertrauen von den Eltern bestätigt wird, kann das Kind entsprechendes [[Selbstvertrauen]] entwickeln. "Ja" sagen bedeutet auch, dass Sie den [[Fähigkeiten]] des Kindes [[Vertrauen der Eltern|vertrauen]]. Wenn es zum Beispiel lernt zu [[Laufen lernen|laufen]], sollen Sie es freudig ermuntern, statt es vor irgendwelchen - meist völlig harmlosen! - Gefahren zu warnen. Lassen Sie auch alle unnötigen Einschränkungen weg. Wenn das Kind zum Beispiel selbst essen will, dürfen Sie sich [[Freude der Eltern|freuen]], statt ihm das nur mit der Bemerkung "Aber nur wenn Du schön isst!" gestatten. Als junge Eltern werden Sie sich an einige Unannehmlichkeiten wie verdreckte Böden oder mangelnde Ruhe gewöhnen müssen. Trotzdem sollten Sie grundsätzlich immer uneingeschränkt "Ja" sagen. Kommen Sie dabei an Ihre [[Grenzen der Eltern|Grenzen]] dürfen Sie aber ebenso klar [[Nein der Eltern|"Nein!"]] sagen. Wenn Sie zum Beispiel keine Kraft mehr haben, das Kind zu tragen, sollen Sie ihm das [[Offenheit der Eltern|offen]] und [[Ehrlichkeit der Eltern|ehrlich]] sagen ("Ich mag nicht mehr, ich bin zu müde!"), statt zum Beispiel das Kind widerwillig mit der Bemerkung "Muss das sein, Du Faulpelz!" hochzunehmen.  


Eltern schliesslich, die nie gelernt haben, zu ihrem Kind wirklich "Ja" zu sagen, werden umso mehr Mühe haben, mit der nötigen Konsequenz "Nein" sagen zu können: Sie haben dauernd Angst, mit einem "Nein" die Zuneigung ihres Kindes zu verlieren. Das Ergebnis ist dann regelmässig eine Art "Jein", also weder Fisch noch Vogel, eine Mischung, mit der das Kind nichts anfangen kann und im besten Fall mit [[Verwirren|Verwirrung]] und [[Jammern]], im schlimmsten Fall mit [[Totalopposition]], [[Zerstörungswut]] und ähnlichem reagiert.
{{top}}
 
{{4}}
 
===Konsequentes "Nein!"===
Wenn das Kind beginnt seinen [[Willensbildung|Willen zu entwickeln]], in der Regel etwa im dritten Lebensjahr, müssen Sie ihm als Eltern auch [[Grenzen]] setzen. Das Kind braucht Ihr [[Nein der Eltern|"Nein!"]], einmal, aber [[laut und deutlich]] und in voller Überzeugung ausgesprochen. Eltern haben häufig Angst davor, weil sie meinen, sie seien dann "böse" oder sie könnten ihren so süssen Kleinen doch gar nichts verwehren. Sie versuchen dann das "Nein!" mit allen möglichen Floskeln zu vermeiden ("Geht's noch?", "Vielleicht später.", "Muss das sein?","Also, das gefällt Papi gar nicht.", "Jetzt ist dann bald genug.", "Wie viel mal soll ich Dir noch "Nein" sagen?"). Es sind Floskeln, mit denen weder "Ja" noch "Nein!" gesagt wird. Im besten Fall wird das Kind [[protestieren]], im schlimmsten Fall wird es  [[Verwirren|verwirrt]], weil es (noch) nicht verstehen kann, was damit gemeint ist. Kinder brauchen gerade in dieser Phase [[Klartext]]. Seien besser einmal "zu hart" als zehnmal "zu weich". Ihr Kind braucht den [[Widerstand der Eltern|Widerstand]]. Und wenn es zu toben beginnt, müssen Sie [[Lernen der Eltern|lernen]], [[Toben#Angemessene_Reaktion|angemessen darauf zu reagieren]].
 
Kinder können mit Ihrem "Nein!" immer dann umgehen, wenn Sie in der Phase zuvor von Ihnen ein klares "Ja" erhalten haben, das heisst eine genügende [[Vertrauen|Vertrauensbasis]] besteht. Und sie brauchen das selbstverständlich auch jetzt noch. Sie sollten sich also möglichst immer im Klaren sein, auf welche [[Forderungen des Kindes|Forderungen]] und [[Wünsche des Kindes]] Sie was antworten. Das wird Ihnen natürlich nicht immer gelingen. Wichtiger als die richtige Antwort ist aber, dass Sie [[konsequent]] bei Ihrer Antwort bleiben, denn das Kind vertraut Ihnen und kann mit einem "Nein!" zu viel besser umgehen als mit [[Konsequent|Wankelmütigkeit]]!
 
{{top}}
 
{{8}}
 
==="Ja" ODER "Nein!"===
Spätestens nach den beiden ersten, alles entscheidenden [[Phasen der Erziehung]] sollten Sie so weit sein, dass Sie spielend zwischen den beiden Prinzipien wechseln können, so wie Sie beim Autofahren auch ohne jegliche Mühe zwischen dem Gas- und Bremspedal wechseln können. Ebenso können Sie sanft bremsen oder schalten und angepasst beschleunigen. Auf Ihre Kinder übertragen heisst das, dass Sie nicht mehr plötzlich mit aller Kraft "Nein!" schreien müssen, sondern dass die Kommunikation mehr und mehr partnerschaftlich verläuft. So können Sie sich auf Diskussionen einlassen und sich auch einmal von überzeugenden Argumenten umstimmen lassen. Denn wenn das Kind genügend [[reif]] ist, was es mit der [[Sozialisation]] ja eigentlich sein sollte, wird es auch mit den Zwischentönen umgehen können, wie Bedingungen oder [[Relativieren|Relativierungen]], von denen es zuvor noch [[Überforderung des Kindes|überfordert]] gewesen wäre.
 
Bleiben Sie in Ihren Aussagen trotzdem immer noch klar und eindeutig. Sie müssen ja nicht immer sofort antworten, wenn Sie unsicher sind, sondern können sich Zeit zum Überlegen ausbedingen, denn Kinder können sich ab diesem Alter die Zukunft (wie auch die Vergangenheit) vorstellen, es muss also nicht mehr alles im [[Hier und Jetzt]] geschehen.
 
{{top}}
 
==Mögliche Folgen==
Kinder sind in den ersten Jahren [[Überforderung des Kindes|überfordert]], wenn ihnen nicht klar gesagt wird, was gilt. Sie werden verunsichert und verlieren ihr an sich von Geburt an vorhandenes [[Vertrauen des Kindes|Vertrauen]] in ihre Eltern. Eltern sind für Kinder in den ersten Jahren wie Leuchttürme, an denen sich Schiffe orientieren können. Sind sie nicht klar ersichtlich oder verschieben sich gar, ist eine Orientierung nicht oder nur erschwert möglich. Interessant ist übrigens, um die Analogie weiterzuverfolgen, dass es weniger eine Rolle spielt, wo der Leuchtturm steht, als vielmehr, dass man sich darauf verlassen kann, dass er an einer bestimmten Stelle ist und bleibt. So ist es für das Kind zum Beispiel unwesentlich, ob Ihnen der Lärm früher oder später als bei den Grosseltern zu gross ist, Hauptsache Sie haben eine bestimmte Linie, an der das Kind sich orientieren kann. Können sich Eltern zu wenig zwischen einem bedingungslosen "Ja" und einem konsequenten "Nein!" entscheiden, kann das mannigfaltige Folgen haben:
* '''Mangelndes Selbstvertrauen''': Kinder gewinnen ihr [[Selbstvertrauen]] in erster Linie aus dem [[Vertrauen der Eltern]]. Wenn dieses gestört ist, weil sie gar nicht wissen, auf welche Aussagen sie sich verlassen können, können sie entsprechend schlecht Selbstvertrauen aufbauen. Wenn Eltern zu ihrem Kind bloss halbherzig [[Ja der Eltern|"Ja""]] sagen können, wird es sich entsprechend wenig zutrauen und später womöglich als [[Duckmäuser]] empfunden. Wird es dafür auch noch [[Auslachen|ausgelacht]], kann schnell ein [[Teufelskreis]] entstehen, sodass das Kind auch noch zu [[jammern]] beginnt.
* '''Willensschwäche''': Kinder brauchen den [[Widerstand der Eltern]], um ihren Willen ausleben zu können. Wenn das [[Nein der Eltern|"Nein!" der Eltern]] zu halbherzig ist, können sie auch ihren Willen nicht kultivieren. Das zeigt sich dann zum Beispiel in Form eines Mangels an [[Frustrationstoleranz]], [[Ausdauer des Kindes|Ausdauer]] oder [[Geduld des Kindes|Geduld]]. Je länger Eltern mit einem klaren "Nein!" warten, desto länger wird die Hoffnung des Kindes hingehalten, dass es sie doch noch erweichen kann. Der Wille des Kindes brodelt dann gewissermassen weiter, sodass sich Eltern gerne über ein [[nervendes Kind]] oder die Schule über einen [[Störenfried]] zu beklagen beginnen. Wird das dann auch noch dem Kind [[Vorwürfe der Eltern|vorgeworfen]], kann schnell ein [[Teufelskreis]] entstehen. Sie tun deshalb sowohl sich selbst als auch dem Kind einen grossen Gefallen, wenn Sie ohne lang zu zögern [[Nein der Eltern|"Nein!"]] sagen und dafür [[Lernen der Eltern|lernen]], auf allfälliges Toben des Kindes [[Toben#Angemessene_Reaktion|angemessen zu reagieren]].
 
Das "Ja" und das "Nein!" bedingen sich gegenseitig. Es ist also nicht so, wie häufig gemeint, dass man "einfach schlecht 'Nein!' sagen" könnte, es ist vielmehr so, dass solche Menschen regelmässig auch Mühe haben, wirklich "Ja" zu sagen!  Eltern, die nie gelernt haben, zu ihrem Kind wirklich "Ja" zu sagen, werden umso mehr Mühe haben, mit der nötigen Konsequenz "Nein!" sagen zu können: Sie haben dauernd Angst, mit ihrem "Nein!" die Zuneigung ihres Kindes zu verlieren. Das Ergebnis ist dann eben eine Form von "Jein", also weder Fisch noch Vogel, eine Mischung.
 
{{top}}


{{Themen}}
{{Themen}}
Zeile 22: Zeile 42:
* [[Nein der Eltern|"Nein"]]
* [[Nein der Eltern|"Nein"]]
* [[Klartext]]
* [[Klartext]]
* [[Regeln]]
* [[Kompromisse]]
* [[Ausnahmen]]
* [[Grundprinzipien der Erziehung]]
* [[Grundprinzipien der Erziehung]]
{{top}}


{{VertrauenGrenzen}}
{{VertrauenGrenzen}}
{{Aufbau}}
{{top}}

Aktuelle Version vom 31. Mai 2022, 11:17 Uhr


Die beiden wichtigsten Wörter in der Erziehung sind "Ja" und "Nein". Allerdings gilt in den beiden ersten, alles entscheidenden Phasen der Erziehung des Kindes ein striktes "Entweder oder", das heisst, Sie dürfen die beiden Prinzipien nicht vermischen, sondern müssen möglichst klar sein, um vom Kind verstanden zu werden.

^ nach oben

Vertrauensbildung (bis etwa 2 Jahre)

Bedingungsloses "Ja"

Während der Phase der Vertrauensbildung dürfen und sollen Sie möglichst immer und bedingungslos "Ja" zu Ihrem Kind sagen. Denn Kinder haben in diesem Alter lediglich Grundbedürfnisse. Und sie vertrauen vollkommen, dass ihre Eltern ihnen immer und sofort helfen können. Nur wenn dieses Vertrauen von den Eltern bestätigt wird, kann das Kind entsprechendes Selbstvertrauen entwickeln. "Ja" sagen bedeutet auch, dass Sie den Fähigkeiten des Kindes vertrauen. Wenn es zum Beispiel lernt zu laufen, sollen Sie es freudig ermuntern, statt es vor irgendwelchen - meist völlig harmlosen! - Gefahren zu warnen. Lassen Sie auch alle unnötigen Einschränkungen weg. Wenn das Kind zum Beispiel selbst essen will, dürfen Sie sich freuen, statt ihm das nur mit der Bemerkung "Aber nur wenn Du schön isst!" gestatten. Als junge Eltern werden Sie sich an einige Unannehmlichkeiten wie verdreckte Böden oder mangelnde Ruhe gewöhnen müssen. Trotzdem sollten Sie grundsätzlich immer uneingeschränkt "Ja" sagen. Kommen Sie dabei an Ihre Grenzen dürfen Sie aber ebenso klar "Nein!" sagen. Wenn Sie zum Beispiel keine Kraft mehr haben, das Kind zu tragen, sollen Sie ihm das offen und ehrlich sagen ("Ich mag nicht mehr, ich bin zu müde!"), statt zum Beispiel das Kind widerwillig mit der Bemerkung "Muss das sein, Du Faulpelz!" hochzunehmen.

^ nach oben

Willensbildung (etwa 2 bis 4 Jahre)

Konsequentes "Nein!"

Wenn das Kind beginnt seinen Willen zu entwickeln, in der Regel etwa im dritten Lebensjahr, müssen Sie ihm als Eltern auch Grenzen setzen. Das Kind braucht Ihr "Nein!", einmal, aber laut und deutlich und in voller Überzeugung ausgesprochen. Eltern haben häufig Angst davor, weil sie meinen, sie seien dann "böse" oder sie könnten ihren so süssen Kleinen doch gar nichts verwehren. Sie versuchen dann das "Nein!" mit allen möglichen Floskeln zu vermeiden ("Geht's noch?", "Vielleicht später.", "Muss das sein?","Also, das gefällt Papi gar nicht.", "Jetzt ist dann bald genug.", "Wie viel mal soll ich Dir noch "Nein" sagen?"). Es sind Floskeln, mit denen weder "Ja" noch "Nein!" gesagt wird. Im besten Fall wird das Kind protestieren, im schlimmsten Fall wird es verwirrt, weil es (noch) nicht verstehen kann, was damit gemeint ist. Kinder brauchen gerade in dieser Phase Klartext. Seien besser einmal "zu hart" als zehnmal "zu weich". Ihr Kind braucht den Widerstand. Und wenn es zu toben beginnt, müssen Sie lernen, angemessen darauf zu reagieren.

Kinder können mit Ihrem "Nein!" immer dann umgehen, wenn Sie in der Phase zuvor von Ihnen ein klares "Ja" erhalten haben, das heisst eine genügende Vertrauensbasis besteht. Und sie brauchen das selbstverständlich auch jetzt noch. Sie sollten sich also möglichst immer im Klaren sein, auf welche Forderungen und Wünsche des Kindes Sie was antworten. Das wird Ihnen natürlich nicht immer gelingen. Wichtiger als die richtige Antwort ist aber, dass Sie konsequent bei Ihrer Antwort bleiben, denn das Kind vertraut Ihnen und kann mit einem "Nein!" zu viel besser umgehen als mit Wankelmütigkeit!

^ nach oben

Sozialisation bis Pubertät (etwa 4 bis 16 Jahre)

"Ja" ODER "Nein!"

Spätestens nach den beiden ersten, alles entscheidenden Phasen der Erziehung sollten Sie so weit sein, dass Sie spielend zwischen den beiden Prinzipien wechseln können, so wie Sie beim Autofahren auch ohne jegliche Mühe zwischen dem Gas- und Bremspedal wechseln können. Ebenso können Sie sanft bremsen oder schalten und angepasst beschleunigen. Auf Ihre Kinder übertragen heisst das, dass Sie nicht mehr plötzlich mit aller Kraft "Nein!" schreien müssen, sondern dass die Kommunikation mehr und mehr partnerschaftlich verläuft. So können Sie sich auf Diskussionen einlassen und sich auch einmal von überzeugenden Argumenten umstimmen lassen. Denn wenn das Kind genügend reif ist, was es mit der Sozialisation ja eigentlich sein sollte, wird es auch mit den Zwischentönen umgehen können, wie Bedingungen oder Relativierungen, von denen es zuvor noch überfordert gewesen wäre.

Bleiben Sie in Ihren Aussagen trotzdem immer noch klar und eindeutig. Sie müssen ja nicht immer sofort antworten, wenn Sie unsicher sind, sondern können sich Zeit zum Überlegen ausbedingen, denn Kinder können sich ab diesem Alter die Zukunft (wie auch die Vergangenheit) vorstellen, es muss also nicht mehr alles im Hier und Jetzt geschehen.

^ nach oben

Mögliche Folgen

Kinder sind in den ersten Jahren überfordert, wenn ihnen nicht klar gesagt wird, was gilt. Sie werden verunsichert und verlieren ihr an sich von Geburt an vorhandenes Vertrauen in ihre Eltern. Eltern sind für Kinder in den ersten Jahren wie Leuchttürme, an denen sich Schiffe orientieren können. Sind sie nicht klar ersichtlich oder verschieben sich gar, ist eine Orientierung nicht oder nur erschwert möglich. Interessant ist übrigens, um die Analogie weiterzuverfolgen, dass es weniger eine Rolle spielt, wo der Leuchtturm steht, als vielmehr, dass man sich darauf verlassen kann, dass er an einer bestimmten Stelle ist und bleibt. So ist es für das Kind zum Beispiel unwesentlich, ob Ihnen der Lärm früher oder später als bei den Grosseltern zu gross ist, Hauptsache Sie haben eine bestimmte Linie, an der das Kind sich orientieren kann. Können sich Eltern zu wenig zwischen einem bedingungslosen "Ja" und einem konsequenten "Nein!" entscheiden, kann das mannigfaltige Folgen haben:

  • Mangelndes Selbstvertrauen: Kinder gewinnen ihr Selbstvertrauen in erster Linie aus dem Vertrauen der Eltern. Wenn dieses gestört ist, weil sie gar nicht wissen, auf welche Aussagen sie sich verlassen können, können sie entsprechend schlecht Selbstvertrauen aufbauen. Wenn Eltern zu ihrem Kind bloss halbherzig "Ja"" sagen können, wird es sich entsprechend wenig zutrauen und später womöglich als Duckmäuser empfunden. Wird es dafür auch noch ausgelacht, kann schnell ein Teufelskreis entstehen, sodass das Kind auch noch zu jammern beginnt.
  • Willensschwäche: Kinder brauchen den Widerstand der Eltern, um ihren Willen ausleben zu können. Wenn das "Nein!" der Eltern zu halbherzig ist, können sie auch ihren Willen nicht kultivieren. Das zeigt sich dann zum Beispiel in Form eines Mangels an Frustrationstoleranz, Ausdauer oder Geduld. Je länger Eltern mit einem klaren "Nein!" warten, desto länger wird die Hoffnung des Kindes hingehalten, dass es sie doch noch erweichen kann. Der Wille des Kindes brodelt dann gewissermassen weiter, sodass sich Eltern gerne über ein nervendes Kind oder die Schule über einen Störenfried zu beklagen beginnen. Wird das dann auch noch dem Kind vorgeworfen, kann schnell ein Teufelskreis entstehen. Sie tun deshalb sowohl sich selbst als auch dem Kind einen grossen Gefallen, wenn Sie ohne lang zu zögern "Nein!" sagen und dafür lernen, auf allfälliges Toben des Kindes angemessen zu reagieren.

Das "Ja" und das "Nein!" bedingen sich gegenseitig. Es ist also nicht so, wie häufig gemeint, dass man "einfach schlecht 'Nein!' sagen" könnte, es ist vielmehr so, dass solche Menschen regelmässig auch Mühe haben, wirklich "Ja" zu sagen! Eltern, die nie gelernt haben, zu ihrem Kind wirklich "Ja" zu sagen, werden umso mehr Mühe haben, mit der nötigen Konsequenz "Nein!" sagen zu können: Sie haben dauernd Angst, mit ihrem "Nein!" die Zuneigung ihres Kindes zu verlieren. Das Ergebnis ist dann eben eine Form von "Jein", also weder Fisch noch Vogel, eine Mischung.

^ nach oben

Weiterführende Themen

^ nach oben

Übergeordnetes Thema

^ nach oben

Fragen und Feedback

Das "Zweimalzwei der Erziehung" ist zum Teil noch im Aufbau. Allfällige Fragen oder Feedback sind willkommen: Email


^ nach oben